Teil 2 der Talk-Serie

„Die Burka ist die Unsichtbarmachung der Frau“

Österreich
04.03.2019 21:44

Jedes Jahr am 8. März wird der Weltfrauentag gefeiert. Doch: Braucht es so einen Tag in Österreich überhaupt noch? Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen im Jahr 2019? Und wie ist es, als Frau in männerdominierten Bereichen zu arbeiten und zu wirken? Darüber hat krone.at in einer Serie zum Weltfrauentag mit spannenden Frauen aus Politik und Wirtschaft gesprochen. Zu Gast im krone.tv-Studio war Maria Rauch-Kallat, ehemalige Bundesministerin, ehemalige Abgeordnete zum Nationalrat und nunmehrige Unternehmensberaterin - das vollständige Interview ist im Video zu sehen.

Maria Rauch-Kallat bezeichnet sich als Feministin und hat das Frauenvolksbegehren 2.0 unterstützt. In der falschen Partei sieht sie sich dennoch nicht. Denn: „Ich komme von links der Mitte, aus dem sehr liberalen Flügel der Wiener ÖVP, der grün war, bevor es die Grünen noch im Parlament gab“, sagt sie. Die ÖVP sei eine Partei der Individualisten.

Maria Rauch-Kallat ging in den 1980er-Jahren in die Politik. Ihre Tochter war im Alter von vier Jahren erblindet, ihr zuliebe wollte sie sich engagieren, für sie ein möglichst normales Leben gestalten. Damals waren die Zeiten noch völlig andere. In den 70er-Jahren erst kamen mit der Familienrechtsreform und der ersten Staatssekretärin in Österreich die ersten frauenrechtlichen Erfolge.

„Gott sei Dank ist vieles passiert“
Die beiden darauffolgenden Jahrzehnte bezeichnet Rauch-Kallat als Aufbruchsjahre für Frauen. „Seither hat sich Gott sei Dank viel verändert, aber noch lange nicht genug. Es gibt immer noch schreiende Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen“, sagt sie. Insbesondere der gleiche Lohn für gleiche Arbeit ist immer noch nicht erreicht, die Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit ist nach wie vor ungerecht, und in Führungspositionen sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Tatsächlich zeigt etwa ein Bericht der AK: Rund 80 Prozent der unbezahlten Pflegearbeit in Österreich wird von Frauen verrichtet.

Laut Rauch-Kallat haben diese Ungerechtigkeiten mit einem bestimmten Rollenverständnis zu tun: „Es ist immer noch schwierig, die Männer, und vielfach auch die Frauen, davon zu überzeugen, dass Fairness und Gerechtigkeit anders aussehen, dass sich die Zeiten geändert haben, dass eine Ehe kein Versorgungsinstitut ist.“ Diese Rollenbilder müsse man ansprechen und bewusst machen.

„Mädchen können sich das nicht mehr vorstellen“
Besonders wichtig sei es auch, sich vor Augen zu halten, wie jung der Kampf um Frauenrechte eigentlich ist, und wie schwierig es für Frauen war, grundlegende Menschenrechte wie etwa das Wahlrecht einzufordern. „Das ist erschütternd, das ist meine Zeit. Junge Mädchen können sich das heute überhaupt nicht mehr vorstellen“, meint Rauch-Kallat.

„Für die nächste Generation wird das ganz normal sein“
Maria Rauch-Kallat war maßgeblich für die Änderung des Liedtextes der Bundeshymne mitverantwortlich. Ob das überhaupt wichtig sei? Ja, so Rauch-Kallat, denn: „Sprache schafft Bewusstsein.“ Gleich am Beginn des parlamentarischen Antrags wäre gestanden, dass es weitaus wichtigere frauenpolitische Themen gebe. Und doch war es Rauch-Kallat ein Anliegen, dessen Relevanz sie jetzt bestätigt sieht.

„Ein ehemaliger Kollege hat mir kürzlich erzählt, seine Enkelin hätte eine alte Version der Hymne gesehen und gefragt, wieso da nicht die Töchter stehen. Und ich meinte: ,Siehst du, ich habe immer gesagt, für die nächste Generation wird das ganz normal sein.‘ Wenn manche Menschen sich nicht mehr daran gewöhnen wollen, wird die Welt auch nicht untergehen.“

„Die Burka ist die völlige Unsichtbarmachung der Frau“
Das Thema Migration und Frauenrechte sieht Maria Rauch-Kallat differenziert, aber kritisch. Sie sei immer für ein Burkaverbot eingetreten, sagt sie, auch, wenn viele Feministinnen diese Einstellung nicht teilen. Die Burka sei nicht nur eine völlige Unsichtbarmachung der Frau, sondern auch ein Sicherheitsrisiko.

Ob sie das Konzept einer „importierten Gewalt gegen Frauen“, wie es oftmals von der Bundesregierung zur Sprache kommt, teile? „Gewalt in der Familie gab und gibt es schon immer, auch in Österreich. Wir holen uns aber eine Kultur ins Land, die Frauen weitaus geringschätziger behandelt, als das bei uns der Fall ist. Es ist schon bei uns schlimm genug, aber da noch sehr viel stärker“, meint Rauch-Kallat. Es gebe durchaus Kulturen, in denen Gewalt - sowohl gegen Männer als auch gegen Frauen - viel stärker spürbar sei, wo die Hemmschwelle gegenüber Gewalt geringer sei.

Die Einschätzung von „importierter Gewalt“ teilt Rauch-Kallat also bedingt, und nennt in diesem Zusammenhang auch Ausprägungen psychischer Gewalt, wie etwa Zwangsehen, den Zwang zum Kopftuch oder das Verbot des Umgangs mit dem anderen Geschlecht: „Da müssen wir darauf achten, dass das in der Frauenpolitik keinen Rückschritt bringt. Das wäre wirklich schlimm, wenn wir wieder von vorne beginnen.“

„Wenn man in die Politik geht, muss man für etwas brennen“
Sich für etwas begeistern und nicht aufgeben - das sind Rauch-Kallats Ratschläge an junge, an Politik interessierte Frauen. Sie selbst nennt als inspirierende Vorbilder die französische Politikerin Simone Veil, die österreichische Sozialpolitikerin Hildegard Burjan sowie Marilies Flemming, Rauch-Kallats Vorvorgängerin als Umweltministerin sowie nach eigener Aussage ihre politische Ziehmutter. 

Sonntags um 10 Uhr vormittags ist Maria Rauch-Kallat entweder gerade in der Kirche oder bereits von dort am Heimweg. 

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