Missbrauchs-Fälle

Kirche soll sich Anzeigepflicht selbst verordnen

Österreich
15.03.2010 12:30
Die Grünen haben im Zusammenhang mit der Welle an Missbrauchsvorwürfen gegen kirchliche Einrichtungen eine Selbstverpflichtung der Verantwortungsträger, bei Missbrauchsfällen Anzeige zu erstatten, vorgeschlagen. Außerdem fordern sie eine Entschädigung der Opfer, mehr Prävention an Schulen sowie eine unabhängige Untersuchungskommission zu möglichen Vertuschungen. Einer gesetzlichen Anzeigepflicht stehen die Grünen – wie auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner – noch ablehnend gegenüber.

Man müsse die Opfer in den Mittelpunkt der Diskussion stellen, meinte der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser bei einer Pressekonferenz am Montag. Deren Entschädigung sei eine "Frage des politischen Anstands". Deshalb wollen die Grünen die Schaffung eines Opferfonds durch die Kirche - dabei gehe es keineswegs um "Freikaufen", betonte Steinhauser, sondern um Schadenersatz. Die Abwicklung der Zahlungen solle durch eine kirchenunabhängige Kommission erfolgen, die Entschädigung solle weiters unabhängig von Verjährungsfristen geschehen.

Außerdem will Steinhauser eine unabhängige Untersuchungskommission, der sämtliche bei der katholischen Kirche befindlichen Hinweise auf bisher vertuschte Missbrauchsfälle übergeben werden. Ein "wichtiges Signal" wäre für die Grünen auch eine Selbstverpflichtung von Verantwortungsträgern der Kirche, bei Missbrauchsfällen Anzeige zu erstatten - eine generelle Anzeigenpflicht hält Steinhauser nach wie vor nicht für sinnvoll. In einem Brief an Kardinal Christoph Schönborn werde er seine Vorschläge jedenfalls unterbreiten und um Stellungnahme ersuchen.

Reagiert die Kirche nicht, soll der Gesetzgeber reagieren
Sollte die Kirche keine entsprechende Initiative setzen, müsse man prüfen, wie man sie gesetzlich zu derartigen Maßnahmen verpflichten könne. Die politische Debatte auf dem Niveau von chemischer Kastration und öffentlichen Sexualstraftäterregistern hält Steinhauser jedenfalls nicht für richtig. Über Verjährungsfristen müsse man aber diskutieren, allerdings mit Experten wie Psychotherapeuten. Was am Ende der Diskussion stehe, wolle er nicht vorwegnehmen. Von einer generellen Anzeigenpflicht - derzeit gibt es sie nur für Behörden und öffentliche Dienststellen - hätten Ärzte und Psychotherapeuten in den vergangenen Jahren abgeraten, und "so lange aus dieser Ecke keine anderen Signale kommen", bleibe er bei seiner Meinung gegen eine Anzeigenpflicht.

Justizministerin Bandion-Ortner hatte zuletzt ihre Probleme mit der Forderung nach einer Anzeigenpflicht geäußert. "Wo beginnt es und wo hört es auf?" Es bestehe zudem die Gefahr, dass es "zuhauf zu unbegründeten Anzeigen" komme. In Sachen Verjährungsfrist - sie beträgt in Österreich 20 Jahre beginnend ab dem 28. Lebensjahr des Opfers - meinte die Ministerin, dass bei Jahrzehnte alten Fällen zahlreiche Schwierigkeiten, etwa Beweisprobleme, auftreten würden. Außerdem hätte eine Änderung oder Abschaffung der Fristen keine Auswirkungen auf die aktuell diskutierten Fälle." Das sei auf den Grundsatz des Rückwirkungsverbots im Strafrecht zurückzuführen: "Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, rückwirkend die Verjährungsfristen zu ändern."

Kinder und Eltern sollen sensibilisiert werden
Einen Schwerpunkt setzen möchte Steinhauser auch bei der Prävention: Ein verpflichtender Präventionsunterricht durch externe Profis an Volksschulen und in der Unterstufe beziehungsweise in der Hauptschule soll Kindern zeigen, wo Missbrauch beginnt und wie sie damit umgehen können. Eltern und Lehrer müssten geschult werden, wie sie entsprechende Symptome erkennen und wie sie darauf reagieren können. Die Kosten dafür würden etwa 350 Euro pro Klasse betragen, umgerechnet auf das Beispiel Niederösterreich ergebe das einen jährlichen Betrag von rund 500.000 Euro.

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