Machtkampf um Zahlen

Angezählter Statistik-Chef: Offener Brief an Kurz

Österreich
14.02.2019 15:38

In der Debatte um die Zukunft der Statistik Austria meldet sich nun Generaldirektor Konrad Pesendorfer zu Wort. Um die Unabhängigkeit zu wahren, fordert er, dass die Bundesanstalt unmittelbar dem Nationalrat unterstellt wird. An der Spitze soll ein Präsident stehen, der im Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt wird, schlägt der Statistik-Austria-Chef in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den Nationalrat vor.

Zuletzt wurde kolportiert, dass das Kanzleramt die Statistik Austria komplett umbauen will. Ihre Kommunikation soll künftig vom Kanzleramt aus koordiniert werden, schrieb der „Standard“. In dem Bericht war auch die Rede von einer Verkleinerung der Presseabteilung und einer Auflösung der Abteilung für Analyse.

NEOS an Bord: „Größtmögliche Unabhängigkeit“
Die Oppositionsparteien NEOS und Jetzt unterstützen die von Pesendorfer vorgeschlagene Anbindung der Statistik Austria an den Nationalrat. „Nur so können wir eine größtmögliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten“, sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Donnerstag. Jetzt-Klubchef Bruno Rossmann überlegt einen Antrag und will mit Pesendorfer sprechen.

Meinl-Reisinger will den Präsidenten der Statistik Austria künftig nach öffentlichen Hearings mit Zweidrittelmehrheit wählen: „Damit würden auch endlich die ständigen Umfärbungen an der Unternehmensspitze ein Ende finden.“ Derzeit hat die Statistik Austria zwei Generaldirektoren, die vom Bundeskanzler bestellt werden. Jedenfalls verhindern will Meinl-Reisinger, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Statistik Austria an das Kanzleramt gebunden wird. Kanzler Kurz gehe es nur um Macht: „Wenn nur noch das Bundeskanzleramt bestimmt, wann welche Zahlen, Daten, Fakten berichtet werden, dann ist der Weg in Richtung gelenkte Demokratie nicht mehr weit.“

Jetzt: „Begehrlichkeiten ausschließen“
Rossmann unterstützt sowohl die Anbindung der Statistik Austria an den Nationalrat nach Vorbild des Rechnungshofes als auch die von Pesendorfer geforderte Verankerung der Unabhängigkeit. „So kann man von vornherein irgendwelche Begehrlichkeiten ausschließen“, sagte Rossmann am Donnerstag. Außerdem verweist er auf die Statistikverordnung der EU: „Da ist klipp und klar festgehalten, dass an der Unabhängigkeit nicht gerüttelt werden darf.“

Kurz: „Nichts Konkretes geplant“
Pesendorfer, der ehemalige wirtschaftspolitische Berater von Kanzler Werner Faymann (SPÖ), ist nicht Mitglied der hausinternen Reformgruppe der Statistik Austria. Sein 2019 auslaufender Vertrag soll angeblich nicht verlängert werden. Kanzler Kurz meinte dazu am Mittwoch lapidar: „Wir nehmen immer wieder Veränderungen vor, aber von meiner Seite ist nichts Konkretes geplant.“

Tags darauf wies Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal den Vorwurf zurück, in die Unabhängigkeit der Statistik Austria eingreifen zu wollen. Es sei „keine Ansiedelung der Pressearbeit ins Kanzleramt geplant“. Zum Beleg veröffentlichte er den Projektauftrag und eine Zwischenbilanz einer im September 2018 eingesetzten Arbeitsgruppe zur „Optimierung der Organisation der Statistik Austria“. Darin wird die Verkleinerung der Öffentlichkeitsarbeit von acht auf zwei Personen damit begründet, dass Aufgaben wie das Erstellen von Infografiken, die Betreuung der Website und die Organisation von Veranstaltungen in andere fachlich zuständige Bereiche verlagert werden sollen. Die Pressestelle solle sich auf die reine Medienarbeit konzentrieren.

Die Auflösung der 2011 eingerichteten „Stabsstelle Analyse“ wird damit begründet, dass das ursprüngliche Konzept „gescheitert“ sei. Demnach war geplant, „durch aktive Akquisition externer Analyseaufträge umsatzsteigernd zum betriebswirtschaftlichen Ergebnis beizutragen“. Tatsächlich habe die Abteilung aber durchschnittlich 191.000 Euro Verlust pro Jahr gemacht und vorwiegend unentgeltliche Projekte betreut. Daher wurde beschlossen, die Stabsstelle Anfang 2019 aufzulösen.

Regierungssprecher: „Kein Eingriff des Kanzleramts in operative Arbeit“
Für Launsky-Tieffenthal belegen die Dokumente, dass keine Ansiedelung der Pressearbeit der Statistik Austria im Kanzleramt geplant sei. Auch eine komplette Eingliederung der 2000 ausgelagerten Bundesanstalt werde es nicht geben. „Die Statistik Austria soll unabhängig sein. Es gab seit Regierungsantritt im Dezember 2017 keinen Eingriff des Bundeskanzleramts in die operative Arbeit der Statistik Austria“, so Launsky-Tieffenthal. Nicht kommentieren wollte das Kanzleramt den Vorstoß von Generaldirektor Pesendorfer, die Statistik Austria nach Vorbild des Rechnungshofes dem Parlament anzugliedern. Auch aus dem Büro von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hieß es dazu: „Aktuell gibt es dazu nichts zu sagen.“

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