Urteil im Fall Krems

Nach Todesschuss: Polizist fasst acht Monate bedingt aus

Österreich
12.03.2010 15:05
Jener Polizist, der in der Nacht auf den 5. August 2009 in einem Kremser Supermarkt einen 14-jährigen Einbrecher erschossen hat, ist am Freitagnachmittag im Landesgericht Korneuburg wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen schuldig erkannt worden. Richter Manfred Hohenecker verhängte dafür acht Monate Haft, die dem Beamten zur Gänze bedingt nachgesehen werden. Zuvor hatte sich der 43-Jährige schuldig bekannt (siehe Video). Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Richter Manfred Hohenecker ging "im Zweifel davon aus", dass der Angeklagte den Tod des 14-Jährigen "nicht ernsthaft für möglich gehalten hat", wie er in der Urteilsbegründung feststellte. Zugleich betonte er: "Bei professionellerer Verhaltensweise, die von Ihnen als Polizist zu erwarten ist, wäre er noch am Leben." Hohenecker bemerkte außerdem: "Ich hoffe, dass Sie nicht mehr Außendienst ausüben." Daher werde er die beschlagnahmte Dienstwaffe des Polizisten nicht diesem, sondern dem Landespolizeikommando NÖ übermitteln, kündigte der Richter an: "Ich hoffe, dass Sie Ihnen nicht mehr ausgefolgt wird."

Für Hohenecker stand fest, dass der Angeklagte und seine Kollegin einen Angriff befürchten mussten, als sie in dem Supermarkt den vermummten Einbrechern begegneten. Dem Beamten wäre es darum gegangen, "einen Verbrecher auf frischer Tat festzunehmen". Er wäre dem 14-Jährigen "in der Absicht, die Festnahme zu erzwingen" in den Verkaufsraum gefolgt. Dort habe er von der Dienstwaffe Gebrauch gemacht, "um einen vermeintlichen Angriff auf seine Person abzuwehren".

Richter: "Mehrere Sorgfaltsverstöße"
Dabei habe der 43-Jährige "einfach abgedrückt und nicht auf die Beine gezielt", und das in dem Moment, in dem sich der Jugendliche umdrehen wollte. Wie Hohenecker betonte, konnte das vom Polizisten behauptete "Erschrecken" über die angeblich erneute Gefahrensituation "eindeutig nicht widerlegt werden". Der Beamte wäre verpflichtet gewesen, "seinen Job ordentlich und sorgsam zu erledigen und dabei maßhaltend vorzugehen", hielt der Richter fest. Der 43-Jährige habe aber "mehrere Sorgfaltsverstöße" gesetzt.

Bei der Strafbemessung mildernd waren demgegenüber der bisherige untadelige Wandel des Polizisten, sein "reumütiges Geständnis, von dem ich den Eindruck hatte, dass er es ernst meint" sowie "das massive Mitverschulden des Opfers", so Hohenecker.

Angeklagter: "Habe wahrscheinlich überreagiert"
Der Angeklagte hatte sich zu Beginn des letzten Verhandlungstages schuldig im Sinne der Anklage bekannt: "Es war wahrscheinlich so, dass ich in der Situation überreagiert habe... in der Situation, wo ich ihm gegenübergestanden bin. Es wäre vielleicht eine andere Möglichkeit gewesen, dass ich zurückgegangen wäre", sagte der 43-Jährige weiter. "… oder nicht geschossen hätten", wie Richter Hohenecker hinzufügte.

Er habe "aus Furcht" geschossen, weil er bei dem 14-Jährigen zuvor im dunklen Verbindungsgang zum Verkaufsraum eine Gartenharke wahrgenommen hätte, betonte der Angeklagte. In den Rücken habe er den Burschen getroffen, weil dieser im Moment eine Drehbewegung eingeleitet hatte. Der Richter quittierte das späte Geständnis mit Wohlwollen: "Das ist ein guter Zug von Ihnen."

Chefinspektor: 14-Jähriger hatte "kriminelle Tendenz"
Der Leiter der Kriminaldienstgruppe der Polizeiinspektion Krems sagte als Zeuge aus, dass der erschossene 14-Jährige "eine kriminelle Tendenz in bereits sehr jungem Alter" hatte. Er sei "leider Gottes schon als Unmündiger bei uns angefallen". Der Kriminalist erklärte, der Bub habe mit elf eine Sachbeschädigung begangen und sich später des Diebstahls, der Körperverletzung und des "gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls" schuldig gemacht.

Lehrerin: "Respekt hat er nicht gehabt"
Vernommen wurde auch eine Lehrerin, die den 14-Jährigen unterrichtet hatte. "Respekt hat er nicht gehabt", sagte die Pädagogin. So sei er von der Schule suspendiert worden, nachdem er gegen den Direktor "gehupft" und diesen angeschrien habe. Auf die Frage, ob der Bub aggressiv gewesen sei, erwiderte die Lehrerin: "Ich weiß nicht, ob das das richtige Wort ist. Er hat Dummheiten im Kopf gehabt." Florian habe andere Schüler "gemobbt und angegriffen", wobei er sich dabei "eher gegen Schwächere" richtete. Der Bub habe wiederholt "Lehrer provoziert".

Angeklagter ein "verlässlicher Kollege"
Der Leiter der Dienststelle Krems, wo 54 Polizisten Dienst versehen, beschrieb den Angeklagten als "verlässlichen Kollegen" und als "Beamten, auf den man sich hundertprozentig verlassen kann". Der Chefinspektor betonte, "Rambo-Allüren" wären dem 43-Jährigen fremd.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Rainer Rienmüller erbat drei Tage Bedenkzeit, Staatsanwältin Magdalena Eichinger gab vorerst keine Erklärung ab. Ex lege hat die verhängte Strafe - sollte sie in Rechtskraft erwachsen - keine Auswirkungen auf die weitere berufliche Laufbahn des Polizisten: Ein automatischer Amtsverlust tritt kraft Gesetzes erst bei einer über einjährigen Freiheitsstrafe ein. Allfällige berufliche bzw. dienstrechtliche Konsequenzen liegen somit ausschließlich bei den Disziplinarbehörden der Polizei.

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