Gemischte Reaktionen

Provider kritisieren „verpfuschtes“ Urheberrecht

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26.03.2019 15:50

Mit „enormem Bedauern und Frustration“ haben die österreichischen Internet-Anbieter am Dienstag die Zustimmung des EU-Parlaments zur umstrittenen Urheberrechtsreform zur Kenntnis genommen. Der Verband ISPA sprach von einer „verpfuschten Reform“, mit der sich die Abgeordneten „über die Warnungen und zuletzt auch die heftige Kritik aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft“ hinweggesetzt hätten.

„Das Ziel der Reform war ein modernes und internetfittes Urheberrecht, das den kreativen Austausch fördert und eine faire Entlohnung der Kulturschaffenden sicherstellt. Der heutige Beschluss bringt genau das Gegenteil mit sich und wird sich als Bremsklotz für den digitalen Fortschritt in Europa herausstellen“, konstatierte ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert.

Während nun einer Vielzahl von KMUs und Start-ups drohe, finanziell und wettbewerbstechnisch auf der Strecke zu bleiben, würden am Ende nur jene großen, multinationalen Konzerne davon profitieren, auf die die Reform ursprünglich abgezielt habe, warnte Schubert vor einem nachhaltigen Schaden für das Internet in Europa.

„Unzählige Menschen haben zuletzt im Internet oder bei europaweiten Demonstrationen millionenfach gegen diese Link-Steuer und Upload-Filter protestiert und ihre Sorgen vor Missbrauch, ausufernder Überwachung sowie der Unterdrückung ihrer Meinung zum Ausdruck gebracht. Ihnen bietet sich bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 23. Mai die Gelegenheit, Politikerinnen und Politikern, die das Internet den kommerziellen Interessen der Verleger und ihren überholten Geschäftsmodellen geopfert haben, eine Absage zu erteilen“, schloss Schubert.

Auch Snowden übt scharfe Kritik an Beschluss
Scharfe Kritik kam auch von Whistleblower Edward Snowden. „Vergiss nie, was sie hier gemacht haben“, twitterte der 35-Jährige am Dienstag auf Deutsch. Dabei richtete er sich besonders gegen die Fraktion der deutschen Unionsparteien im Straßburger Parlament: „Da die @CDU_CSU_EP gestimmt hat für nie mehr Internetfreiheit, muss das Internet für nie mehr @CDU_CSU_EP stimmen. #nieMehrCDU.“ Snowden, der 2013 die ausufernde Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA öffentlich gemacht hatte, lebt nach wie vor im russischen Exil.

NGO sieht Meinungsfreiheit bedroht
Die NGO epicenter.works sieht nun „die Meinungsfreiheit der Europäerinnen und Europäer umfassend bedroht, indem Internetplattformen zu Vorabkontrollen aller hochgeladenen Inhalte gezwungen werden“. Bernhard Hayden, Urheberrechtsexperte der Organisation, sprach von einem „schwarzen Tag für das Internet“. Die Kommunikationsmöglichkeiten im Internet würden sich nun radikal verändern, wodurch auch die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. „Ähnlich wie bei den Klimaprotesten von Schülerinnen und Schülern wird auf die Anliegen der jungen Generation vom derzeitigen politischen Betrieb keine Rücksicht genommen“, so Hayden.

Musikverband freut sich über „richtungsweisende Entscheidung“
Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Musikwirtschaftsverbandes IFPI, freute sich in einer Stellungnahme dagegen über eine „richtungsweisende Entscheidung“. Kreative und Kunstschaffende müssten für ihre Leistungen entlohnt werden, „wenn die großen Internetkonzerne ihre Inhalte nutzen. Die Copyright-Richtlinie ist ausgewogen und fair, neben den Kreativen stärkt sie auch die Rechte der User.“ Das Europaparlament habe „wohlüberlegt entschieden und sich auch nicht durch die Kampagne der Gegner des Urheberrechts verunsichern lassen“. Für Medwenitsch war es letztlich „ein guter Tag für die Europäischen Kreativen“.

Ähnlich argumentierte der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Dessen Präsident Markus Mair sprach „von einer wichtigen Weichenstellung, die den Erhalt von unabhängigem Journalismus in der digitalen Welt sichern kann.“ Angesichts der jahrelangen Vorgeschichte habe die Einigung „nahezu historischen Charakter“. Geistiges Eigentum in der digitalen Welt werde durch die Reform geschützt, so VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger in einer Aussendung. Der damit verbundene Vergütungsanspruch sei ein wichtiges Instrument in der Auseinandersetzung mit Suchmaschinenbetreibern und Nachrichten-Aggregatoren. Das Lobbying großer US-Plattform gegen die Novelle „war letztendlich nicht erfolgreich“.

