Urteil steht aus

Kindesmissbrauch: Ex-Vatikan-Finanzchef verhaftet

Ausland
27.02.2019 07:00

Jetzt klickten für den wegen Kindesmissbrauchs schuldig gesprochenen Papst-Vertrauten und australischen Kardinal George Pell die Handschellen: Ein Gericht in Melbourne ordnete am Mittwoch eine Überstellung des 77-Jährigen in eine Untersuchungshaftanstalt an. Zuvor hatten seine Anwälte einen Antrag zurückgezogen, dass der Geistliche gegen Kaution auf freiem Fuß bleiben darf. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft drohen dem früheren Vatikan-Finanzchef bis zu 50 Jahre Haft. Das Strafmaß soll am 13. März verkündet werden.

Pell war im Dezember schuldig gesprochen worden, sich Mitte der 1990er-Jahre in der Kathedrale von Melbourne an zwei Chorknaben vergangen zu haben. Der frühere Bischof der Metropole soll sich in der Sakristei der Kathedrale vor zwei Buben entblößt, einen von ihnen zum Oralsex gezwungen und die Buben unsittlich berührt haben.

Pell ist der bisher ranghöchste Vertreter der katholischen Kirche, der wegen Kindesmissbrauchs schuldig gesprochen wurde. Der Schuldspruch wurde wegen eines anderen laufenden Verfahrens monatelang unter Verschluss gehalten und erst am Dienstag bekannt. Der Kardinal hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Seine Anwälte haben Berufung gegen seine Verurteilung eingelegt.

„Herzlose, schamlose Straftat“
Bei einem Gerichtstermin am Mittwoch warf Staatsanwalt Mark Gibson dem Kardinal vor, keine „Reue“ gezeigt zu haben. „Er hat nicht die Verantwortung für seine Taten übernommen.“ 
Richter Peter Kidd warf Pell eine „herzlose, schamlose Straftat“ vor. Der Kardinal habe Vertrauen missbraucht und zwei „verwundbare“ Buben ausgenutzt, die der Kirche anvertraut worden waren. Nach Ende der Anhörung wurde Pell aus dem Gerichtssaal geführt.

Der Schuldspruch gegen Pell ist ein neuer harter Schlag für die von zahlreichen Missbrauchsskandalen erschütterte katholische Kirche. Der Kardinal war lange Zeit einer der einflussreichsten katholischen Geistlichen. 2003 war er in das Kardinalskollegium berufen worden, das unter anderem den Papst wählt. 2014 machte Papst Franziskus ihn zum Finanzchef des Vatikan und damit zur informellen Nummer drei des Kirchenstaates.

Vatikan leitet Verfahren ein
Vatikan-Sprecher Alessandro Gisotti erklärte am Mittwoch, Pell sei nicht länger Finanzchef. Die Amtszeit des „Präfekten des Wirtschaftssekretariats des Vatikan“ beträgt üblicherweise fünf Jahre - Pells Mandat wäre heuer ausgelaufen. Der Kardinal war wegen der Missbrauchsvorwürfe bereits seit geraumer Zeit von dem Posten beurlaubt. Nun leite der Vatikan auch ein Kirchenverfahren gegen Pell ein, sagte Gisotti. Damit werde sich die Glaubenskongregation befassen.

Kardinal nur ein „Sündenbock“?
Unterdessen stößt die Verurteilung Pells in australischen Medien auch auf Kritik. Vor allem Kommentatoren des konservativen Medienkonzerns News Corp kritisierten das Urteil wegen einer aus ihrer Sicht zu schwachen Beweislage. So erklärten etwa Miranda Devine vom „Daily Telegraph“ und der Kolumnist der „Herald Sun“, Andrew Bolt, den Kardinal für „unschuldig“ und zum „Sündenbock für die Sünden der Kirche“.

Aber auch liberale australische Medien kommentierten die Verurteilung des ehemaligen vatikanischen Finanzministers kritisch. Pell sei auf Basis „nicht belegter Aussagen eines einzigen Zeugen, ohne forensische Beweise, ohne bestimmte Verhaltensmuster oder ein Geständnis“ schuldig gesprochen worden, hieß es in der in Melbourne erscheinenden Zeitung „The Age“.

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