Asylheim-Prozess

Gutachten über Fenstersprünge bei Afrikanern gefordert

Österreich
05.03.2010 15:36
Eine bizarre Entwicklung hat der Prozess um den Brand in einem Klagenfurter Flüchtlingsheim im Juni 2008, bei dem ein Afrikaner in Panik aus dem Fenster sprang und starb, genommen. Der Verteidiger des wegen fahrlässiger Gemeingefährdung angeklagten Heimbetreibers fordert vom Gericht ein ethnologisches Gutachten. Er glaubt, dass "Afrikaner vorschnell aus Fenstern springen" und generell "aufgrund des Kulturkreises" Einrichtungen wie Fluchtwege und Feuerlöscher ignorieren.

Der Fall sorgt in mehrerer Hinsicht für Aufsehen: Der Kärntner Polizei wird vorgeworfen, einen Brandanschlag vertuscht zu haben. Ein Gutachten ortete im November 2008 einen "dringenden Verdacht auf Brandstiftung", nachdem es zuvor geheißen hatte, der Brand sei durch eine Zigarette ausgelöst worden. 

Im Dezember des Vorjahres schaltete sich dann auch das Innenministerium ein, um "die kriminalpolizeiliche Arbeit im Zusammenhang mit dem Brand zu evaluieren". Das Ergebnis attestierte der Polizei "schlampige Arbeit".

Prozess wegen brandschutztechnischer Mängel
In dem aktuellen Prozess geht es um die brandschutztechnischen Vorwürfe. Es habe keine gesicherten Fluchtwege, keine Brandmelder und dazu vergitterte Fenster sowie versperrte Türen im Erdgeschoß gegeben, heißt es. Bei dem nächtlichen Großbrand gab es neben dem Toten insgesamt 19 Verletzte, von denen einige ebenfalls aus dem Fenster gesprungen waren.

Ende Jänner kam die Anklage wegen fahrlässiger Gemeingefährdung gegen den Heimbetreiber - ein Klagenfurter Bauunternehmer - sowie gegen den Flüchtlingsbeauftragten des Landes Kärnten, Gernot Steiner, dem vorgeworfen wird, das Heim nicht ausreichend überprüft zu haben. Beim Prozessauftakt am Mittwoch (siehe Infobox) bekannten sich beide Angeklagte nicht schuldig. Das Verfahren wurde wegen Dutzender Beweisanträge vertagt.

Gutachten über "Fluchtverhalten von Mittelafrikanern"
Zu den Anträgen gehört auch das Sachverständigen-Begehren des Heimbetreiber-Anwalts: Wörtlich fordert Verteidiger Ernst Maiditsch das "Einholen eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychologie und Ethnologie verbunden mit Verhaltensforschung zur Erstellung eines Gutachtens über das Fluchtverhalten von Mittelafrikanern im Vergleich zu Mitteleuropäern im Brandfalle".

Für Staatsanwalt Christof Pollak hat dies "keine Relevanz". Er argumentierte vor Gericht mit dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001. Dort seien ebenfalls Menschen aus Fenstern gesprungen und das Verhalten von Nordamerikanern habe sich nicht von dem von Mittelafrikanern unterschieden, weshalb auch keine Differenz zu Mitteleuropäern gegeben sei.

Maiditsch sieht das allerdings anders: "Selbstverständlich" sei das Fluchtverhalten unterschiedlich, denn "die haben das ja selber gesagt, 'Wir kennen keine Feuerwehr bei uns und haben keine andere Möglichkeit, als zu springen'". Man müsse den Fall "rein sachlich" betrachten. Es solle festgestellt werden, "ob - unabhängig von den gegebenen Voraussetzungen - die Asylanten in der Lage sind, auf Einrichtungen (Fluchtwege, Brandschutz, Anm.) zu reagieren oder ob sie aufgrund des Kulturkreises, aus dem sie kommen, nicht in der Lage dazu sind und einfach springen", erklärte er am Freitag.

Verteidiger will nur den "armen Hunden helfen"
Pollaks 9/11-Vergleich findet der Verteidiger "abscheulich", dort seien Hunderte Menschen ermordet worden und das "wird kommentarlos hingenommen". Man übersehe dabei aber, dass die "armen Hund, die zu uns geschickt werden", auch untergebracht werden müssten. "Sollen S' zusperren die ganzen Heime, dann werden S' schauen." Das Thema werde nicht rational aufgearbeitet und jeder Asylheimbetreiber sei gleich "ein Verbrecher", zeigte sich Maiditsch entrüstet über die Aufregung, die sein Beweisantrag ausgelöst hat. Schließlich gehe es nicht darum, dass der Prozess gewonnen werde, sondern "dass den armen Hunden geholfen wird".

Der Prozess wird wohl erst in einiger Zeit fortgesetzt werden. Laut Richterin Michaela Sanin gibt es noch rechtliche Vorfragen zu klären, außerdem müssen noch mehrere Zeugen einvernommen werden.

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