Buchhandel sieht „Meilenstein in der Gesetzgebung“
Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) sieht einen „Meilenstein in der Gesetzgebung für modernes Urheberrecht“ gekommen. HVB-Präsident Benedikt Föger zeigte sich erfreut darüber, dass „eine faire Vergütung für die Nutzung der Werke von Autorinnen und Autoren im Internet nun gesetzlich verankert wird. Auch die Sicherstellung der Vergütungsansprüche der Verlage ist ein wichtiger Schritt.“ Der nächste Schritt sei nun die Vorbereitung der Implementierung der Reform in den Mitgliedsstaaten.

Verhalten fiel die Reaktion des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP) aus. „Die Reform war dazu gedacht, die Rechte der Urheber zu stärken. Das ist glücklicherweise in vielen Bereichen auch passiert, etwa bei den Verlegern oder der Musikindustrie, nicht jedoch bei den Fernsehveranstaltern“, erklärte Geschäftsführerin Corinna Drumm. Es sei aber das Wesen eines Kompromisses, dass nicht alle das bekommen, was sie gerne hätten. „Wir verstehen das übergeordnete Ziel und die berechtigten Interessen anderer Stakeholder. Nun kommt es darauf an, bei der Umsetzung der Richtlinie in österreichisches Recht die Spielräume so auszunutzen, dass auch die Position der TV-Sender gestärkt wird“, so Drumm.

Blümel: „Ein guter Tag für Europa“
Medienminister Blümel dagegen sprach von einem guten Tag für Europa. „Europa muss auf Augenhöhe im Wettbewerb mit den Online-Giganten kommen. Dazu ist die Herstellung gleicher Rahmenbedingungen Grundvoraussetzung“, betonte Blümel. „Was in der analogen Welt gilt, muss auch in der digitalen gelten“, so der Minister, der zugleich ankündigte, dass an der nationalen Umsetzung der Richtlinie „unmittelbar gearbeitet“ werden müsse.

Auch die EU-Kommission begrüßte den Beschluss. Das Votum garantiere die „richtige Balance“ zwischen den Interessen aller Akteure - Nutzer, Kreative, Autoren und Presse, während Online-Plattformen verhältnismäßige Verpflichtungen erfüllen müssten, erklärte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis.

Argumente der Kritiker, „dass die Freiheit des Internets durch die neue EU-Richtlinie in Gefahr sei, sind falsch“, betonte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. „Für die Userinnen und User ändert sich bei der Nutzung des Internets nichts - außer, dass sie nicht mehr für etwaige Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden.“ EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani zeigte sich ebenfalls zufrieden. Die EU - der größte digitale Markt weltweit - bekomme nun ein modernes und faires Copyright, sagte der italienische Konservative.

„Trauriger Tag für das Internet“
Als „traurigen Tag für das Internet“ bezeichnete hingegen SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner das Votum. „Dieser Vorschlag passt das Urheberrecht nicht an die Realität im heutigen Internet an. Stattdessen kommen Uploadfilter, die alle treffen. Das führt zur Zensur und schränkt die Meinungsfreiheit ein“, kritisieren Regner und der SPÖ-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer.

Kritik kam auch von Grünen und NEOS. „Eine Mehrheit aus Konservativen, SozialdemokratInnen und Liberalen hat gegen das freie Internet gestimmt und ignoriert die Sorgen und Proteste der rund 200.000 Menschen, die am Samstag für das freie Internet demonstriert haben und Millionen weiterer, die sich im Netz für ein freies Internet artikulieren und dafür kämpfen“, teilte der Grüne EU-Spitzenkandidat Werner Kogler mit.

NEOS-Abgeordnete Angelika Mlinar sprach von „sehr schlechten Nachrichten für das freie Internet“. Die Europäische Volkspartei habe „ohne Rücksicht auf Verluste eine zerstörerische und innovationsfeindliche Regelung auf den Weg gebracht, die Zensur Tür und Tor öffnet“.

Reform nimmt Google, YouTube & Co. stärker in die Pflicht
Die EU-Staaten haben die Reform bereits im Februar abgesegnet. Sie sieht ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Artikel 11 und die Einführung sogenannter Upload-Filter im (ursprünglichen) Artikel 13 der Richtlinie vor, der in der nun angenommenen Version des Gesetzestextes Artikel 17 ist.

Zum einen sollen Zeitungsverlage und Autoren mehr für ihre Inhalte bekommen. Suchmaschinen wie Google dürfen nicht mehr ohne weiteres kleine Artikel-Ausschnitte in ihren Suchergebnissen oder bei Google News anzeigen. Zum anderen werden Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht genommen. Geschützte Werke müssen lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen - oder dürfen nicht hochgeladen werden. Ausgenommen sind Start-ups. Kleine News-Schnipsel, GIFS und Memes dürfen weiterhin im Internet geteilt werden.

Österreich zählte zu Unterstützern
Österreich hatte das Paket gemeinsam mit einer Mehrheit der EU-Staaten unterstützt. Gegen die Copyright-Reform stimmten die Niederlande, Polen, Luxemburg, Finnland und Italien. Slowenien, Malta und Belgien enthielten sich der Stimme.

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