Live in Wien

Perturbator: Halb Mensch, halb Synthesizer

Musik
25.02.2019 07:00

Am 6. März gastiert der französische Synthwave-Genreleader Perturbator für ein Konzert in der Wiener Szene. Der dahintersteckende Franzose James Kent steht mit seinem Projekt an der Speerspitze einer Szene, die sich nach wie vor steigender Beliebtheit freut. Im Interview ergründeten wir mit Kent die Hintergründe seines Projekts und fragten nach, wie man eigentlich von der Black-Metal-Gitarre zum Synthesizer kommt.

(Bild: kmm)

Treibende Beats, paralysierende Lichteffekte, stampfende Rhythmen - wenn James „Perturbator“ Kent die Bühne entert, verwandelt sich jede Location in ein Tollhaus der Dekadenz. Der Franzose steht derzeit an der Speerspitze der rundum grassierenden Synthwave-Bewegung, die sich über die letzten Jahre aus allen Nischen schälte und immer breitenwirksamer wird. Mittlerweile ist Perturbator auf renommierten Festivals wie dem Rock am Ring, dem Hellfest oder dem Sziget in Budapest zu sehen gewesen - letzten Sommer verzauberte er die Tanzwütigen um Mitternacht beim Frequency Festival in St. Pölten. Er und stilähnliche Künstler wie Carpenter Brut oder GosT finden sich auf den Billings der unterschiedlichsten Veranstaltungen wieder, das Aufbrechen musikalischer Grenzen dient als oberste Maxime für die Kreativen.

Kein Stimmungs-DJ
„In jedes Festival-Billing zu passen ist Fluch und Segen zugleich“, erklärt uns Kent im Interview, „beim Frequency etwa wollten sie mich auf eine Bühne geben, wo in der Mitte ein UFO schwebt. Einerseits sieht das schwachsinnig aus, andererseits hätte es keinen Platz für meinen Drummer gegeben. Zum Glück konnten wir dann noch die Bühne tauschen.“ Der Drummer ist ein wichtiger Bestandteil jeder Perturbator-Show. Er gibt dem bunten Treiben einen gewissen Analog-Charakter, und durch die Musik bezieht das Live-Drumming eine noch immensere Wucht und Durchschlagskraft. „Es passiert immer noch oft, dass ich auf Festivals auftrete und die Leute einen DJ erwarten, der für Stimmung sorgt. Der Typ bin ich aber nicht. Mir ist es wichtig, eine eindringliche Atmosphäre zu kreieren und ein audiovisuelles Gesamterlebnis anzubieten. Manchmal sind Konzerte vor 50 aufmerksamen Menschen auch besser als solche für 2.000 Leute, die alle nicht konzentriert sind.“

Der künstlerische Anspruch ist Perturbator wichtiger als das bloße Heischen um billigen Applaus und wie viele andere seiner Genre-Genossen stammt er ursprünglich aus anderen Bereichen. Kent spielte anfangs Gitarre in diversen Black-Metal-Bands, fand dann aber durch seine Eltern in den Techno- und Trance-Bereich. Diese waren in ihrer Jugend selbst in der Szene verhaftet und reüssierten später als Musikjournalisten. 2012 begann dann Kent selbst erstmals ernsthaft und fokussiert im elektronischen Segment zu musizieren. Als Teil des Soundtracks zum Computerspiel „Hotline Miami“ sorgte er schon sehr früh für Aufmerksamkeit im Mainstreambereich. Ein Karrierepush, der ihn nur noch tiefer in die Welt des digitalen Klangs zog. Seine Liebe zu den unterschiedlichsten Synthesizern wuchs unaufhaltsam. „Bands kamen für mich nicht mehr in Frage, weil ich meine Visionen nicht teilen wollte. Ich war frustriert darüber, meine Ideen nicht einfach umsetzen zu können. Heute bin ich beim Songwriting allein mit meinen Maschinen und der einzige, der mir die Richtung vorgibt, bin ich selbst. Mein wichtigster Einfluss waren die alten Soundtracks von John Carpenter. Die wollte ich einfach aggressiver und zeitgemäßer umsetzen.“

