Anfrage an Faymann

FPÖ-Wirbel um ORF-Doku nun auch im Parlament

Österreich
24.03.2010 19:19
Der Wirbel, den die FPÖ seit Tagen um die ORF-Reportage "Am rechten Rand" schlägt, hat am Mittwoch auch das Parlament erreicht. Am Vormittag wiederholte Parteichef Heinz-Christian Strache vor laufenden ORF-Kameras seine Anschuldigungen. Die Forderung, der Bundeskanzler solle in den ORF eingreifen, schmetterte SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer ab. Begründung: Der dazu eingebrachte Antrag der FPÖ sei eine Aufforderung zum Gesetzesbruch an den Kanzler. Der ORF wird die Doku über zwei Skinheads (Bild) am Donnerstag ausstrahlen.

Die Reportage aus der Reihe "Am Schauplatz" wird am Donnerstag (25.3.) um 22.30 Uhr auf ORF2 laufen. Im Anschluss läuft eine Sonderausgabe der Diskussionsrunde "Club 2" u.a. mit Strache und VP-Klubobmann Karlheinz Kopf sowie den Journalisten Herbert Lackner ("profil") und Johannes Fischer (ORF) als Studiogästen.

Für die Milieustudie hatte "Am Schauplatz"-Redakteur Eduard Moschitz wochenlang zwei jugendliche Skinheads begleitet. Die letzte Drehetappe, eine Wahlveranstaltung der Freiheitlichen in Wiener Neustadt, hatte politische Wellen geschlagen, nachdem Strache die beiden Burschen als vom ORF bezahlte "Nazi-Statisten" bezeichnete. Nach seiner Darstellung war auf Aufforderung von Moschitz außerdem eine nationalsozialistische Parole zu hören gewesen. Der ORF hatte die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen und auch die entsprechenden Aufnahmen in Rohversion veröffentlicht, wo kein derartiger Sager zu hören gewesen war.

Dringlicher Antrag an Faymann
Die FPÖ warf dem ORF am Mittwoch im Nationalrat vor laufender Kamera erneut Manipulationen an ebendiesem Rohmaterial vor, was der ORF erneut entschieden zurückwies. Im Dringlichen Antrag der FPÖ war dann davon die Rede, dass Moschitz den Skinheads "für besonders schwerwiegende Äußerungen Prämien" in Höhe von 80 Euro angeboten habe und "Transparente mit rechtsradikalen Inhalten" und "rechtsradikale Utensilien auf ORF-Kosten" angeschafft worden seien. Strache sprach insgesamt von 700 Euro.

Unter dem Motto "ORF-Manipulationsskandal" forderten die Freiheitlichen in ihrem Antrag an Bundeskanzler Werner Faymann eine Untersuchung, ob es "ähnliche Fälle" gegeben habe. Der Kanzler wurde außerdem aufgefordert, "dafür Sorge zu tragen, dass die ORF-Gebühren in einer gesetzeskonformen Weise verwendet werden". Bei der Abstimmung erhielt der Antrag nur die Unterstützung von FPÖ und BZÖ und wurde damit abgelehnt.

Kritik am ORF auch von ÖVP und BZÖ
Auch von der ÖVP kam scharfe Kritik am zuständigen ORF-Redakteur. Klubobmann Karlheinz Kopf erinnert daran, dass bei einer Reportage "Realitäten darzustellen und nicht Realitäten herzustellen" seien. Würden sich die Vorwürfe gegen den Redakteur bestätigen, wäre das ein grober Verstoß gegen ORF-Gesetz und interne Programmregelungen, aber auch ein Anschlag auf die Demokratie und ein handfester Medienskandal. Kopf befand, dass die Vorwürfe nun im ORF intern dringend aufgeklärt werden müssten, aber auch von der Staatsanwaltschaft.

BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner unterstrich indes, dass eine "Milieustudie" nicht dazu verwendet werden könne, um spielfilmartig eine Berichterstattung gegen eine gewisse Partei zu unternehmen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müsse es sofortige Konsequenzen für den betroffenen Redakteur geben. Kritisiert wurde von Petzner auch der "katastrophale Umgang des ORF" mit der Causa. Zumindest hätte der beschuldigte Redakteur bis zur Aufklärung der Vorwürfe dienstfrei gestellt werden müssen.

Die SPÖ hielt sich in einer Bewertung der Affäre zurück. Klubchef Josef Cap verlangte, zunächst einmal die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Eindeutig auf die Seite des ORF-Redakteurs schlugen sich die Grünen. Es sei im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrages zulässig, solche Berichte zu machen, betonte der geschäftsführende Parlamentarier Dieter Brosz. Sein Klubkollege Karl Öllinger ergänzte, dass es nicht nötig sei, Kontakte der FPÖ zur Neonazi-Szene zu inszenieren: "Sie finden statt."

Ostermayer: "Aufforderung zum Gesetzesbruch"
Der für Medien zuständige Staatssekretär Ostermayer vertrat den Kanzler bei der Beantwortung der "Dringlichen". Ostermayer betonte darin, dass der Antrag der FPÖ - Faymann möge "dafür Sorge tragen, dass die ORF-Gebühren in einer gesetzeskonformen Weise verwendet werden" - eine Aufforderung zum Gesetzesbruch sei. Der ORF sei verfassungsrechtlich unabhängig. Beschwerden seien daher an den Bundeskommunikationssenat zu richten und nicht an den Kanzler, so der Staatssekretär.

Die kritisierten Zahlungen an die zwei Skinheads (laut ORF einmalig 100 Euro) widersprächen außerdem nicht dem journalistischen Objektivitätsgebot, wies Ostermayer auf einen entsprechenden Entscheid des Bundeskommunikationssenats hin. Demnach sind finanzielle Leistungen an Personen, die an Dreharbeiten beteiligt sind, bei einem sachlich gerechtfertigtem Aufwand (egal ob Sach- oder Zeitaufwand) korrekt.

Ostermayer wies auch den Verwurf der Vertuschung zurück. Der ORF habe das Material online gestellt, werde die Sendung ausstrahlen und im Anschluss eine Diskussionsveranstaltung zeigen. Das alles sei Transparenz und Objektivität. Wer dennoch Zweifel habe, solle den rechtlich korrekten Weg beschreiten und nicht den unabhängigen ORF und seine Journalisten "verunglimpfen".

Wissenschaftler stärkt ORF den Rücken
Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell stärkte dem ORF indes von außerhalb des Parlaments den Rücken. Er sieht in der Herangehensweise des "Am Schauplatz"-Redakteurs Moschitz, der die zwei Skinheads zu der FPÖ-Parteiveranstaltung im Produktionsauto mitgenommen hatte, keinen Eingriff in die Authentizität des Geschehens. "Die Frage, wie sehr man in die Authentizität eingreift, wäre ja schon gegeben, wenn ich mit einer Kamera auftauche. Das Drehen mit versteckter Kamera wäre hier ein Ausweg, hat aber bei Reportagen in Österreich keine Tradition." Dass der ORF den Protagonisten 100 Euro für die Abtretung von Persönlichkeitsrechten zahlt, sieht Hausjell ebenfalls nicht als unzulässig an. "Das ist eine übliche Abschlagszahlung."

Hausjell verwies außerdem auf die Expertise von Moschitz, der sich heftiger Attacken durch die FPÖ ausgesetzt sieht. Dieser habe zu seinen Diplomanden gezählt, sagte der Professor, Moschitz' Thema war "Authentizität in Reportagen". "Er hat sich damit beschäftigt, wie verschiedene Praktiker und Theoretiker das sonst sehen."

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