100 Tage im Amt

„Als Unternehmer ist man niemals zufrieden“

Tirol
22.02.2019 16:00

Der Thaurer Unternehmer und Bürgermeister Christoph Walser ist seit genau 100 Tagen Präsident der Wirtschaftskammer Tirol. Die „Krone“ besuchte ihn in seinem neuen Büro in der Innsbrucker Meinhardstraße und sprach mit ihm über seine neue Aufgabe. Das Match AK gegen WK sieht er selbst nicht so dramatisch.

Herr Präsident Walser, Sie stehen heute auf den Tag genau 100 Tage an der Spitze der Wirtschaftskammer Tirol - wie fühlt sich das an?
Ich bin diese verantwortungsvolle Aufgabe mit sehr viel Demut angegangen und habe in den ersten Monaten versucht, mir ein gutes Bild von unserer Kammer, ihren Mitgliedern und den Mitarbeitern zu machen. Das war eine lange Reise.

Sind Sie als Unternehmer selbst mit ihrer Wirtschaftskammer Tirol zufrieden?
Als Unternehmer darf man niemals ganz zufrieden sein. Aber ich kann sagen, die Kammer ist gut aufgestellt. Ein sehr kompetentes Team und extrem motivierte Funktionäre sind der Garant für eine leistungsfähige Kammer, die immer näher an ihre Mitglieder heranrücken muss und wird.

Sie sind in den letzten Monaten auch mit der einen oder anderen Ansage aufgefallen. Wird Christoph Walser das Amt des Kammerpräsidenten politischer anlegen?
Als Wirtschaftskammer sind wir die Vertreter der Wirtschaft. Dass wir dabei ständig Berührungspunkte mit der Politik haben, liegt auf der Hand. Und wenn es notwendig ist, dann müssen wir unseren Job machen und die Interessen der Wirtschaft vertreten. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Wirtschaft ja nicht alleine, also ohne die Menschen in Tirol, funktionieren kann. Wer hier eine Segmentierung in „böse Wirtschaft“ und „gute Arbeitnehmervertretung“ propagiert, der tut dies ohne an die Menschen im Lande zu denken. Wir müssen uns nicht trennen, sondern erkennen, dass es nur gemeinsam geht.

Wie sehen Sie diesen Spalt zwischen Arbeitnehmern und der Wirtschaft?
Weit weniger dramatisch, als manchmal von Ideologen dargestellt. In den meisten Betrieben arbeitet der Chef, die Chefin, Seite an Seite mit den Mitarbeitern. Man versteht einander, mag sich und zieht am selben Strang in dieselbe Richtung.

„Unser Franz Hörl wird sicher nie ein Diplomat“

Nach der AK-Wahl ist Ihr Vizepräsident und Tiroler WB-Obmann Franz Hörl gegen AK-Chef Zangerl ausgerückt. Wie sehen Sie diese teils harten Töne?
Nun, Franz Hörl ist ein ehrlicher Tiroler, der diesem Land in den vergangenen Jahren sowohl in Wien als auch in Innsbruck gut getan hat. Dazu gehört auch seine unverblümte und direkte Art, mit der er sich nicht immer Freunde gemacht hat. Geduld und Diplomatie gehören nicht zu seinen Stärken. Dafür hat er eine Charaktereigenschaft, die man in der Politik oft vergeblich sucht: Er ist grundehrlich und denkt bei seinen Aussagen nicht nach, wie er seine Position möglichst gut abgesichert hat.

Er ist also kein Ablösekandidat, wie die Regionalzeitung unlängst mutmaßte?
Nein. Es ist vollkommen unbestritten, dass Franz Hörl, so lange er ein politisches Mandat inne hat, auch Obmann des Tiroler Wirtschaftsbundes bleibt.

Obwohl er sich in den letzten Tagen öfters im Ton und in der Auswahl seiner Facebook-Videos vergriffen hat?
Ich gehe davon aus, dass Franz aus den letzten 10 Tagen seine Lehren gezogen hat. Wir, die Tiroler Wirtschaft, stehen vor Monaten der Entscheidung und da müssen wir unsere Kräfte bündeln und geeint auftreten, um Fehlentwicklungen entgegen zu treten.

Die Meinung eines Professors wurde Gesetz

Spielen Sie da etwa auf das von der Tiroler Landesregierung beschlossene Interessentenmodell an?
Ja! Da scheint ein Gutachten eines einzigen Uni-Professors völlig unreflektiert in einen Landesregierungsbeschluss hineinkopiert worden zu sein - ohne auf die weitreichenden Folgen einzugehen.

Aber es geht doch darum, leistbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Da kann man doch nicht dagegen sein?
Wir - und besonders ich als Unternehmer der ersten Generation - sind sehr bestrebt, leistbaren Wohnraum zu erhalten und zu schaffen. Schließlich geht es um einen sozialen Ausgleich und um eine zielführende Sozialbindung. Wer hart arbeitet, der soll sich etwas schaffen können. Das ist gut für Tirol, die Wirtschaft und die Menschen im Lande. Was allerdings jetzt am Tisch liegt, ist nicht dazu angetan, Abhilfe zu schaffen.

Warum?
Die Landesregierung hat im Jänner eine Ansammlung von Überschriften beschlossen - die leider nicht abgestimmt waren. Schon auf den ersten Blick muss man erkennen, dass diese Überschriften oder Ansagen eher dazu angetan sein werden, Wohnraum zu verteuern und jene Menschen, die sich etwas zu schaffen versuchen, zu bestrafen. Mit dem, was da jetzt auf dem Tisch liegt, trifft man nicht die ohnehin wenigen Superreichen, sondern die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Daher bin ich mir sicher, dass hier sinnvolle Alternativen gefunden werden.

Verkehr - Seismograph für die Wirtschaft

Ein Dauerbrenner im Land ist auch der Transit. Sie sind selbst Frächter. Wie ist denn Ihre Meinung dazu?
Verkehr ist ein Seismograph für die Wirtschaft. Je besser der Wirtschaftsmotor brummt, desto mehr Verkehr ist zu verzeichnen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Transitwege rund um den Brenner Basistunnel auszubauen und die Infrastruktur wieder auf den modernsten Stand zu bringen. Die ÖBB sind dabei gefordert, die rollende Landstraße wieder hoch zu fahren. Die heimische Wirtschaft darf nicht zum Sündenbock werden. Da geht es um Jobs.

Themenwechsel: LH Günther Platter hat seinen Traum von einer Tirol Holding realisiert. Wie bewerten Sie diese Konzentration von Tirol Werbung, Agrarmarketing und Standortagentur?
Wir sind zwar das Herz der Alpen, aber dennoch ein kleines Land. Da macht es Sinn, wenn die Kräfte gebündelt werden. Die Landwirtschaft in unseren Bergregionen arbeitet daran, Sinn und Nutzen ihres Tuns darzustellen und agiert in enger Symbiose mit unserer Tourismuswirtschaft. Vom und mit dem Tourismus wiederum leben Handwerk und Gewerbe und auch der Handel sowie weite Teile der Dienstleister. Die Industrie ist dabei ein unverzichtbarer Faktor, der für Forschung, Innovation und Wohlstand im Lande steht. Die Summe macht es aus. Da passt die Holding strukturell sehr gut.

Ihre Beurteilung der Tiroler Landesregierung?
Ich bin Präsident der Wirtschaftskammer Tirol und kein Preisrichter. Der Draht zwischen mir und dem Landhaus ist ein direkter und vor allem auch ein guter. Und das zählt!

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