Israel und die USA

Botschafter ortet “schlimmste Krise seit 35 Jahren”

Ausland
15.03.2010 14:28
Der heftige Streit Israels mit seinem mächtigsten Bündnispartner USA bringt Michael Oren (Bild), den israelischen Botschafter in Washington, aus der Fassung. Die Beziehungen der beiden Länder befänden sich in der "schlimmsten Krise seit 35 Jahren", warnte Oren am Montag. Die ungewöhnlich harte Verurteilung der Siedlungspläne in Ramat Shlomo im besetzten Nordosten Jerusalems durch die USA lässt in Israel die Alarmglocken schrillen.

In Israel herrscht ein breiter Konsens darüber, dass ganz Jerusalem Hauptstadt des jüdischen Staates ist. Für viele Israelis ist es schwer nachzuvollziehen, dass die internationale Gemeinschaft das ganz anders sieht und Bauprojekte im besetzten arabischen Ostteil als Hindernis für den Friedensprozess verurteilt. "Für 90 Prozent der Israelis ist Ramat Shlomo dasselbe wie Tel Aviv", schrieb ein Kommentator der Zeitung "Yediot Ahronot" am Montag. "Für den Rest der Welt ist Ramat Shlomo jedoch dasselbe wie Ramallah."

US-Misstrauen gegenüber Netanyahu-Regierung
Auch die Vorgängerregierung unter Ehud Olmert hatte massiv in Ost-Jerusalem gebaut und war deshalb mehrmals mit der US-Regierung aneinandergeraten. Dennoch gab es damals in Nahost noch einen Friedensprozess mit direkten Gesprächen, die auch die Jerusalem-Frage letztlich klären sollten. Die jetzige Krise hat mehr Sprengkraft, weil das Misstrauen gegenüber der rechtsorientierten und siedlerfreundlichen Regierung Benjamin Netanyahus offensichtlich größer ist.

Ähnlich dicke Luft zwischen Israel und den USA herrschte zuletzt im Jahre 1975, als es zum Streit über Details des israelischen Rückzugs von der besetzten Sinai-Halbinsel kam. Die USA drohten damals mit einer drastischen "Neubewertung" der Beziehungen, sollten die US-Friedensbemühungen an Israels mangelnder Flexibilität scheitern. Angesichts der politischen und militärischen Abhängigkeit von dem übermächtigen Verbündeten war Israel gezwungen, klein beizugeben.

"Zutiefst negatives Signal" während Biden-Besuch
Der Eklat während des Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden in der vergangenen Woche erinnert an die damalige Krise. Ende vergangener Woche glaubte Israel nach einer versöhnlichen Ansprache Bidens in der Universität Tel Aviv noch, den Zorn der US-Regierung über die Ankündigung des Baus von 1.600 Wohnungen in Ramat Shlomo sei wieder verraucht. Doch am Freitagabend rief US-Außenministerin Hillary Clinton dann verärgert bei Netanyahu zu Hause an und las ihm 43 Minuten lang die Leviten. Die Baupläne, die das israelische Innenministerium just während Bidens Besuch veröffentlicht hatte, seien ein "zutiefst negatives Signal".

Clinton habe Netanyahu eine ganze Liste weitreichender Forderungen gestellt, hieß es am Montag. Sie verlange die komplette Aufgabe des Siedlungsvorhabens in Ramat Shlomo, ernsthafte Konzessionen an die Palästinenserführung sowie die Aufnahme von Verhandlungen über die Kernfragen des Nahost-Konflikts. Diese Forderungen könnten letztlich ein Auseinanderbrechen der Koalition Netanyahus bedeuten, meinten israelische Kommentatoren am Montag. Für seine rechten Bündnispartner seien sie weitgehend inakzeptabel.

Der US-Nahostgesandte George Mitchell kommt an diesem Dienstag wieder in die Region und erwartet dann klare Antworten von Israel. Israelische Kommentatoren meinten am Montag, die USA nutzen ganz offensichtlich das Fehlverhalten Israels während Bidens Besuch, um neue Bewegung im Nahost-Friedensprozess zu forcieren.

Palästinenserführung nutzt die Gunst der Stunde
Lachender Dritter sind die Palästinenser. Sie waren zuvor gedemütigt worden und müssen indirekten Friedensgesprächen zustimmen, obwohl Israel ihre Forderungen nach einem vollständigen Siedlungsstopp - auch in Ost-Jerusalem - ignoriert. Doch nun, während Israel international am Pranger steht, nutzt die Palästinenserführung die Gunst der Stunde, um ihre Verhandlungspositionen wieder zu verhärten: Neue Gespräche soll es nur geben, wenn das Bauvorhaben in Ramat Shlomo abgeblasen wird.

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