Beamte vor Gericht:

Wenn kleine Fehltritte große Folgen haben

Österreich
29.04.2019 06:00

Wenn ein Beamter vom Pfad der Tugend abkommt, wartet nur manchmal der Staatsanwalt, fast immer aber das Disziplinargericht. Dort werden auch skurrile Fälle verhandelt: Wenn bei einem Polizisten die Eifersucht obsiegt, wenn sich aus Unachtsamkeit ein Schuss aus einer Waffe löst oder wenn eine Justizwachebeamtin mit einem Insassen allzu engen Kontakt pflegt.

Kameraderie gibt es heute längst nicht mehr. Im Gegenteil: Beamte fürchten Disziplinarverfahren wie der Teufel das Weihwasser. Auch jenem alkoholisierten Tiroler Polizisten, der Kollegen attackierte, weil sie ihn am Lenken eines Autos hindern wollten, wird ein solches nicht erspart bleiben. Strafrechtlich verurteilt wurde er kürzlich.

Ex-Freundin gestalkt - 2400 Euro Strafe
2400 Euro Strafe gab es beim Disziplinargericht für jenen Polizisten, der von der Ex-Freundin wegen Stalkings angezeigt wurde. Obwohl die Frau keinen Kontakt wünschte, wurde der Beamte oft in der Dienstzeit vor dem Haus der Ex gesehen. Schuld an der Eskalation der Lage war wohl, dass es noch eine zweite Frau im Leben des Mannes gab und die Freundin eine schnelle Entscheidung wollte, für wen sich der Polizist entscheidet. Und dann hörte sie, wie der Mann vom WC aus mit der Lebensgefährtin heimlich telefonierte.

Nur 200 Euro Strafe muss jener Beamte zahlen, der in einem Polizeianhaltezentrum auf zwei Häftlinge, die wegen Verkehrsvergehen Verwaltungsstrafen zu verbüßen hatten, nicht gut genug aufgepasst hat. Beiden Männern gelang nämlich die Flucht. Der Polizist hatte das Nachsehen ...

15 Monate Haft wegen Amtsmissbrauchs
Eingestellt wurde hingegen ein Verfahren gegen einen Polizisten, der nicht weniger als 50 dienstliche Verfehlungen begangen hat. Vom Strafgericht wurde er wegen Amtsmissbrauch zu 15 Monaten Haft verurteilt. Seinen Job war er daher automatisch los. Damit war auch für das Disziplinargericht die Sache endgültig abgeschlossen.

Ein Polizist, der in Zivil mit weit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war und mit 0,82 Promille Alkohol im Blut angehalten wurde, musste 1600 Euro Disziplinarstrafe zahlen.

Ein Polizist, der beim Schusstraining irrtümlich ein Projektil abfeuerte, kam hingegen mit einem Verweis davon. Denn nach dem Strafprozess hatte er bereits eine Geldbuße bezahlt. Er war überzeugt, dass er eine Trainingspistole in Händen hielt. Dass er eine scharfe Glock abfeuerte, war ihm nicht bewusst.

Polizistin schmuste mit Häftling - 200 Euro Geldstrafe
Mit 200 Euro Geldstrafe kam eine Justizwachebeamtin davon, die schmusend mit einem Häftling gesehen wurde. Sie verantwortete sich mit einer privaten Stresssituation - und versprach Besserung.

Bei Amtsmissbrauch drohen bis zu fünf Jahre Haft
Selbst kleinste Verfehlungen und Bagatelldelikte von Beamten werden immer häufiger nicht nur disziplinarrechtlich, sondern als „Amtsmissbrauch“ auch vor dem Strafrichter behandelt. Skurrile Auswüchse dieser Entwicklung gibt es genug: In guter Erinnerung ist der Prozess gegen Wiener Müllmänner, die vor Gericht standen, weil sie für einige wenige Euro ein paar Müllsäcke mehr als erlaubt mitnahmen.

Unverständlich auch die Anklage gegen einen Beamten, der sich nur für ein Geburtstagsfest Daten früherer Mitschüler im Finanzregister besorgte. Rechtlich gesehen ist die Sache klar: „Missbrauch der Amtsgewalt“ (§ 302 StGB) wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. In Sonderfällen, etwa bei mehr als 50.000 Euro Schaden, drohen sogar zehn Jahre Haft.

Recht als Grundlage und Grenze
„Dienstlich wie privat“, „online wie offline“ hat man sich als Beamter „korrekt“ zu verhalten. Ja, es sind klare Grundsätze, die erwartet werden, die notwendig, aber wohl nicht immer einfach einzuhalten sind: „Die Rechtsordnung ist Grundlage, Maßstab und zugleich auch Grenze unseres Handelns“, heißt es im Kodex. Jedes Handeln von Mitarbeitern soll u. a. gesetzeskonform, verhältnismäßig, transparent, vernünftig, angemessen und respektvoll sein.

Amtsverschwiegenheit wird großgeschrieben, egal, ob unter Kollegen oder im privaten Umfeld. „Meiner Amtsstellung bediene ich mich ausschließlich zur Aufgabenerfüllung, nicht zur Verfolgung privater Interessen - auch nicht auf Facebook und Co.“, heißt ein Grundsatz. Man erwartet sich eine steigende „Sensibilität gegenüber Verdachtslagen des Amtsmissbrauchs, der Bestechlichkeit oder der Vorteilsannahme“, so etwa sei eine „höfliche Ablehnung die beste und sicherste Form des Umganges mit Geschenken“. Bei „Ehrengeschenken“ verhält es sich etwas anders, im Bedarfsfall entscheidet die Obrigkeit.

Auch sind alle Tätigkeiten, die „mich auch nur in die Nähe eines Interessenkonflikts oder eines Befangenheitstatbestandes bringen könnten“, zu vermeiden. Und Solidarität untereinander endet dort, „wo Angehörige der Organisation gegen geltendes Recht verstoßen oder nachhaltig von deren Zielen und Grundsätzen abweichen“.

Daten und Fakten
Genau 109 disziplinarrechtliche Verurteilungen von Bediensteten des Innenressorts (also Exekutivbedienstete samt Verwaltungsbeamte) gab es laut Innenministerium im Vorjahr (bei insgesamt rund 37.000 Mitarbeitern). 2017 waren es 88 disziplinarrechtiche Verurteilungen, das Jahr davor hatte man noch 105 gezählt. Nach § 302 StGB (Amtsmissbrauch) gab es 2015 laut Verfahrensautomation Justiz 117 Verurteilungen, 2016 dann 62. Im Jahr 2017 waren es 65, im Vorjahr 91 und heuer mit Stichtag 1. April bereits 30 Verurteilungen.

Peter Grotter und Silvia Schober, Kronen Zeitung

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