E-Autos „Klimasünder“

Umstrittene Ifo-Studie alles andere als fehlerfrei

Motor
19.04.2019 21:55

Die Studie des renommierten Münchner Ifo-Institutes, der zufolge Elektroautos größere Dreckschleudern als Dieselfahrzeuge seien, hat in den vergangenen Tagen ordentlich (Fein)staub aufgewirbelt. Denn anders als diverse zuvor erschienene Studien stellt die Analyse E-Autos als große Klimasünder dar. Doch die Studie ist alles andere als fehlerfrei. Auch die Politik hat sich nun in die Diskussion eingeschaltet. Die Frage, die sich nun viele stellen: Wurden Elektroautos womöglich absichtlich „schlechtgerechnet“?

(Bild: kmm)

Elektroautos sind nicht nur nicht umweltfreundlicher als Dieselautos, sondern belasteten das Klima im ungünstigsten Fall sogar um bis zu 28 Prozent mehr. Im günstigsten sind es immer noch 10 Prozent, die ein Stromer schlechter dasteht. So zumindest haben es Experten rund um den früheren Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn in ihrer vor Kurzem veröffentlichten Studie argumentiert.

Im Kern beschäftigten sich Sinn und seine beiden Co-Autoren, der Kölner Physik-Professor Christoph Buchal und der Ifo-Energieexperte Hans-Dieter Karl, mit der Frage, ob die Elektromobilität in der Lage sei, den CO2-Ausstoß des Verkehrssektors nennenswert zu senken. Dazu verglichen die Forscher einen Mercedes C 220d mit Dieselmotor und einen Tesla Model 3.

Studie ließ Wogen hochgehen
Das vernichtende Ifo-Urteil: Das Elektroauto sei ein Rückschritt gegenüber dem „modernen Diesel“. Sobald man den CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Batterien und den deutschen Strommix berücksichtigt, schneide Elektro im Vergleich zum Diesel deutlich schlechter ab, argumentieren Sinn und seine Kollegen. Wenig überraschend schlug das schlechte Zeugnis für Elektroautos in der öffentlichen Wahrnehmung ein wie eine Bombe, ist das Thema doch ein ganz heißes Eisen. Die Wogen gingen vor allem auch deshalb hoch, weil die Ergebnisse so gut wie allen anderen internationalen Studien der jüngeren Zeit widersprechen, die sich seriös mit dem Thema befassten.

So kamen etwa die Forscher vom Fraunhofer Institut ISI zum exakt gegenteiligen Befund: 28 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als ein Oberklasse-Diesel, bis zu 43 Prozent weniger als ein Kleinwagen-Benziner. Elektroautos seien demnach unterm Strich bis zu 43 Prozent weniger klimaschädlich als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Auch das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) setzte sich vor Kurzem in einer Studie mit der Klima­bilanz von Elektrofahrzeugen auseinander. Laut den ifeu-Forschern „sind Elektrofahrzeuge gegenüber Verbrennern schon heute im Vorteil, mal mehr, mal weniger. Und der Vorsprung wird wachsen.“

Wie konnten also die Ifo-Forscher zu so gänzlich konträren Ergebnissen kommen? Sinn habe sich einiger, teils einfacher, Tricks bedient, ging etwa die „Wirtschaftswoche“ der Frage nach, warum die Ifo-Forscher in diesem Fall irren würden. Das Thema sei technisch komplex und Berechnungen enthielten zahlreiche Prognosen und damit Variablen. Im Kern habe Sinn beim Diesel stets Best-case-Szenarien, beim E-Auto aber Worst-case-Szenarien angesetzt, heißt es in dem Bericht.

