Folgt nun „No Deal“?

Brexit-Votum: Parlament sagt erneut „No, thanks“

Ausland
12.03.2019 21:20

Und schon wieder ist Premierministerin Theresa May mit ihrem Abkommen zum Brexit am britischen Unterhaus gescheitert: Am Dienstagabend stimmte das Parlament gegen den ausgehandelten Austrittsvertrag, 242 Abgeordnete stimmten für das von May vorgelegte nachgebesserte Abkommen, es gab aber 391 Gegenstimmen. Nun könnte ein „No Deal“-Ausstieg der Briten folgen - und dieser hätte auch den in London so ungeliebten „Backstop“ für Irland zufolge. Das Votum erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Austritts „deutlich“, erklärte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk am Dienstagabend. May will jedenfalls am Mittwoch über ein „No-Deal-Szenario“ abstimmen lassen.

Großbritanniens konservative Regierungschefin hatte sich für Dienstagabend einen Schlachtplan zurecht gelegt, der vermutlich selbst Winston Churchill stolz gemacht hätte: Drei Zusatzerklärungen hätten das umstrittene Abkommen doch noch durchbringen und den Abgeordneten des Unterhauses ein „Yes“ abringen sollen. Zuallererst war ein Brief von EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk vom Jänner in eine rechtliche Form gegossen worden. In diesem vierseitigen Dokument wird erklärt, dass weder die EU noch Großbritannien wünschen, dass der sogenannte Backstop in Kraft tritt.

Backstop: Für EU gut, für Briten weniger
Dieser besagt: Wenn die EU und Großbritannien es in der Übergangsphase nicht schaffen, ein gemeinsames Handelsabkommen auf die Beine zu stellen, dann bleibt ganz Großbritannien in der Zollunion der EU und Nordirland zusätzlich noch im europäischen Binnenmarkt. So sollen freier Warenverkehr garantiert und Grenzkontrollen verhindert werden. Der „Backstop“ ist unbefristet. Er gilt solange, wie es kein gemeinsames Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien gibt. Und: Er kann nicht von einer Seite aufgekündigt werden. Für die EU gut, für die Brexit-willigen Briten weniger. Man will daher ein Abkommen mit „alternativen Regelungen“ ausarbeiten.

Gemeinsame Stellungnahme von EU und Großbritannien
Die zweite Maßnahme war eine gemeinsame Stellungnahme Großbritanniens und der EU, in der erklärt wird, dass man nach der Übergangsphase weiterhin eine enge Partnerschaft anstrebt und ein umfangreiches „Freihandelsgebiet“ für Waren ohne Zölle schaffen will. In der Stellungnahme betonten beide Seiten nun nochmals, dass sie hier „schnell“ arbeiten wollen und „den gemeinsamen Ehrgeiz“ haben, die Vereinbarung zu den künftigen Beziehungen bis zum Ende der Übergangsphase zu schließen, in der Großbritannien noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt

Einseitige Erklärung Großbritanniens
Zusätzlich hatte Großbritannien mit einer einseitigen Erklärung die zeitliche Begrenzung der Auffanglösung untermauert, wenn dies nach der Übergangsphase nötig sein sollte. Sie soll klarstellen, dass Großbritannien nicht daran gehindert wäre, aus der Auffanglösung auszusteigen, wenn Verhandlungen mit der EU zu nichts führen. Aus Sicht der EU hat das Dokument lediglich „innenpolitischen Wert“ und keinen rechtlichen, wie ein Diplomat sagt. Denn so weit habe die EU in ihren Zusagen nicht gehen können, ohne den Austrittsvertrag zu ändern.

Abstimmung im Unterhaus gescheitert
Doch all das half nichts. Am Dienstagabend lehnten die Abgeordneten im Unterhaus ein zweites Mal das ausgehandelte Vertragspaket zum EU-Austritt ab. Schon bei der ersten Abstimmung im Jänner war May deutlich gescheitert. Diesmal hatte die Premierministerin eindringlich gewarnt: „Wenn dieser Deal nicht angenommen wird, kann es sein, dass der Brexit verloren geht. Ich bin sicher, dass wir die bestmöglichen Änderungen erreicht haben“, so May.

„Ihr Vertrag ist eindeutig tot“
Allerdings hatte die erste Fraktion, nämlich die Democratic Unionist Party (DUP), bereits am Dienstagnachmittag kundgetan, gegen das ausgehandelte EU-Austrittsabkommen stimmen zu wollen. Die Minderheitsregierung von Theresa May ist auf die Stimmen der DUP angewiesen. Auch Labour-Chef Jeremy Corbyn war unbeeindruckt geblieben. Nach dem Votum erklärte der Oppositionsführer May Brexit-Vertrag für „tot“: „Ihr Vertrag, ihr Vorschlag, jener der Premierministerin, ist eindeutig tot“, sagte Corbyn am Dienstagabend.

May will nun über „No Deal“ abstimmen lassen
May will nach der erneuten Niederlage wie versprochen am Mittwoch über einen Brexit ohne Vertrag (No-Deal-Brexit) abstimmen lassen. Die Abgeordneten des Regierungslagers sollen dabei keinem Fraktionszwang unterliegen: „Wenn das Unterhaus dafür stimmt, ohne ein Abkommen am 29. März auszutreten, wird es die Linie der Regierung sein, diese Entscheidung umzusetzen“, so May am Dienstagabend. Sie selbst glaube aber, der beste Weg aus der EU auszutreten, sei auf geordnete Weise.

Kurz: „Hard Brexit schadet der EU und Großbritannien“
Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich am Dienstagabend über das „Nein“ bei der Abstimmung im britischen Parlament enttäuscht. „Dieses erneute negative Parlamentsvotum bringt uns schon gefährlich nahe an das Brexit-Datum, ohne ein ordentlich vorbereitetes Austrittsszenario fertig zu haben“, hieß es in einer Stellungnahme. Der weitere Bewegungsspielraum in Brüssel und die Möglichkeit an Zugeständnissen seien nun „sehr eingeschränkt“, wurde Kurz zitiert. "Niemand sollte sich ein No-Deal-Szenario wünschen. Ein Hard Brexit schadet der Europäischen Union, aber noch viel mehr Großbritannien.

Österreich habe jedenfalls „alle Vorkehrungen getroffen, um auf einen Hard Brexit vorbereitet zu sein“, ließ der Kanzler wissen. „Zugleich sollten wir offen dafür sein, den Brexit für ein paar Wochen zu verschieben, um einen Hard Brexit zu vermeiden. Eine Teilnahme von Großbritannien an den EU-Parlamentswahlen wäre allerdings absurd.“

„Das Brexit-Problem kann nur in London gelöst werden“
Die EU habe alles Erdenkliche für eine Einigung getan. „Wenn es eine Lösung für die derzeitige Blockade gibt, dann kann sie nur in London gefunden werden“, hieß es weiter. Das Votum erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines ungeregelten Austritts „deutlich“. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier schrieb auf Twitter, das Brexit-Problem könne nur in Großbritannien gelöst werden.

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