krone.tv-Diskussion

Behinderung des Kindes: Was darf erlaubt sein?

Österreich
28.03.2019 14:31

In Österreich können Schwangerschaften auch nach dem ersten Trimester abgebrochen werden, wenn das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt ist. Die Bürgerinitiative #fairändern sieht darin eine Diskriminierung behinderter Kinder. Mehr als 60.000 Unterstützer hat sie schon, unter ihnen prominente Politiker aus ÖVP und FPÖ. Carina Marie Eder, Vorsitzende der Initiative, sowie Petra Kohlberger, Ärztin und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, haben die Forderungen im krone.tv-Studio diskutiert (Talk im Video).

In Österreich darf eine Schwangerschaft in den ersten drei Monaten straffrei auf Wunsch der Frau abgebrochen werden. Danach ist dies nur noch in Ausnahmefällen möglich. In § 97 (2) des österreichischen Strafgesetzbuches heißt es, ein Schwangerschaftsabbruch ist ohne zeitliche Begrenzung straffrei, wenn „eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“. Diese Formulierung findet Kohlberger gut, denn der Gesetzestext erlaubt eine Entscheidung im Einzelfall. Dies passiert in der Praxis in einem Team an Fachärztinnen, Hebammen, Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen. Hier geht es etwa um Fälle wie Herzmissbildungen, Lungenmissbildungen oder andere Organfehlbildungen.

Dennoch: „Tatsache ist, dass das Gesetz zwischen Kindern mit Behinderung und Kindern ohne Behinderung unterscheidet“, betont Eder. Auch der Fachausschuss der Vereinten Nationen zur Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat dies bereits beanstandet. „Das Komitee empfiehlt dem Vertragsstaat, jegliche Unterscheidung des Zeitrahmens, in dem ein Schwangerschaftsabbruch nach dem Gesetz ausschließlich aufgrund von Behinderung möglich ist, abzuschaffen“, heißt es in dem Bericht nach Österreichs Staatenprüfung 2013.

So schwierig das Thema ist, die Initiative, die sich damit befasst, steht zum Teil in der Kritik. Vorsitzende Eder war im Verein „Jugend für das Leben“ aktiv, eine Organisation, die die Fristenregelung (straffreier Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Woche in Österreich) als „untragbares Unrecht“ bezeichnet und laut der Protestierende vor Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, „unseren größten Respekt verdient haben“.

Im Interview beteuert sie allerdings, ihre Initiative wolle die Fristenregelung nicht antasten. Die Erstunterzeichnerin der Initiative, Petra Plonner, ist in einem ähnlichen Verein, der „Österreichischen Lebensbewegung“, involviert. Offengelegt werden diese Hintergründe im Auftritt der Initiative nicht. Sowohl die Vorsitzenden als auch die Unterstützer sind kirchennahe oder kommen vor allem aus den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ. Der „Kurier“ wirft der Initiative außerdem vor, Unterstützer angegeben zu haben, die nicht vollständig informiert waren oder ihre Unterstützung gar nicht zugesagt hätten. Ein Kommunikationsfehler, beteuert Eder. Manche Unterstützer hätten sich auch zurückziehen müssen, weil sie so stark unter Beschuss gekommen seien, erzählt sie.

„Wenn wir feststellen, das ist eine so schwere Schädigung des Kindes, dass das mit einem eigenständigen, selbstbestimmten Leben nicht vereinbar ist, und es ist auch nicht möglich, das zu beheben, dann kommt die Beratungsgemeinschaft zu dem Schluss, hier ist ein Abbruch möglich“, erklärt Kohlberger. Um diese Einzelfallentscheidungen zu ermöglichen, müsse der Gesetzestext so bleiben, wie er derzeit ist. Sie gesteht aber zu: „Wir sind gerne bereit, als wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Punkte, die wir uns ohnehin bereits seit Langem auferlegt haben, verpflichtend zu machen.“ Denn Selbstregulierungsmaßnahmen bestehen bei den betroffenen Experten bereits.

In Deutschland wurde eine Behinderung des Kindes als alleinstehender Grund für einen Abbruch 1995 aus dem Gesetz gestrichen. Die Änderung hat keine Verringerung der Abbruchsrate mit sich gebracht, bei Abbrüchen wird nun die Gesundheit der Mutter als Grund angegeben. „Das österreichische Gesetz ist hier ehrlicher“, schlussfolgert Kohlberger.

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