Bizarrer Streit

FPÖ und ORF bekriegen sich nach Skinhead-Auftritt

Österreich
18.03.2010 15:35
Ein bizarrer Streit zwischen dem ORF und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache könnte schon bald die Gerichte beschäftigen. Der Politiker wirft einem Kamerateam vor, zu einer Parteiveranstaltung Skinheads mitgebracht und dann zu "Sieg Heil"-Rufen angestiftet zu haben. Das Filmmaterial offenbart allerdings eine andere Wahrheit. Zugleich wirft die Causa ein böses Licht auf die Pressefreiheit in unserem Land.

Was genau haben zwei Skinheads bei einer FPÖ-Veranstaltung in Wiener Neustadt gerufen? Und wieso waren sie überhaupt dort? Um diese beiden Fragen dreht sich der absurd anmutende Streit zwischen der FPÖ und dem ORF. Nach Meinung von Heinz-Christian Strache wurden die beiden Männer vom ORF zu der Veranstaltung eingeladen, um ihn und die Partei zu verunglimpfen. Demnach hätten sie – nach Aufforderung durch einen Redakteur – bei der Begegnung mit Strache vor laufender Kamera "Sieg Heil" gerufen. So zumindest stellt es die Partei auf ihrer Homepage dar.

Doch das jetzt vorgeführte Filmmaterial und neue Informationen offenbaren eine andere Wahrheit. Demnach habe ein Team der Sendung "Am Schauplatz" die beiden Neonazis mehrere Wochen begleitet, um eine Milieustudie anzufertigen. Weil die beiden Männer laut ORF-Angaben immer wieder von Strache geschwärmt hatten, sei der letzte Drehtermin ein Besuch der FPÖ-Veranstaltung in Wiener Neustadt gewesen. Beim Bad in der Menge stieß Strache dann auf die Skinheads.

"Sieg Heil"-Rufe sind nirgends zu hören
"Sieg Heil"-Rufe habe es dabei aber keine gegeben, sagt der zuständige ORF-Redakteur. Und auch die jetzt vorgeführten Filmaufnahmen legen dies nahe. Nach Sichtung des Materials sei allenfalls denkbar, dass ein akustisches Missverständnis vorliegt. Denn als die Skinheads ein Autogramm von Strache erhalten, können sie dies offenbar nicht auf Anhieb entziffern und rätseln über die Aufschrift. Einer der beiden sagt in normaler Redelautstärke vor sich hin: "Wos stehtn do? H.E. Strache. Aah! Heinrich Strache." Mit viel Fantasie ließe daraus zwar nicht das von der FPÖ behauptete "Sieg Heil" heraushören, aber immerhin ein "Heil Strache".

Zudem ist sich Strache sicher, dass der begleitende Redakteur die Neonazis zu dem von ihm vermuteten Nazi-Ruf ausdrücklich animiert habe. "Sagt es endlich!", habe der ORF-Mann demnach einem der Skinheads zugerufen, als dieser in Straches Nähe stand. Doch auch diese Behauptung lässt sich durch das Filmmaterial nicht belegen. An einer Stelle sagt der Redakteur lediglich: "Jetzt könnt's alles zum Herrn Strache sagen, was ihr sagen wollt's". Der Journalist betont jedoch, dass den Äußerungen der Wunsch der beiden Arbeitslosen vorausgegangen war, einmal mit Strache zu reden, woran er sie bei der Gelegenheit erinnern wollte.

Vermeintlicher "Lohn" entpuppt sich als Notwendigkeit 
Und auch der FPÖ-Vorwurf, dass die beiden Männer für ihren "Auftritt" einen Lohn in Höhe von 100 Euro erhalten hätten, entpuppte sich schnell als unhaltbar. Das einzige Geld, das geflossen sei, waren die üblichen 100 Euro für die bei Fernsehaufnahmen notwendige Abtretung der Persönlichkeitsrechte. Dieser Vorgang ist bei Protagonisten, die nicht als öffentliche Personen bekannt sind, üblich. "Dazu gibt es beim ORF ein Formular", so Magazinchef Johannes Fischer.

Nichtsdestotrotz hat die FPÖ angekündigt, gegen den ORF Klage einzureichen. Und auch der Sender schließt mittlerweile rechtliche Schritte gegen die Partei nicht mehr aus.

Redakteursrat sieht Pressefreiheit beschädigt
Doch egal, wie ein mögliches Verfahren enden wird - einen Verlierer gibt es bereits jetzt: die Pressefreiheit. Denn nach der FPÖ-Anzeige war das Rohmaterial der Redakteure von der Polizei beschlagnahmt worden. Ein "gravierender Anschlag auf das Redaktionsgeheimnis und damit die Medienfreiheit", so der ORF-Redakteursrat. "Macht das Beispiel Schule, braucht künftig jemand einen Journalisten nur - und sei es noch so unbegründet - irgendeines Vergehens zu beschuldigen und schon wird dessen Material bis hin zum Laptop, Diktiergerät, Notizbuch beschlagnahmt", so ORF-Redakteurssprecher Fritz Wendl. Der rechtliche Hintergrund: Als Beschuldigter falle ein Journalist mittlerweile nicht mehr unter den Schutz des Mediengesetzes.

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