Martin Grubinger

Grüß Gott, liebe Leser der „Krone“!

Salzburg
24.03.2019 08:00

Mit Kritik umzugehen kann manchmal verdammt schmerzhaft und schwierig sein. Ich spreche da aus Erfahrung. Es gibt Musikerkollegen, die betonen immer wieder, dass sie Zeitungsartikel zu eigenen Konzerten nicht lesen würden. Ich behaupte kühn, dass dies nicht wirklich der Wahrheit entspricht. Ich lese alle Kritiken zu meinen Konzerten und denke, viele Kollegen auch.

Das kann manchmal unglaublich motivierend und eine echte Belohnung für harte Arbeit sein. Manchmal aber muss man auch vernichtende Urteile über eigene Konzerte lesen. Im besten Fall nimmt man positive Eindrücke mit und versucht daran zu arbeiten. Im ersten Moment des Zorns aber würde man gerne zum Telefon greifen und dem Redakteur ordentlich die Meinung geigen. Da geht es Musikern nicht anders als Politikern oder medial schlecht bewerteten Sportlern.

Doch denken wir einen Moment darüber nach, wie wichtig freie und unabhängige Medien sind. Journalisten, die ohne Angst vor Repressalien über heikle Themen berichten können – etwa über Korruption, sexuelle Übergriffe, Steuergeldverschwendung und Machtmissbrauch.

Lügenpresse! Fake News! Das sind für mich gefährliche und vergiftende Begriffe, die unser aller Vertrauen in die Unabhängigkeit von Medien zerstören und letztlich unsere Freiheit bedrohen. Jene, die diese Begriffe fast täglich vermitteln, wollen unsere Lebensweise angreifen. Und sie haben damit bereits in Teilen der Bevölkerung Erfolg. Das müssen wir stoppen. Die Mehrzahl der Journalisten will einfach nur gute Arbeit leisten. Aber auch Journalisten machen Fehler – wie wir alle.

Auf Initiative der FPÖ soll nun die Finanzierung des ORF neu aufgestellt werden. Es ließ sich bisher kein halbwegs seriöser Experte dazu hinreißen, das angedachte Konzept für richtig und zielführend zu erklären. Doch geht es dabei nur vordergründig ums Geld. Die eigentliche Zielsetzung ist doch, den ORF und seine Journalisten gefügig zu machen – einzuschüchtern – gegen die Kritik am Verhalten, an den Machenschaften der eigenen politischen Vertreter. Eine Demokratie aber braucht keine gefügigen Journalisten. Sondern selbstbewusste Redakteure zu unser aller Nutzen – um eben Skandale, Machtüberschreitungen, Korruption etc. aufzuzeigen. Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund ein österreichisches Traditionsmedium wie den ORF zu zerstören? Nur weil einem in einigen Fällen die Berichterstattung nicht passt? Und der Hinweis, bei früheren Regierungen seien auch Posten parteipolitisch besetzt worden, ist – mit Verlaub – kindisch. Hey, wir haben das Jahr 2019! Wir könnten einfach einmal etwas viel besser machen. Ohne gegenseitige Schuldzuweisungen! Uns allen kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Wir müssen einen freien ORF einfordern und verteidigen. Egal wer an der Macht ist.

Ein ehemaliger Politiker hat mir einmal erzählt, dass er irgendwann in seiner Laufbahn morgens die „Krone“ nur noch mit einem mulmigen Gefühl gelesen hat. Zu groß sei seine Sorge gewesen, Teil einer Kampagne zu sein. Ich kann das verstehen. Ich habe Mitgefühl mit jenen, die andere politische Meinungen vertreten und dann oft in Wort und Bild nachteilig dargestellt werden.

Gleichzeitig kann es auch nicht sein, dass etwaige positive Berichterstattung von finanziellen Zuwendungen öffentlicher Mittel abhängt. Dies schwächt das Vertrauen in das Medium und schadet der Glaubwürdigkeit. Und an die Politik: Zustimmung kann man sich nicht erkaufen. Die muss man sich erarbeiten.

In der Türkei, Saudi Arabien, Nordkorea, Venezuela, abgeschwächt aber auch in Ungarn, Polen oder der Slowakei, würde ich nach diesen Zeilen vermutlich meinen Job verlieren, in manchen Ländern würde ich im Gefängnis landen. Ganz sicher aber würde diese Kolumne zum letzten Mal erscheinen.

Dass ich das hier in der „Krone“ so schreiben kann – ohne dass mich die Verantwortlichen daran hindern – ist die so wertvolle Meinungsfreiheit, für die wir kämpfen müssen. Lassen wir nicht zu, dass uns unsere, vor vielen Jahren hart erkämpfte freie Meinung – letztlich unsere Freiheit – genommen wird.

Ihr Martin Grubinger

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Salzburg



Kostenlose Spiele