Neues Album

Sleaford Mods: Stimme des britischen Proletariats

Musik
23.02.2019 07:00

Rap, Punk, Hip-Hop, Elektronik, Dadaismus - die Sleaford Mods stehen an der Speerspitze einer brodelnden Untergrundbewegung in Großbritannien, die sich gegen gesellschaftliche und politische Strömungen auflehnt. Auf ihrem neuen Album „Eton Alive“ verbinden Jason Williamson und Andrew Fearn wieder kongenial Anarchie, Lässigkeit und schwarzhumorige Coolness.

(Bild: kmm)

Im Gespräch ist Jason Williamson ein angenehmer Zeitgenosse: interessiert, offen, zuvorkommend. Auf der Bühne wird aus dem Sänger der Sleaford Mods aber ein keifender Wirbelwind, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt und gesellschaftliche Missstände zum Thema macht. Mit „Eton Alive“ erscheint nun das neue Album des britischen Duos. Für Williamson steht fest: „Niemand macht, was wir machen.“

Prolo-Attitüde
Womit er nicht ganz unrecht hat. Während Kollege Andrew Fearn für die meist minimalistische musikalische Untermalung sorgt, ist es die Direktheit und Energie von Williamson, die Stücke wie „Kebab Spider“ oder „Big Burt“ nach vorne treibt. Gossensprache, Kapitalismuskritik, Aufs-Maul-Mentalität - es ist eine englische Prolo-Attitüde, die Williamson als Kerl von nebenan erscheinen lässt, die er aber gleichzeitig mit reflektierten Inhalten und einem Hang zu doppelbödigen Inhalten kreuzt. Sleaford Mods sind in dieser Hinsicht ebenso gereckte Faust wie gerunzelte Stirn.

Großartig motivieren muss sich das Duo, das seit gut sieben Jahren gemeinsam Musik macht, jedenfalls nicht. „Wir müssen nicht auf die Inspiration warten“, betont Williams im APA-Interview. „Der Schreibprozess ist so intensiv, dass es immer weiter geht.“ Bereits Ende 2017 habe ihm Fearn die ersten mp3s für die neue Platte geschickt, auf dieser Basis hat er die Texte und Gesangslinien erarbeitet. „Diesmal ging es sehr schnell, es lief sehr geradlinig ab.“ Einige Monate später buchte man ein paar Tage im Studio, und schon war „Eton Alive“ eingespielt. „Früher haben wir schon mal improvisiert bei den Aufnahmen. Aber diesmal ging es nicht um die Frage, welchen Weg wir mit einem Song gehen wollen - ich habe das alles schon ausgelotet.“

Leichte Veränderungen
Was dennoch auffällt: Sleaford Mods drücken das Gaspedal nicht mehr die ganze Zeit bis zum Anschlag durch. Stücke wie „Firewall“ oder „When You Come Up To Me“ bestechen mit einer neu gefundenen Melodieseligkeit. „Ich wollte diese Songs neu erkunden. Davor habe ich viel R‘n‘B und Soul aus den 80ern gehört, aber auch Sachen wie Drake“, so Williamson. „Es war eine sehr bewusste Entscheidung, meinen Gesang in diese Richtung zu bringen. Stellt sich nur die Frage, wie das live funktioniert“, schmunzelt der Musiker. „Sonst knallen unsere Stücke ja immer ziemlich rein. Ich muss wohl erst lernen, wie ich meine Stimme für die neuen Sachen am effektivsten einsetze.“

Die Erweiterung des Sounds sei dem Duo aber nicht ganz leicht gefallen. „Wir haben ja einen Stil, der sehr einzigartig ist“, unterstreicht Williamson. „Wenn da etwas neu hinzukommt, wird das zunächst feindselig behandelt. Aber ich mochte die Idee, unsere Songs auf diese Weise zu erforschen. Wir haben unsere Palette erweitert. Immer nur schimpfen geht ja auch nicht“, lacht der Musiker. „Wir wollen nicht nach einer bestimmten Formel arbeiten. Was wir machen, ist explosiv und frisch. Der Minimalismus, die Musik, alles greift ineinander und passt genau in die Zeit, in der wir leben.“

Medien als Verräter
Womit man beim Stichwort wäre. Denn eines der dominierenden Themen dieser Tage, der Brexit, ist auch für Williamson ein Ärgernis. „Es ist sehr traurig“, bringt er die Sachlage auf den Punkt. „An einigen Tagen geben uns die Medien Aussicht auf ein zweites Referendum, dann steht wieder ein harter Brexit ins Haus.“ In welche Richtung es letztlich gehen wird, könne niemand zuverlässig sagen. „Die Medien sind die großen Verräter in dieser Sache“, ärgert sich der Künstler. „Sie wurden zum Teil von rechts stehenden Leuten gekauft. Sogar jene Medien, von denen man eigentlich mehr erwarten würde, fügen sich oft in die Hysterie. Es ist ein starkes Elitedenken, das dort transportiert wird.“

All das kommt auch in „Eton Alive“ zur Sprache. „Aber es geht auch um Kommerz, den Horror von Ruhm und Prominenz. Und natürlich meine Fehler und Schwächen als Person“, gibt sich Williamson selbstkritisch. Eine thematische Bandbreite, die den Songs gut zu Gesicht steht und die, in Kombination mit der zwischen Punk, Indie, Electro und Hip-Hop changierenden Musik, für ein intensives Hörerlebnis sorgt. Sleaford Mods haben nichts von ihrem Charme und Reiz verloren.

APA/Christoph Griessner

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