Kanzler „wachsam“

Kurz: „Ich werde die FPÖ an ihren Taten messen“

Österreich
21.04.2019 06:00

Der Kanzler blickt auf die Identitären-Krise zurück und deutet eine Abkehr von der geplanten Senkung der Körperschaftssteuer an. Erstmals antwortet Sebastian Kurz (ÖVP) im „Krone“-Interview auch auf die Abrechnung seines Vorgängers Reinhold Mitterlehner.

„Krone“: Herr Kanzler, was ist eigentlich so wichtig, dass man am 1. Mai einen Ministerrat abhält?
Sebastian Kurz: Der 1. Mai ist für die Bevölkerung ein Feiertag, in der Politik wird er sehr unterschiedlich begangen. Die SPÖ marschiert in Wien auf, als Bundesregierung arbeiten wir unser Programm ab.

Stehlen Sie der SPÖ mit der Steuerreform die Show?
Bei der Steuerreform geht es nicht darum, wann sie präsentiert wird, sondern um den Inhalt. Arbeitenden Menschen und all jenen, die wie unsere Pensionisten hart gearbeitet haben, muss mehr übrigbleiben. Das erreichen wir mit einer Senkung der SV-Beiträge sowie der Lohn- und Einkommenssteuer.

Selbst Industrielle fordern, statt der Körperschaftssteuer-Senkung die Mitte zu entlasten. Senken Sie die KöSt nun?
Wir senken die Belastung für die arbeitenden Menschen in unserem Land, vor allem für kleine und mittlere Einkommensbezieher.

Ist das ein Abschied von der geplanten KöSt-Senkung?
Wir werden natürlich auch Maßnahmen setzen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Aber vor allem werden wir die kleinen und mittleren Unternehmen stärken.

Die SPÖ kritisiert das türkis-blaue Gesetz für mehr Eigentum im Genossenschaftsbau. Das führe zu höheren Mieten.
Das ist falsch. Das Ziel der Politik darf es doch auch in Wien nicht sein, Menschen in ständiger Abhängigkeit zu halten. Gerade in Wien werden die Menschen viel zu wenig unterstützt, sich Eigentum zu schaffen.

Die Eigentumsquote ist im ganzen Land niedrig, EU-weit sind wir beinahe Schlusslicht.
Diese Quote müssen wir steigern. Derzeit können sich viele Eigentum nicht leisten. Der erste Schritt ist nun, dass man gemeinnützigen Wohnraum leichter käuflich erwerben kann.

Sind Sie selbst Eigentümer?
Ich wohne in einer Eigentumswohnung in Wien-Meidling und zahle meinen Kredit ab.

Sie forderten vehement von der FPÖ, sich von den Identitären zu distanzieren. Die Verbindungen sind seit jeher bekannt. Wieso erst jetzt?
Manches zu den Identitären war bekannt. Anderes, wie etwa die Spende eines Massenmörders oder auf Synagogen geklebte Hakenkreuze, nicht. Es war für mich daher jetzt notwendig, eine rote Linie zu ziehen.

Etliche Beobachter - vor allem aus der FPÖ - nennen den EU-Wahlkampf als Grund.
Diese Theorie ist absoluter Schwachsinn. Wer mich kennt, weiß, dass ich gegen extremes Gedankengut - ob links, rechts oder islamistisch - immer angekämpft habe und ankämpfen werde.

Ist das jetzt erledigt, oder muss die FPÖ noch was tun?
Der Vizekanzler hat klar gesagt, dass es keine Verbindung zwischen der FPÖ und den Identitären mehr geben darf. Ich bleibe wachsam und werde die FPÖ an ihren Taten messen.

Ihr Vorgänger Reinhold Mitterlehner wirft Ihnen vor, ihn rausgemobbt und die Koalition gesprengt zu haben. Haben Sie ihn abmontiert?
Das rot-schwarze System hat sich selbst abmontiert. Ich hatte in vielen Fragen einen ganz anderen Zugang als Reinhold Mitterlehner und Christian Kern. Ich wollte nicht zusehen, wie sich das Land in eine falsche Richtung entwickelt. Das Maximum, was die Regierung zustande gebracht hat, waren faule Tauschgeschäfte und rot-schwarze Minimalkompromisse. Ich entschied mich daher bewusst gegen das Weiterwursteln und für Neuwahlen.

Wie finden Sie es, dass er in Buchform derart abrechnet?
Zu seinen Beweggründen wurde alles gesagt.

Haben Sie es eigentlich gelesen oder vor, es zu lesen?
Ich habe es in den Medien mitverfolgt.

Mitterlehner sagt, Österreich sei auf dem Weg zu einer „autoritären Demokratie“.
Ich halte es für problematisch, die liberale Demokratie in Summe zu kritisieren, nur weil man mit dem Ausgang der Nationalratswahl nicht zufrieden ist. Ich persönlich zum Beispiel lehne die Politik der rot-grünen Regierung in Wien ab, würde aber niemals deren demokratische Legitimität bestreiten. Demokratie bedeutet Vielfalt, wechselnde Mehrheiten und Konstellationen - und nicht die rot-schwarze Erbpacht bis in alle Ewigkeit.

Klaus Knittelfelder, Kronen Zeitung

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