Auslieferung an USA?

Nach Festnahme: Wer jetzt hinter Assange her ist

Ausland
11.04.2019 16:22

Julian Assange gilt als maßgeblicher Mitgründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, die Einblick in unethisches Verhalten von Regierungen und Unternehmen verspricht. Seinen Kritikern gilt der 47-jährige gebürtige Australier jedoch vielfach auch als Selbstdarsteller, der mit der Veröffentlichung heikler Informationen sogar das Leben anderer Menschen aufs Spiel setze. Nach seiner Festnahme am Donnerstag in London steht jetzt die brisante Frage im Raum, was nun mit dem streitbaren Mann geschieht. Es besteht ein aufrechter Auslieferungsantrag an die USA, aber auch in Schweden sind neue Ermittlungen aufgrund von Vergewaltigungsvorwürfen gegen Assange möglich. Ein neuerliches Tauziehen um den WikiLeaks-Gründer droht.

Die britische Polizei hatte den 47-jährigen Australier am Donnerstag in der Botschaft Ecuadors in London festgenommen, wohin er sich vor sieben Jahren aus Furcht vor einer Auslieferung an die USA geflüchtet hatte. Wenige Stunden nach seiner Festnahme erschien er am Nachmittag bereits vor einem Gericht in London, wo er beim Betreten des Gerichtssaals den Daumen in die Höhe reckte. Assange wurde für schuldig befunden, gegen seine Kautionsauflagen verstoßen zu haben. Dafür droht ihm eine Haftstrafe bis zu zwölf Monaten.

Aus Botschaft zu Polizeiwagen getragen 
Ein Video der Festnahme (siehe unten) zeigt, wie Assange von sechs Polizisten in Zivilkleidung zu einem Polizeiwagen getragen wurde. Der 47-Jährige werde „so schnell wie möglich“ einem Richter vorgeführt, hieß es. „In Großbritannien steht niemand über dem Gesetz“, stellte indessen Premierministerin Theresa May im Parlament in London klar und dankte Ecuador für die Zusammenarbeit sowie der Polizei für ihre „große Professionalität“.

Wird WikiLeaks-Gründer an die USA ausgeliefert?
Völlig unklar ist derzeit, wie es nun mit dem WikiLeaks-Gründer weitergehen wird. Assange selbst befürchtet eine Überstellung in die USA. WikiLeaks hatte 2010 für eine Sensation gesorgt, indem sie Hunderttausende geheime Dokumente aus der Kommunikation von US-Botschaften veröffentlichte. Zuletzt war Assange kritisiert worden, nachdem während der heißen Wahlkampfphase in den USA 2016 vertrauliche E-Mails von Servern der Demokraten gestohlen und teils auf WikiLeaks veröffentlicht wurden. Das wurde als gezieltes Störfeuer gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gewertet. Die Server der Demokraten waren nach Erkenntnissen von IT-Sicherheitsexperten von russischen Hackern geknackt worden.

US-Anklage wegen Verschwörung zu Computerangriff
Die US-Justizbehörden bestritten jedoch bislang, dass gegen Assange eine Anklage vorbereitet sei. Im November des Vorjahres kam dann durch eine Panne aber ans Licht, dass die Anklagepunkte gegen Assange offenbar bereits ausgearbeitet wurden. In einem Dokument aus einem anderen Fall wurde zweimal auf einen Fall „Assange“ verwiesen. Nur wenige Stunden nach seiner Festnahme am Donnerstag bestätigte das Justizministerium in Washington, dass der 47-Jährige in den USA wegen „Hackerangriffen“ angeklagt worden ist. Demnach wird Assange zur Last gelegt, 2010 Regierungscomputer attackiert und geheime Dokumente von US-Militärrechnern heruntergeladen zu haben.

Konkret wird Assange angelastet, sich mit der früheren US-Soldatin Chelsea Manning verbündet zu haben, um ein spezielles Passwort für den Zugang zu Rechnern des US-Verteidigungsministeriums zu knacken. Manning hatte den Angaben zufolge zwar bereits ohne dieses Passwort Zugang zu diesen Computern gehabt und von ihnen Hunderttausende Geheimdokumente heruntergeladen, die sie dann an Assange weiterleitete. Das Knacken des Passworts - das offensichtlich nicht gelang - hätte es ihr jedoch erleichtert, ihre Identität beim weiteren Herunterladen von Material zu verschleiern.

Bei einem Prozess in den USA drohen dem Australier bis zu fünf Jahre Haft. Das US-Justizministerium hob am Donnerstag hervor, dass die im Rahmen der erhobenen Anklage vorgesehene Maximalstrafe nicht wahrscheinlich sei. Die tatsächlichen Strafen für Delikte nach dem US-Bundesrecht lägen „typischerweise“ unter den im Gesetz vorgesehenen Höchststrafen. Die US-Regierung bat die britischen Behörden nach Angaben der dortigen Polizei bereits um die Auslieferung von Assange.

Snowden-Vertrauter: „Kriminalisierung von Journalismus“
Die Anklage bleibt jedenfalls hinter den schlimmsten Befürchtungen Assanges zurück. Der 47-Jährige hatte befürchtet, in den USA wegen Spionage angeklagt zu werden - wofür ihm potenziell sogar die Todesstrafe gedroht hätte. Der Vertraute von NSA-Aufdecker Edward Snowden, der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald, sprach dennoch von einem „gewaltigen Angriff auf die Pressefreiheit“ und einer „Kriminalisierung des Journalismus“.

Auch Vergewaltigungsvorwürfe holen Assange wieder ein
Auch in Schweden könnte Assange neuer juristischer Ärger drohen: Jene Frau, die mit Vorwürfen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung gegen den Australier - inzwischen eingestellte - Ermittlungen in Schweden ausgelöst hatte, will jetzt, dass der Fall nach seiner Festnahme neu aufgerollt wird. Ihre Anwältin teilte am Donnerstag mit, sie werde daran arbeiten, dass die Staatsanwaltschaft die vorläufigen Ermittlungen in Schweden wieder aufnehme. Ziel sei es, dass Assange an Schweden ausgeliefert und wegen Vergewaltigung strafrechtlich verfolgt werden könne, hieß es in einer E-Mail der Anwältin an die Deutsche Presse-Agentur.

Die zuständige schwedische Staatsanwältin Ingrid Isgren teilte mit, die Situation sei auch für sie völlig neu und sie wisse noch nicht, warum Assange festgenommen wurde. Kommentieren könne die Staatsanwaltschaft die Entwicklung nicht. Grundsätzlich könne eine vorläufige Untersuchung wieder aufgenommen werden, solange der Tatverdacht nicht verjährt ist. In dem Fall, dem Tatverdacht der Vergewaltigung, laufe die Frist Mitte August 2020 ab.

Assange war vorgeworfen worden, 2010 zwei Frauen in Schweden vergewaltigt und sexuell genötigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Mai 2017 eingestellt, weil sie keine Möglichkeiten sah, die Ermittlungen weiterzuführen. Die Schuldfrage sei damit aber nicht geklärt.

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