Regierungs-Deal

Mindestsicherung und Transferkonto kommen

Österreich
02.03.2010 10:27
SPÖ und ÖVP haben bei der Regierungsklausur in Graz mit einem Kompromiss-Deal zwei ihrer absoluten Lieblingsvorhaben auf Schiene gebracht. Im September wird die von den Sozialdemokraten vorangepeitschte Mindestsicherung eingeführt. Das umstrittene Transferkonto der ÖVP zur Überwachung von Sozialleistungen kommt als "Transparenzdatenbank", in der nun alle von Bund, Ländern und EU gezahlten Leistungen aufgelistet werden sollen. Von der Opposition hagelt es Kritik.

Die Mindestsicherung (774 Euro monatlich, zwölf Mal im Jahr) galt schon seit längerem als beschlossen und wird im September 2010 kommen. Für den "Regierungsdeal" wurde nur mehr eine letzte - ursprünglich vom Finanzministerium geortete - Finanzierungslücke von rund 27 Millionen Euro geschlossen.

Eine Freude mit dem Kompromiss hat daher vor allem Finanzminister Josef Pröll, der sein Transferkonto, zu dem es bereits ein eindeutiges SPÖ-Nein sowie eine ablehnende Parlamentsenquete gab, nun doch durchgebracht hat. Die Datenbank bezeichnete er am Dienstag als Weiterentwicklung des von ihm ventilierten Überwachungskontos. Bundeskanzler Werner Faymann versicherte, die SPÖ werde darauf schauen, dass es kein "Neidkonto" geben werde.

Datenbank für alle Leistungen und Förderungen
Die Idee des Transferkontos war erstmals vergangenen Oktober hochgekommen, als Pröll in einer Grundsatzrede dessen Einführung propagierte. Die SPÖ reagierte mehr als skeptisch. Quer durch die Partei wurde der Verdacht geäußert, dass unter dem Titel des Transferkontos ein Abbau von Sozialleistungen geplant sei. Nunmehr hat man sich dann doch mit dem Gedanken angefreundet, wenngleich in abgeänderter Form. Immerhin konnte die SPÖ für sich verbuchen, dass der Name Transferkonto von der offiziellen Agenda verschwunden ist. Selbst Pröll sprach bei der Abschlusspressekonferenz von einer "Transparenzdatenbank".

Zusätzlich wurde vereinbart, dass es bei der Auflistung nicht nur um Transferleistungen geht, sondern um "Leistungen ohne unmittelbare Gegenleistung". Darunter versteht die SPÖ etwa auch Förderungen für Wirtschaftstreibende und Landwirte sowie "nicht-monetäre" Leistungen. Das sollen etwa Zuschüsse an Theater sein, durch die Eintrittskarten billiger abgesetzt werden können.

Zu beachten ist laut Ministerratsvortrag auch, wie hoch die mit der Datenbank verbundenen Verwaltungskosten wären. Entsprechend ist auch noch nicht eindeutig klar, ob es für jeden ein Konto geben soll oder nur für Gruppen. Die Arbeit, was nun sinnvoll sein könnte, wird sich eine Gruppe mit Vertretern von Bundeskanzleramt, Finanz-, Sozial-, Infrastruktur, Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium machen. Fertig gedacht sein soll bis Anfang September, bis Jahresende sollen "gesetzliche Grundlagen" erarbeitet werden.

Das Transferkonto ist tot, es lebe das Transferkonto…
Ziel für Finanzminister Pröll ist es, mit der Datenbank, die für ihn einen "Meilenstein" darstellt, Doppelgleisigkeiten und Missbrauch zu vermeiden. Faymann versicherte, dass es auch der SPÖ um Transparenz gehe und sie ein Interesse daran habe, dass die richtigen Leistungen an die Richtigen kämen.

Von einem Transferkonto will man in der SPÖ übrigens nichts wissen: "Das Transferkonto ist tot, praktisch", befand Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Rande der Klausur, während VP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger in einer Aussendung die "Einigung der Bundesregierung auf das von Pröll vorgeschlagene Transferkonto" bejubelte. 

Opposition von Deal wenig begeistert
Der Kompromiss wird von der Opposition ungnädig aufgenommen. Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe heiße "prinzipiell noch einmal gar nichts", sah FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl am Dienstag in einer Aussendung keine konkreten Umsetzungsaussichten. In Sachen Mindestsicherung fordert Kickl die Beschränkung auf Inländer, da ansonsten eine "Massenzuwanderung" drohe. Außerdem vermisste er einen "Leistungsanreiz" sowie soziale Sicherheit für Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Der grüne Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner sieht mit dem Transferkonto lediglich ein "Mehr an Bürokratie" aufs System zukommen: "Das Transferkonto ist politische Buchhaltung und nicht Sozialpolitik", sagte er bei einer Pressekonferenz. Dabei brauche es schlicht mehr Service für die Hilfesuchenden, die derzeit "von Amt zu Amt geschickt" würden. Wallner wünscht sich eine einzige Anlaufstelle, "dann hat man automatisch Transparenz". Generell kritisierte Wallner, dass die ÖVP in der Regierung "sich das gleiche Zugeständnis alle drei Monate abkaufen lässt". Der Volkspartei mangle es an sozialem Anstand, der SPÖ an Mut, so seine Diagnose.

BZÖ-Obmann Josef Bucher glaubt nicht, dass bei der Transparenz-Arbeitsgruppe etwas herauskommen wird. Sinnvoller fände er es ohnehin, wenn sich der Rechnungshof im Auftrag der Regierung an die Berechnung der "gesamten Sozialtransfers" mache. Die Mindestsicherung geißelte Bucher in einer Aussendung als "soziale Hängematte, von der insbesondere Ausländer profitieren".

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