Schönborn prescht vor:

„Die Macht der Geistlichen braucht mehr Kontrolle“

Österreich
18.02.2019 12:00

Im Vorfeld der im Vatikan stattfindenden Tagung zum Thema sexueller Missbrauch spricht sich Kardinal Christoph Schönborn für schonungslose Offenheit und Aufklärung aus. Es müsse „selbstverständlich werden, dass Opfer den ersten Platz haben“, so Schönborn. Außerdem lässt er mit einer Forderung nach Strukturreformen in der katholischen Kirche aufhorchen: Dort sei Gewaltenteilung noch zu wenig entwickelt, die Macht der Bischöfe und Pfarrer brauche mehr Kontrolle.

Darüber hinaus müsse die Rolle der Frau in der Kirche gestärkt werden, meint der Kardinal in einem APA-Interview. „Hier gibt es echten Reformbedarf, und ich glaube, es gibt einen Bereich, wo das besonders spürbar ist. Das ist die Unausgewogenheit der Autorität in der Kirche zwischen Männern und Frauen. Wie eine Reform konkret funktionieren kann und wird, das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass es notwendig ist.“

Thema Missbrauch: „Wollen Weg der Wahrhaftigkeit gehen“
In der Missbrauchsdebatte plädiert Schönborn für schonungslose Offenheit und Aufklärung, vor allem wenn es strafrechtlich relevant ist. „Vertuschung ist eine starke Versuchung in der großen Familie der Kirche. Aber wir haben uns ganz klar entschieden, wir wollen den Weg der Wahrhaftigkeit gehen, auch wenn es wehtut, weil das der Weg ist, der den Opfern und Betroffenen am ehesten gerecht wird. Die Opfer erwarten, dass sie ernst genommen werden, und das geht nur, wenn die Wahrheit zugelassen ist.“

Schönborn hofft auf „historischen Erfolg“ des Vatikan-Gipfels
Die katholische Kirche wird seit Jahren von Missbrauchsaffären erschüttert und stürzte dadurch in eine tiefe Krise. Ab Donnerstag findet im Vatikan der internationale Gipfel zum Thema Missbrauch statt. Zu dem viertägigen Treffen in Rom hat Papst Franziskus die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen, die Leiter der unierten Ostkirchen sowie zahlreiche männliche und weibliche Ordensobere eingeladen. Teilnehmen werden außerdem die Leiter aller Vatikan-Behörden sowie Missbrauchsopfer aus allen Erdteilen.

Ziel der Tagung sei laut Schönborn, einen weltweiten gemeinsamen Bewusstseinsstand innerhalb der katholischen Kirche zu erreichen. „Es muss selbstverständlich werden, dass die Opfer den ersten Platz haben und nicht der Ruf der Kirche. Ich hoffe, dass es am Schluss einen Konsens geben wird, dass die schon vorhandenen und vom Vatikan klar formulierten Standards wirklich in der gesamten Weltkirche implementiert werden. Wenn das gelingt, dann war dieses Treffen ein historischer Erfolg.“

Kardinal: Österreichs Kirche übernimmt ihre Verantwortung
In Österreich habe man diese Standards vor Jahren implementiert. „Wir haben in jeder Diözese einen Beauftragten für den Schutz von Minderjährigen. Wir haben in jeder Diözese eine Ombudsstelle, an die sich Opfer von Gewalt und Missbrauch wenden können. Wir haben in jeder Diözese eine Kommission, die diese Vorwürfe prüft und darauf schaut, dass das, was strafrechtlich relevant ist, auch wirklich zur Anzeige kommt. Aber es gibt viele Länder und viele Bischofskonferenzen, in denen man noch weit davon entfernt ist.“

Über die Opferschutzkommission wurden in Österreich von der katholischen Kirche rund 60.000 Therapiestunden übernommen und 27,3 Millionen Euro an Wiedergutmachung zuerkannt. Dieser Betrag betreffe laut Schönborn „einen Zeitraum von über 60 Jahren, in ganz Österreich, alle Diözesen, alle Orden“. Und die Stadt Wien habe für das Kinderheim am Wilhelminenberg 40 Millionen Euro an Wiedergutmachungen nach den gleichen Kriterien gezahlt. „Ich sage das nicht, um irgendetwas zu rechtfertigen, ich glaube aber, es ist eine Sache der Gerechtigkeit, darauf hinzuweisen, dass das Thema Missbrauch ein gesamtgesellschaftliches ist.“

Gespräch mit Ex-Ordensfrau: „Wir haben gehört, was Sie sagen“
Schönborn nahm in dem Interview auch zu seinem im Fernsehen ausgestrahlten Gespräch mit der früheren Ordensfrau Doris Wagner Stellung, die von einem Vertreter ihres Ordens vergewaltigt worden war. „Ich kenne die Gemeinschaft, zu der Doris Wagner gehört hat, seit 52 Jahren. Ich habe sehr viel Positives von dieser Gemeinschaft erlebt, habe dann aber das Buch von Doris Wagner gelesen, war sehr beeindruckt von der Qualität dieses Buches, und ich hatte irgendwie den Eindruck, es fehlt vonseiten der Kirche eine offizielle Reaktion, ein Schritt auf sie zu, um zu zeigen: ,Wir haben das gehört, was Sie sagen.‘“

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