Trotz Behinderung

Ganz Europa nur mit Rad und Zelt umrundet

Tirol
29.03.2019 12:30
Über 32.000 Kilometer ist Sebastian Hölzl an Europas Küsten entlanggefahren und fünf Jahre lang lernte er ständig neue Menschen und Kulturen kennen. Alles trotz Behinderung.

Sebastian Hölzl arbeitete 30 Jahre als Archivar fürs Land. Doch in seiner Freizeit suchte er den Nervenkitzel. Vom Extremklettern bis hin zum Fallschirmspringen machte er alles mit. In der Tiroler „Krone“ erschien bereits 1997 ein Artikel zu seinen lebensgefährlichen Bergexpeditionen. „Ich habe so ziemlich alles getan, was ein Beamter niemals tun würde“, witzelt der Pensionist.

Doch dann passierte Hölzl im Jahr 2000 beim Paragleiten ein schwerer Unfall. Eine inkomplette Querschnittslähmung war die Folge. Als er seine Nerven nach Jahren wieder unter Kontrolle hatte, starb sein Bruder an Krebs. „Das war mein zweiter Tiefpunkt“, erzählt der bald 74-Jährige, „Da blieb nur mehr die Flucht nach vorne: Aufs Rad und nichts wie weg!“

Die Umradelung Europas
„Das Fahrrad ist mein Ersatzrollstuhl“, betont Hölzl. Vor dem Unglück war Bergsteigen sein Lebensinhalt, nun ist er nur mehr auf seinem „Speedy“ unterwegs.

Die Idee, alle Küsten Europas zu befahren, kam ihm bei seiner ersten von zehn Europatouren im Jahr 2014, vom Nordkapp bis Gibraltar. „Den Rückflug hatte ich zur Motivation im Vorhinein gebucht“, erzählt der eifrige Sportler, „Als ich in Belgien auf starken Gegenwind stieß, dachte ich, das schaffe ich nicht rechtzeitig.“ Doch er kam mit eineinhalb Monaten Restzeit in Spanien an. „Ich entschloss mich, nicht durch das Binnenland, sondern am Meer entlang zu fahren.“ Dabei erkannte er die Vorzüge der Küsten: „Es ist angenehm kühl und man kann sich immer an der Meeresseite orientieren.“

Persönliche Spielregeln
Er führte nicht nur über seine sämtlichen Touren Buch, sondern setzte sogar Regeln fest. Sein Zelt „Minna“ hatte er stets dabei, denn: „Hotels kamen nicht in Frage. Ich schlief fast immer unter freiem Himmel.“ Er bevorzugte Waldplätze: „Wenn man nachts auf weichem Boden einschläft und morgens zu Vogelgezwitscher aufwacht, ist das einfach wunderbar.“

Das Tagesziel betrug sechs Stunden oder 100 Kilometer Strecke. „So streng war ich nun auch wieder nicht“, erklärt Hölzl, „Wenn ich einen schönen Rastplatz noch vor dem Ziel fand, habe ich mein Zelt schon dort aufgeschlagen.“ Zählt man alle Touren zusammen, war er insgesamt genau 400 Tage unterwegs.

Verpflegung kaufte er sich unterwegs. Meist bei Lidl, denn: „Den gibt es fast überall und ich kann mich immer halbwegs orientieren.“

Single, aber nie allein
Was Hölzl sehr schätzt, sind die Menschen, denen er auf seinen Reisen begegnen durfte. „Alleine ist man aufgeschlossener“, erzählt er, „die Leute spüren das und kommen auf einen zu.“

In Gozo, Malta, übernachtete er an einem Binnensee in der Nähe des „Blauen Fensters“. Das riesige Felsentor hatte ihn beeindruckt. Doch sein Lager schlug er ausgerechnet vor einer Fischerhütte auf, die nachts von ihrem Besitzer aufgesucht wurde. „Obwohl ich den Eingang blockiert hatte“, erinnert er sich, „bat er mich herein und teilte sogar seinen Fisch mit mir.“

Amerika im Visier
In Albanien rechnete er aufgrund der Armut der Menschen damit, ausgeraubt zu werden. „Doch das Gegenteil war der Fall!“, berichtet der Sportler, „Es waren die nettesten Menschen, denen ich auf meinen Reisen je begegnen durfte.“  Hölzl überlegt bereits, auch Amerika zu befahren. Doch vorerst resümiert er: „Ich habe mir eine positive Zukunftsperspektive ,erradelt’ und gelernt, dass es immer hilfsbereite Menschen geben wird.“

Mirjana Mihajlovic, Kronen Zeitung

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Tirol



Kostenlose Spiele