Poier im Interview:

Revolte gegen die digitale Diktatur

Salzburg
04.04.2019 15:46
Der steirische Kabarettist steht nach drei Jahren Pause wieder auf der Bühne. Angriffslustig ist er nach wie vor. In seinem mittlerweile schon neunten Programm lehnt er sich gegen die Social Media-Community auf und spricht von einem zunehmenden Werteverlust. Einziger Ausweg: Die Flucht ins Absurde.

Alf, du gastierst Freitag mit deinem neuen Kabarett-Programm „Humor im Hemd“ im Oval im Europark. Ein Anspielung an den „Mohr im Hemd“?

„Nein, das hat nichts damit zu tun. Vielmehr heißt das Programm so, weil ich lustig bin und auf der Bühne ein Hemd trage. Alles andere ist eine Unterstellung bzw. muss eine Verwechslung sein. (lacht)

Worum geht’s?

Es geht darum, was man in unserer Gesellschaft heutzutage noch sagen kann, soll oder darf. Beziehungsweise ob es überhaupt noch darauf ankommt, was jemand sagt, oder nur noch wer es sagt. Ein Beispiel: Bei Rapper RAF Camora werden sämtliche Frauen als Schlampen und Nutten bezeichnet. Wenn Andreas Gabalier das machen würde, wäre es ein Riesenskandal. Es wird mit zweierlei Maß gemessen und somit am gesellschaftlichen Konsens gerüttelt!

Auch eine Folge der digitalen Revolution und Social Media?

Mit Sicherheit! Denn in unserer schnelllebigen Zeit und digitalen Welt, ist das was gestern noch wichtig erschien, heute nichts mehr wert. Alles geht immer schneller, und ist angeblich auch praktischer, aber glücklicher werden die Menschen deshalb auch nicht.

Es vollzieht sich gerade ein Werteverlust, und die Menschen werden immer haltloser. Das Familienfoto wurde längst durch das Selfie ersetzt, der Glaube ist auch nichts mehr wert, und die Arbeit wird zunehmend als sinnlos empfunden. Was überbleibt ist die Ich- und Konsum-AG.

Sich komplett dem Social Media-Hype zu entziehen funktioniert aber nicht. Oder nutzt du kein Facebook, Instagram und Co?

Wenn man sich dem ganzen Wahnsinn entzieht, hat man ohnehin schon verloren, wird als gestrig und rückständig abgestempelt und auf diversen Plattformen dafür sogar noch beschimpft. Insofern ist es natürlich enorm schwierig dabei nicht mitzumachen, auch mir gelingt es nicht. Denn als Künstler musst du einfach auf sämtlichen Kanälen präsent sein. Glücklich bin ich dabei aber nicht.

Kommst du bei deiner Abrechnung mit der digitalen Diktatur und politischen Korrektheit zu einem Schluss?

Die einzige Lösung ist die Flucht ins Absurde, sich nicht ständig über die Zukunft zu sorgen, sondern im Hier und Jetzt leben und genießen.

Du warst früher Langstreckenläufer. Noch aktiv?

Ich bin jetzt 52 Jahre

alt und frage mich jeden Morgen, wer zuerst verkalkt, meine Kaffeemaschine oder ich. Insofern halte ich mich nach wie vor noch mit laufen fit. Allerdings nicht mehr in dieser extremen Form.

In erster Linie hält mich aber die Kunst wach: Denn Kultur ist die metaphysische Revolte des Menschen gegen den eigenen Tod.

Alf Poier

„Humor im Hemd“

Oval, die Bühne im Europark

5.April, 19.30

Tina Laske
Tina Laske
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