Zwillingsstudie zeigt:

Längere Zeit im Weltall schadet Gesundheit nicht

Wissenschaft
13.04.2019 07:15

Ein längerer Aufenthalt im All scheint die Gesundheit und den körperlichen Zustand von Astronauten nicht nachhaltig zu beeinträchtigen. Das hat ein Vergleich zwischen dem US-Astronauten Scott Kelly, der knapp ein Jahr an Bord der Internationalen Raumstation ISS gelebt hatte, mit seinem auf der Erde gebliebenen Zwillingsbruder Mark gezeigt. Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde NASA sind die meisten Unterschiede, die während der Zeit in der Schwerelosigkeit aufgetaucht waren, nach Abschluss der Mission wieder verschwunden - etwa Veränderungen der Genaktivität.

Zwischen März 2015 und Februar 2016 war Scott Kelly fast ein ganzes Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS. Danach ging er in den Ruhestand, er arbeitet aber weiter an der Forschung zu seiner Jahresmission mit. Im Vergleich mit dem in dieser Zeit am Boden gebliebenen, wenigen Minuten älteren Zwillingsbruder Mark, ebenfalls Astronaut im Ruhestand, wollte man erforschen, wie sich ein langer Aufenthalt im All auf den Menschen auswirkt. Diese Erkenntnisse sind etwa wichtig für zukünftig geplante, bemannte Missionen zum Mars.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie haben zehn Teams bestehend aus mehr als 80 Forschern verteilt über zwölf Universitäten erarbeitet. Die Zwillingsstudie ist einzigartig: Zwar sind insgesamt bereits mehr als 550 Menschen ins All geflogen, aber nur acht Missionen dauerten mehr als 300 Tage. Scott Kelly blieb 340 Tage. Er und Mark Kelly sind zudem das bisher einzige eineiige Astronauten-Zwillingspaar. Vor, während und nach der Jahres-Mission wurden die beiden immer wieder untersucht.

Unterschiede in Genaktivität registriert
Im All sind Menschen unter anderem der Schwerelosigkeit und Strahlung ausgesetzt. Wie sich das genau auf den Körper auswirkt und wie lange eventuelle Veränderungen bestehen bleiben, ist allerdings noch weitgehend unklar. In seinem im vergangenen Jahr auf Deutsch veröffentlichten Buch „Endurance. Mein Jahr im Weltall“ hatte Scott Kelly beschrieben, dass er sich nach der Rückkehr wie ein alter Mann gefühlt habe, mit grausamen Schmerzen in den angeschwollenen Beinen, Übelkeit und brennender Haut.

Bei Scott Kelly entwickelte sich im All unter anderem die Genaktivität anders als bei seinem Zwillingsbruder auf der Erde, heißt es nun in der Studie. Besonders betroffen waren Gene, die im Zusammenhang mit dem Immunsystem stehen. Der Aufbau der Gene selbst blieb unverändert. Mehr als 90 Prozent der Genaktivität entwickelte sich innerhalb von sechs Monaten aber wieder zurück auf das Level vor der Mission, berichten die Forscher im Fachjournal „Science“.

Telomere wuchsen im Weltall an
Zur Überraschung der Forscher wuchsen im All bei Scott Kelly die Telomere - schützende Kappen an den Enden von Chromosomen. Veränderungen der Telomerlänge werden mit Alterungsprozessen und Krankheiten in Verbindung gebracht. Auch in diesem Fall verschwanden die meisten Veränderungen auf der Erde wieder, einige von Scott Kellys Telomeren sind aber mittlerweile kürzer als zuvor.

Zudem veränderte sich Scott Kellys Augapfel, unter anderem wurde ein Nerv in der Netzhaut dicker. Auch die geistige Leistungsfähigkeit nahm in einigen Bereichen ab. Diese Veränderungen könnten aber möglicherweise nicht nur auf den Aufenthalt im All zurückzuführen sein, so die Autoren der Studie. Wie sie weiter berichten, wirkt eine Grippe-Impfung im All genauso wie auf der Erde. Die Darmflora veränderte sich nicht stärker als dies auch auf der Erde unter Stressbedingungen beobachtet wird.

Strahlenbelastung bei Mars-Mission höher
In einem Kommentar weist der Biologe Markus Löbrich von der Technischen Universität Darmstadt darauf hin, dass die Strahlenbelastung bei einer Mars-Mission deutlich höher sei als bei Aufenthalten auf der ISS. Die gesundheitlichen Folgen dürften demnach zum Teil andere sein. Dies müsse in weiteren Studien geklärt werden, auch um Strategien dagegen zu entwickeln. Dennoch, so kommentiert Löbrich, die Studie „bedeutet mehr als nur einen kleinen Schritt für die Menschheit in diesem Vorhaben“.

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