Symbol für Toleranz

Migranten integriert: Bürgermeister vor Gericht

Ausland
11.04.2019 20:04

In Italien wird einem mittlerweile suspendierten Bürgermeister, der für sein großes Engagement für Migranten bekannt wurde, der Prozess gemacht. Ab 11. Juni müssen sich Domenico „Mimmo“ Lucano und mehr als zwei Dutzend weitere Personen vor Gericht verantworten, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA am Donnerstag unter Berufung auf das Gericht im süditalienischen Locri.

Lucano war im kalabrischen Ort Riace Bürgermeister und galt international als Symbol für Toleranz. Er hatte in seinem von Entvölkerung geprägten Dorf Hunderte Migranten aufgenommen und in die örtliche Wirtschaft integriert. Anfang Oktober vergangenen Jahres war er wegen Begünstigung illegaler Einwanderung vorübergehend festgenommen worden. Aus dem Hausarrest wurde Lucano, der 2010 zum weltweit drittbesten Bürgermeister gewählt wurde, entlassen, er musste aber seiner Gemeinde in Kalabrien den Rücken kehren.

Lucano wird unter anderem vorgeworfen, Scheinehen zwischen Bewohnern seines Dorfes und Migrantinnen arrangiert zu haben. Außerdem soll er die Müllentsorgung in Riace ohne Ausschreibung an Kooperativen von Migranten vergeben haben. Der Prozess müsse nun klären, ob sich hinter dem Modell Riace wirklich ein kriminelles System verberge, berichtete die Zeitung „La Repubblica“ am Donnerstag.

Dorf zum Musterbeispiel für Integration gemacht
Lucano hatte das 1800-Einwohner-Dorf in Kalabrien in den vergangenen Jahren zu einem Musterbeispiel für die Integration von Flüchtlingen gemacht. Er nahm Dutzende Menschen etwa aus Afghanistan, Eritrea und dem Irak auf und quartierte sie in leerstehenden Häusern in dem von Abwanderung betroffenen Gemeinde ein. Die Dorfschule wurde wieder geöffnet, von Flüchtlingen und Dorfbewohnern neu eröffnete Geschäfte und Ateliers zogen Touristen an.

Fall sorgt für Empörung im In- und Ausland
Lucano, der 2016 von der Zeitschrift „Fortune“ in die Liste der 50 einflussreichsten Persönlichkeiten aufgenommen wurde, hatte kürzlich erklärt, sich vor einem Prozess nicht zu scheuen. „Ich verteidige mich in Prozessen, nicht vor Prozessen.“ Der Fall hatte im In- und Ausland für Empörung gesorgt. Gegen das Vorhaben des rechtspopulistischen Innenministers Matteo Salvini, Migranten aus dem Dorf umzusiedeln, waren sogar in Dresden Menschen auf die Straße gegangen. Dort hatte Lucano, über den der deutsche Regisseur Wim Wenders den Dokumentarfilm „Il Volo“ (Der Flug) gedreht hat, den Friedenspreis der Stadt erhalten.

Der seit Sommer regierenden Allianz aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen Lega, ist Lucano natürlich ein Dorn im Auge. Vor allem Vizeregierungschef und Innenminister Salvini von der Lega-Partei verfolgt einen flüchtlingsfeindlichen Kurs und will im Fall von Riace offenbar verhindern, dass sich andere italienische Städte und Dörfer die Modellgemeinde zum Vorbild nehmen. Er hatte Lucanos Festnahme begrüßt und die „Gutmenschen“ kritisiert, „die Italien mit Einwanderern vollstopfen wollen“.

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