Bologna-Protest

Studenten besetzten erneut Hörsaal in Wien

Österreich
11.03.2010 09:31
Im Vorfeld der Bologna-Prozess-Feierlichkeiten, die am Donnerstag und Freitag in Budapest und Wien stattfinden, haben Studenten wieder zum Mittel der Besetzung geriffen: Im Neuen Institutsgebäude der Uni Wien wurde am Mittwochabend ein Hörsaal besetzt - je nach Angaben von 50 bis 500 Leuten. Donnerstag früh wurde der Hörsaal freiwillig geräumt.

Die Besetzung (Bild) war nur von kurzer Dauer. Die laut eigenen Angaben 400 bis 500 Studenten - laut Rektorat 50 bis 100 -, die am Mittwochabend den Hörsaal 1 und weitere Räume in Beschlag genommen hatten, sind um 7.30 Uhr freiwillig abgezogen. Alle Vorlesungen würden nun regulär stattfinden, hieß es aus dem Rektorat der Universität Wien.

Kurz vor Mitternacht hatten die Anwesenden noch beschlossen, den Hörsaal nur dann zu räumen, wenn das Rektorat schriftlich versichert, dass die Studenten trotz der Besetzung die Räume am Campus im Alten AKH (Wien-Alsergrund) nutzen dürfen, die ihnen für ihren Bologna-Gegengipfel zugesprochen worden waren. Die Studenten forderten außerdem zusätzliche Schlafräume für aus anderen Ländern angereiste Demonstranten. Nun heißt es: "Wir gehen davon aus, dass das Rektorat kooperativ ist."

Rektorat zeigt sich abwartend
Dort zeigt man sich unterdessen abwartend: "Wir schauen uns einmal an, wie sich die Lage in den kommenden Stunden weiter entwickelt", so eine Sprecherin des Rektorats. Alles Weitere werde man in Gesprächen mit den Organisatoren des Gegengipfels klären. Die Besetzung habe allerdings "ein großes Fragezeichen" hinter die Vereinbarungen zwischen dem Rektorat und den Studenten gestellt.

Das NIG war - wie das Audimax der Uni Wien auch - vom Oktober bis kurz vor Weihnachten 2009 besetzt. Auch damals war der Auslöser für die Studentenproteste, die sich auf ganz Österreich ausweiteten, die Ablehnung der Bologna-Struktur (siehe Infobox). Mit ihr wurde ein einheitliches europäisches Hochschulwesen geschaffen. Unter anderem wurden die bisherigen nationalen Studiengänge durch international vergleichbare Master- und Bachelor-Abschlüsse ersetzt.

Minister feiern in Wien und Budapest, Studenten protestieren
Mit einer Jubiläumskonferenz in Budapest und Wien feiern Minister aus den 46 teilnehmenden europäischen Ländern am Donnerstag und Freitag das Zehn-Jahr-Jubiläum des neuen Bologna-Studiensystems. Die Ministerkonferenz startet Donnerstagmittag in Budapest. Am Nachmittag übersiedeln die Teilnehmer nach Wien, wo es am Abend einen Empfang in der Hofburg gibt. Am Freitag geht die Konferenz in Wien zu Ende. Die Kritiker wiederum veranstalten einen international besuchten Alternativgipfel am Uni-Campus im Alten AKH.

Begleitet wird die Veranstaltung von einer Protestaktionen und einer Studenten-Demonstration, bei der auch Straßenblockaden stattfinden sollen. Für einen ungestörten Konferenz-Auftakt in der Wiener Hofburg gibt es großflächige Absperrungen zwischen Oper und Burgtheater. Polizei und ÖAMTC warnen vor Staus, auch bei öffentlichen Verkehrsmitteln werden Einschränkungen erwartet.

Karl: "Studenten sollen mitgestalten statt demonstrieren"
Indes hat Wissenschaftsministerin Beatrix Karl die Studenten zur Mitarbeit am neuen Studiensystem aufgefordert: "Die Studierenden sollen mitgestalten, anstatt zu demonstrieren." Viele Kritikpunkte an Bologna führt die Ministerin auf die derzeitige Übergangsphase zurück, es gebe aber auch Probleme, die Bologna nur "in die Schuhe geschoben" würden. An die Studenten appellierte Karl, sich aktiv einzubringen, etwa in dem bei der Ministerkonferenz eingerichteten "Public Space". "Das ist sinnvoller als zu demonstrieren." Zudem seien Studenten auch in den einzelnen Delegationen vertreten, etwa die Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) Sigrid Maurer in der österreichischen Abordnung.

Karl sieht den großen Mehrwert von Bologna in der "Steigerung der Mobilität und Internationalität". Es geht darum, einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen, in dem Studenten und Absolventen mobiler und ihre Studienleistungen und Abschlüsse vergleichbar und anrechenbar würden. Das biete für die Studenten und Absolventen mehr Chancen und Möglichkeiten, international zu agieren. "Absolventen müssen sich einem internationalen Wettbewerb stellen und dazu müssen wir sie an den Universitäten entsprechend rüsten."

Dass viele kritisieren, die Mobilität habe in den vergangenen Jahren abgenommen, hat für Karl "nicht unbedingt mit Bologna zu tun". Die mangelnde Anrechnung von Studienleistungen verschiedener Universitäten finde man auch in Fachbereichen, die noch gar nicht auf Bologna umgestellt hätten, wie den Rechtswissenschaften. "Das ist ein Problem, das Bologna in die Schuhe geschoben wird", sagte die Ministerin, die noch kein ausreichendes Maß an Verständnis für Bologna ortet. "Das ist wie mit Europa insgesamt, dem man gerne alle Schuld zuschiebt. Und im Hochschulbereich soll plötzlich Bologna an allem schuld sein."

"Bologna bietet zahlreiche Chancen für unsere Studierenden"
Für Karl bedarf es deshalb einer stärkeren Klarstellung, wofür Bologna eigentlich stehe und worin der Mehrwert liege. "Bologna bietet zahlreiche Chancen für unsere Studierenden." Absolventen stünden in einem harten internationalen Wettbewerb, auf den sie an den Unis vorbereitet werden müssten.

"Die Umstellung auf Bologna-Architektur, die Europäisierung der Universitäten gibt den Studenten das nötige Rüstzeug für ihre weitere Erwerbstätigkeit mit", sagte Karl. Viele Probleme seien auch auf die derzeitige "Übergangsphase" vom alten zum neuen Studienmodell zurückzuführen. Auch die Wirtschaft müsse sich noch umstellen, sagte die Ministerin in Richtung der Skepsis der Unis an der Arbeitsmarktfähigkeit der Bachelors.

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