Nationalratssitzung

Debatte um die neuen Steuern und “Pröllnocchio”

Österreich
25.03.2010 07:21
Viele Seitenhiebe und ideologische Grabenkämpfe zum Thema Steuern haben am Mittwoch die erste von zwei Nationalratssitzungen in dieser Woche geprägt. Bei der Aktuellen Stunde standen der neue Sparkurs der Regierung bzw. die geplanten Steuererhöhungen zur Debatte. Finanzminister Josef Pröll - vom BZÖ als "Pröllnocchio" begrüßt - musste dabei nicht nur gegen Kritik aus der Opposition ankämpfen. Die Sitzung dauerte bis kurz nach Mitternacht.

Das BZÖ, das das Thema der Aktuellen Stunde vorgegeben hatte, begrüßte den Finanzminister mit einer Karikatur, die Pröll als Pinocchio zeigte. Herbert Scheibner warf Pröll vor, in Sachen Steuererhöhungen gelogen zu haben. Anstatt die Budgetsanierung durch Einsparungen in der Verwaltung zu bewältigen, plane Pröll einen "Griff in die Tasche" der Bürger und der Wirtschaft.

Differenzen zwischen SPÖ und ÖVP
Bei den Reden wurden dann Unstimmigkeiten in Steuerfragen auch zwischen den Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP sichtbar. Zwar plädierte Pröll für eine gemeinsame Vorgehensweise in der Koalition, der Forderung seines Nachredners, SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer, nach einer Einschränkung der Gruppenbesteuerung widersprach er von der Regierungsbank aus allerdings heftig. Sehr belustigt zeigt sich der Finanzminister über die Steuerexpertise von SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas, die das sozialgerechte Prinzip so erklärte: "Es gibt gute Steuern und es gibt böse Steuern."

Pröll verteidigte im Rahmen der Aktuellen Stunde Pläne zur Erhöhung bzw. Einführung neuer Steuern trotz anderslautender Versprechen davor. Es bekräftigte seine Pläne für eine "Ökologisierung" des Steuersystems. Der Faktor Arbeit solle entlastet werden, denn es sei eine Kernaufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen. Pröll warnte mit Blick auf die Gruppenbesteuerung daher davor, Unternehmen zu belasten.

Neue Steuern sind "Kompromisse"
Österreich stehe trotz der einmaligen Krise in der EU gut da, was Arbeitslosigkeit und Wettbewerbsfähigkeit betreffe, so Pröll weiter. Es gebe dennoch Handlungsbedarf. Der Konsolidierungsbedarf von sechs Milliarden Euro bis 2013 erfordere einen "nationalen Schulterschluss". Es sei sein Ziel gewesen, keine neuen Steuern einzuführen, die Koalitionszusammenarbeit erfordere allerdings Kompromisse, erklärte der Vizekanzler. So habe man sich auf eine Mischung von einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen im Verhältnis 40 zu 60 geeinigt.

Die SPÖ plädierte dabei einmal mehr für ein "sozialgerechtes" Steuersystem, damit nicht die Opfer der Krise noch einmal zur Kasse gebeten werden. Finanzsprecher Krainer bekannte sich zu verstärkten einnahmenseitigen Maßnahmen, denn derzeit sei es so: "Je weniger persönliche Leistung, desto geringer die Steuern." Während Arbeit mit 50 bis 60 Prozent belastet sei, liege diese bei Verpachtungen und Vermietungen unter 40 Prozent und bei Spekulationen bei Null, so Krainer, der für Einschränkungen bei der Gruppenbesteuerung plädierte.

Opposition fordert "Budgetwahrheit"
Kritik an Pröll kam - neben dem BZÖ - auch von FPÖ und Grünen. Der Freiheitliche Abgeordnete Bernhard Themessl bemängelte, dass durch Bankenabgabe, Erhöhungen bei Tabak- und Mineralölsteuer die Bürger belastet werden. Die Banken bereiteten sich schon darauf vor, die Bankensteuer den Kunden weiterzugeben, so Themessl.

Grüne-Chefin Eva Glawischnig verlangte von Pröll "Budgetwahrheit". Die Wahrheit sei zumutbar. Es habe ohnehin jeder gewusst, dass die Budgetkonsolidierung ohne zusätzliche Einnahmen nicht machbar sei. Glawischnig plädierte für eine Abschaffung von Stiftungsprivilegien, Besteuerung von Finanzspekulationen und großen Vermögen.

In der teils heftige Debatte standen mehrmals Ordnungsrufe im Raum. Beim BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz ließ es Nationalratspräsidentin Barbara Prammer allerdings bleiben: "Ihre Rede strotzt vor Aussagen, die einen Ordnungsruf nach sich ziehen müssten. Ich tue es aber nicht - wegen Aussichtlosigkeit."

Fahrgastentschädigung beschlossen
Am Abend beschloss der Nationalrat, dass Fahrgäste künftig auch im Nahverkehr entschädigt werden können, wenn sie Opfer von Verspätungen werden. Voraussetzung dafür ist, dass es sich bei den Betroffenen um Jahreskarten-Besitzer handelt. Sie können zehn Prozent des Monatspreises erstattet bekommen, wenn auf einer gewissen Strecke im Laufe eines Monats mehr als zehn Prozent der Züge mindestens fünf Minuten Verspätung haben.

Im Fernverkehr gilt eine Regelung, wonach der Fahrgast 25 Prozent des Ticketpreises zurück bekommt, wenn sein Zug 60 Minuten Verspätung hat. Bei zwei Stunden Verspätung sind es schon 50 Prozent.

Keine Entschädigung im Nahverkehr gibt es, wenn das Verkehrsunternehmen nichts dafür kann, dass die Verspätung eintritt, etwa wegen außergewöhnlicher Wetterereignisse. Dies ist auch der Fall, wenn eine dritte Person für die Verzögerung verantwortlich ist und die Bahn die Störung nicht vermeiden kann oder wenn es ein Verschulden des Fahrgastes selbst gibt.

Kein U-Ausschuss zur ÖOC-Affäre
Zum Abschluss der Sitzung um kurz nach Mitternacht lehnte der Nationalrat einen Antrag des BZÖ auf Einrichtung eines Untersuchungsausschuss bezüglich finanzieller Ungereimtheiten im Bereich des österreichischen Olympischen Komitees und Verflechtungen von SPÖ- und ÖVP-Politikern in die Affäre mit den Stimmen der Koalition ab.

Fülle an Oppositionsanträgen
Bereits am Vormittag wurde außertourlich gut eine Stunde lang über die Tagesordnung debattiert. Die Opposition kritisiert, dass viele von ihr eingebrachte Anträge (laut FPÖ insgesamt 700) nicht ausreichend oder gar nicht debattiert würden. Die Freiheitlichen haben etwa einen Dringlichen Antrag im Zusammenhang mit ihrem Streit mit dem ORF, den man gleich am Vormittag vor laufenden ORF-Kameras wirkungsvoll in Szene setzte, eingebracht (siehe Infobox).

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