Akku als entscheidender Faktor
Problematisch sind insbesondere die Angaben zum Akku der Elektroautos, der laut Sinn und Kollegen ja erheblich mit zur schlechten Klimabilanz beitragen soll. Die Produktion der Tesla-Batterie belaste das Klima demnach bereits mit elf bis 15 Tonnen CO2, ist in der Ifo-Studie zu lesen. Bei einer Haltbarkeit des Akkus von zehn Jahren und einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern im Jahr bedeute das alleine schon 73 bis 98 Gramm CO2 pro Kilometer. Dies würde aber laut „Wirtschaftswoche“ bei den von den Ifo-Experten angenommenen Verbrauchswerten des Tesla gerade mal 300 Vollzyklen der Batterie (laden und entladen) bedeuten. „Das ist in schon grotesker Weise zu niedrig angesetzt. Und es ist keine einzige Quelle auffindbar, die eine so geringe Lebensdauer der Akkus nahelegen würde“, heißt es dazu in dem Bericht.

Die Ifo-Forscher konnten für ihre Analyse zudem nicht auf die Umweltdaten von modernen Akku-Fabriken zugreifen, weil es diese Daten einfach nicht frei verfügbar gibt, wie das Nachrichtenmagazin „Focus“ berichtet. Ein prominenter Betreiber einer Akku-Fabrik ist Tesla selbst, also der Hersteller jenes Elektroautos, mit dem die Ifo-Forscher ihre Rechnungen anstellten. Von Tesla selbst sind diesbezüglich keine genauen Werte öffentlich zugänglich. „Bisher liegen nur wenige öffentliche Primärdaten über Batteriematerialien und Herstellung vor“, hatten bereits die Forscher des Ifeu-Instituts erklärt. Sie regten an, dass die EU-Kommission aktuelle Daten zur Klimabilanz von Batterien erheben und veröffentlichen lässt.

„Second Life“ der Tesla-Akkus wurde unterschlagen
Mit einer zehnfach höheren Lebensdauer des Tesla-Akkus - wie es von mehreren Tesla-Konkurrenten berechnet wurde - sähe das Ergebnis der Gesamt-CO2-Bilanz, in der die Ifo-Forscher die Emissionen bei der Herstellung des Akkus zurecht berücksichtigen, jedenfalls vollkommen anders aus. Und dass der Akku nach dem Ende seines Lebenszyklus im sogenannten Second Life - etwa als Hausspeicher für Solaranlagen oder Zwischenspeicher in lokalen Stromnetzen - eingesetzt werden kann und wird, unterschlagen Sinn und seine Mit-Autoren zur Gänze.

Damit nicht genug, wird in der Ifo-Studie der Energieaufwand für die Batterie einfach auf das Auto aufgerechnet, umgekehrt die beim Elektroauto überflüssigen Komponenten (Verbrennungsmotor, Getriebe, Auspuffanlage usw.) jedoch nicht gegengerechnet. Auch die Materialeinsparungen, die sich durch den viel geringeren Wartungsaufwand des Elektroautos ergeben, werden von Sinn und seinen Forscherkollegen nicht berücksichtigt.

Sollte bestimmtes Ergebnis zugunsten des Diesels erreicht werden?
Somit drängt sich in vielen Punkten nicht zu Unrecht der Verdacht auf, dass in der Ifo-Studie ein bestimmtes Ergebnis zugunsten des Diesels erreicht werden sollte. In Deutschland verteidigten sowohl das Bundesumweltministerium als auch das Umweltbundesamt nach Veröffentlichung der Analyse die Klimabilanz von Elektroautos. Auch sie verwiesen auf die „umfassende“ Ifeu-Studie, wonach die alternative Antriebsart schon heute einen deutlichen Klimavorteil bietet.

Das Umweltbundesamt betont in der „Rheinischen Post“: „Der Vorteil von Elektroantrieben gegenüber Verbrennungsmotoren ist ihr vergleichsweise hoher Wirkungsgrad. Dies allein garantiert aber keinen klimaneutralen Verkehr, sondern maximal eine lokal emissionsfreie Beförderung. Um Elektromobilität tatsächlich ,sauber‘ zu machen, müssten auch der Strom für den Betrieb der Fahrzeuge sowie die Produktion der Batteriezellen zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Davon ist man momentan noch weit entfernt.“

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(Bild: kmm)



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