Bunt und grenzenlos
Im Laufe der Zeit hat sich Perturbators Sound immer wieder gewandelt. So klang etwa das letzte Studioalbum „New Model“ einerseits dunkler und sinistrer, andererseits aber auch tanzbarer. „Ich möchte in einer Position sein, in der ich die Leute mit jedem Album überraschen kann. Niemand soll wissen, was von mir als nächstes kommt. Als nächstes könnte ich mir gut ein Ambient- oder Post Punk/Dark Wave-Album vorstellen. Sogar ein reines Popalbum liegt im Bereich des Möglichen.“ Dass auch die Hörer mittlerweile wesentlich offener sind als früher, kommt einem Schubladensprenger wie Perturbator zugute. „,New Model‘ hat viele Einflüsse von Nine Inch Nails und DAF. Als ich es veröffentlichte, hatte ich schon die Ungewissheit im Hinterkopf, ob die Leute das Werk auch wirklich verstehen würden. Zu meiner Freude habe ich aber bemerkt, dass die Hörer heute viel offener für Veränderungen sind und die Künstler stärker unterstützen.“

Obwohl der Sound des Franzosen für ungeübte Ohren etwas kühl und maschinell wirken mag, ist die dahinterliegende Emotion entscheidend für ein knackiges Songwriting. „Ohne Passion geht absolut gar nichts und du hörst sofort raus, ob jemand sein volles Herzblut in einen Song legt oder eben nicht. Ich sorge mich nicht darum, ob etwas perfekt oder wuchtig, sondern nur, ob es im Gesamtkorsett gut klingt. Natürlich kann eine gute Produktion sehr viel retten, aber egal wie sehr du mit deinen Synthesizern experimentierst, ohne die nötige Emotion wirst du keine gute Nummer schreiben können.“ Wie bei vielen Metalmusikern ist auch bei Perturbator der Hang zur Klassik nicht abzustreiten. „Ich mag klassische Musik, aber nur in den richtigen Momenten. Je älter ich werde, umso mehr Zugänge finde ich dazu. Wer weiß - vielleicht höre ich mit 60 nur mehr Klassik und komponiere selbst solche Stücke?“

Späte Einsicht
Von der großen Historie französischer Elektronikmusiker ist Perturbator weniger inspiriert als es den Anschein macht. Obwohl das Land mit Künstlern wie Daft Punk, Justice oder Air in diesem Bereich Weltmarktführer ist. „Als ich mit diesem Projekt begann, hatte ich ja noch keine Ahnung. Erst als die ersten Songs fertig waren, verglichen manche Leute den einen oder anderen davon mit diesen Bands. Da begann ich mich erstmals stärker mit den Künstlern aus meiner Heimat zu befassen und rückte tiefer in die Speerspitze der französischen Elektronik. Im Endeffekt haben es mir vor allem Justice angetan, weil sie gerne mit Dissonanz arbeiten und trotzdem viel Groove besitzen.“ Kents Lieblingskooperationspartner wäre übrigens Faith-No-More-Frontmann Mike Patton. „Ein wahres Genie, es gibt keinen besseren. Ich habe aber auch schon Anfragen abgelehnt, weil ich die Musik nicht mochte. Etwa von Bullet For My Valentine.“ James Kent kann sich aber ohnehin ganz gut selbst aussuchen, wohin seine Wege in Zukunft führen werden.

Am 6. März sind Perturbator mit seinem Landsmann Dan Terminus live in der Wiener Szene zu sehen, die Show wird ausverkauft sein. Ein Wiedersehen für Fans gibt es aber am 11. Oktober auf der Innsbrucker Livestage. Weitere Synthwave-Highlights in Wien sind Powernerd und Dana Jean Phoenix am 11. April im Viper Room und Lazerpunk am 31. Mai im Escape Metalcorner. Tickets für die Events gibt es auf www.sbtixx.net

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