Unberührte Wildnis

Schottland: Whisky, Wild und Wellen

Reisen & Urlaub
28.03.2019 09:00
Die Inselwelt von Islay und Jura vor der Westküste Schottlands lockt jetzt im Frühling zur Erkundungstour. Der Charme der unberührten Wildnis und die kulinarischen Genüsse bilden die perfekte Melange für entspannte Tage.

Im Pub von Portnahaven schaufelt die Wirtin ein paar Kohlestücke in den offenen Kamin. Ein Fischer, das Gesicht vom Wetter gegerbt, wärmt sich nach dem Tag auf hoher See an der Feuerstelle des Tigh Seinnse – und nimmt einen Schluck vom Whisky.

Draußen vor der weinrot lackierten Eingangstür des winzigen Lokals flattern die Segel im Wind. Die Cottage-Häuser des Dorfes reihen sich entlang der hufeisenförmigen Bucht. Im Naturhafen taucht eine Hundsrobbe mit markanten Kulleraugen in der Abenddämmerung neugierig auf und ab und genießt die Aufmerksamkeit. Denn sonst scheint die Zeit für Tier und Mensch hier stillzustehen ...

Willkommen auf Islay
Willkommen im vielleicht unberührtesten Teil Schottlands! Die Insel vor der Westküste (von Einheimischen übrigens als „Ei-Lah“ ausgesprochen), gilt als „Königin der Hebriden“. Majestät ist für ihre Ruhe und den herben Charme bekannt. Sie ist ja auch schon ein bisschen in die Jahre gekommen. Schließlich fand die Besiedlung in der Mittelsteinzeit statt. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Eiland in der Biografie des irischen Mönchs Kolumban, der 597 auf Iona verstarb. Jahrhundertealte Steinkreuze wie das Kildalton Cross, aber auch die Ruinen bei Loch Finlaggan, wo einst der Clan MacDonald herrschte, zeugen bis heute vom keltischen Erbe.

Bei unserer Audienz zeigt sich die „Insel-Queen“ jedenfalls von ihrer bezauberndsten Seite. Steile Klippen, menschenleere Sandstrände, Hügel wie aus dem Highlands-Bilderbuch – ganz Schottland in Miniatur. Und jetzt im Frühling blüht die Gegend im wahrsten Sinne des Wortes so richtig auf. Ginsterbusch und Distel (das schottische Nationalsymbol für Widerspenstigkeit) sorgen für gelbe beziehungsweise violette Farbtupfer in der Landschaft, Wildblumen versprühen ihren Duft.

Gerade einmal 3228 Einwohner zählt die kipferlförmige Insel im Atlantik, doch beim Thema Whisky ist sie eine ganz große Nummer, gleichsam das weltweite Mekka des Single Malt. Acht Brennereien fädeln sich entlang der Küstenlinie auf, und Namen wie Ardbeg, Bowmore, Bruichladdich, Caol Ila, Kilchoman, Lagavulin oder Laphroaig lassen Kenner der Spirituose ins Schwärmen geraten.

Das über Torffeuer geröstete Malz verleiht dem Destillat die speziell rauchige Note, ehe es im Eichenfass und gespeist von der salzigen Meeresluft zum flüssigen Gold heranreift. Bei internationalen Wettbewerben räumen die Tropfen von hier regelmäßig die ersten Preise ab. Ein besonderes Erlebnis ist die Verkostung bei Bunnahabhain. Nach zwölf Jahren Ruhezeit weckt Meister David den Single Malt im Depot Nummer 9 höchstpersönlich aus dem Dornröschenschlaf und zapft seinen ganzen Stolz direkt vom Fass ins Glas ab. „Es ist jedes Mal wieder eine Überraschung, was am Ende des Tages in die Flasche kommt“, schildert der Braveheart-Verschnitt. Er philosophiert über Vanille-, Honig und Zimtaromen und packt dann das nächste Kronjuwel aus seinem Anekdotenschatz aus.

Kulinarische Wünsche jeglicher Art werden nach so viel Hochprozentigem gerne erfüllt. Hungrig wird jedenfalls niemand die Heimreise antreten. Wie wär es zum Beispiel mit fangfrischem Hummer oder gratinierten Jakobsmuscheln? Fleischtigern sei der Steak Pie empfohlen, zubereitet mit einem Schuss vom örtlich gebrauten Schwarzbier. Der Lammbraten im Lochside Hotel im quirligen Hauptort Bowmore ist ohnedies ein Gedicht.

Jura - Eldorado für Jäger und Feinschmecker
Keine Angst beim Verdauungsspaziergang vor den Wellen im Hafen! Sie sehen mächtiger aus, als sie sind. Der Fährmann hat die Erfahrung auf seiner Seite und bringt die Besucher in knapp zehn Minuten mit dem Schiff sicher und trocken von Islay auf das winzige Nachbararchipel Jura. Der Tagesausflug sollte auf dem Programm nicht fehlen. 200 Insulanern stehen hier rund 5000 Hirsche gegenüber – ein Eldorado für Jäger und Feinschmecker, die sich auf Wildgerichte spezialisieren. Im Jura Hotel in Craighouse werden sie perfekt zubereitet. Auch der Autor George Orwell soll hier schon gespeist haben. Für seinen düsteren und bahnbrechenden Roman „1984“ zum Thema Überwachung hatte sich der Engländer ab 1946 in ein Häuschen um die Ecke zurückgezogen. Es kann übrigens heute noch von Schriftstellern gemietet werden.

Zum Abschluss einer abwechslungsreichen Rundreise lassen wir noch einmal die Seele baumeln und verarbeiten die Erinnerungen beim Flanieren über den mit Muscheln übersäten Strand hinter den Dünen von Machir Bay. Die Luft ist klar, der Wind pfeift. Zwei Seevögel kreischen irgendwo in der Ferne um die Wette. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen.

„Haste ye back!“, sagen die gastfreundlichen Schotten gemäß einem gälischen Spruch gerne zum Abschied, frei übersetzt heißt das: „Komm bald wieder.“

Gregor Brandl, Kronen Zeitung

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