Live im Gasometer

Slash: Aus dem Schatten des großen Sauriers

Musik
11.02.2019 12:00

Monatelang war das Wiener Gasometer restlos ausverkauft - Sonntagabend war es endlich so weit: Gitarrenlegende Slash zelebrierte mit Top-Sänger Myles Kennedy und den Conspirators ein Hard-Rock-Erlebnis der Sonderklasse, ohne allzusehr in der Nostalgieschleife festzuhängen.

(Bild: kmm)

Auf den Tag genau vor sechs Jahren spielte Gitarrengott Slash das erste Mal mit Myles Kennedy und den Conspirators im Wiener Gasometer. Damals wie heute können die Veranstalter das „Ausverkauft“-Schild anbringen, damals wie heute glänzt die schwarze Lockenpracht des Vollblutmusikers unverändert unter seinem Zylinder hervor und damals wie heute beweist Myles Kennedy, dass er mit seinem originären Stimmtimbre kein Axl-Rose-Kopist ist, sondern einer der besten Frontmänner der gesamten Hard-Rock-Szene. Die Unterschiede liegen freilich im Detail. Seit damals hat die hier tätige Mannschaft zwei weitere Alben produziert und Slash hat sein ohnehin schon multimillionenschweres Konto mit einer mehrjährigen Reunions-Tour mit Guns N‘ Roses potenziert. Selten war das Leben des 53-jährigen Ausnahmegitarristen so ruhig und entspannt wie in der Gegenwart.

Selbstdisziplin
Gottseidank ist davon auf der Bühne nur wenig zu merken. Dass Rock’n’Roll auch ohne ausgeexte Stolichnaya-Flaschen und bergeweise Marlboro-Päckchen funktioniert, behagt zwar nicht jedem Puristen, ist aber längst allumfassende Tatsache. Ausartende Yogaeinheiten á la Mick Jagger braucht Slash in seinem Alter zwar noch nicht, jeden Abend für mehr als zwei Stunden über die Bühne zu teufeln wäre ohne ein gewisses Maß an Selbstdisziplin und Selbstachtung aber auch nicht möglich. Die Flitzefinger rauschen auch im gehobenen Alter noch mühelos über den Hals und das von Drummer Brent Fitz, Gitarrist Frank Sidoris und Bassist Todd Kerns personifizierte Rhythmusgeschwader spielt so sicher und exakt, dass es seinem Chef ohne jedwede Egoprobleme den Weg für das Rampenlicht bereitet.

Der Fokus der Setlist liegt freilich auf dem aktuellen Studioalbum „Living The Dream“, das Slash-Fanaten gemeinhin gar nicht einmal so prickelnd fanden wie die Werke davor. Live zeigt sich bei „The Call Of The Wild“ oder „Mind Your Manners“ aber sehr gut, dass Saul Hudson noch immer ein mehr als geschicktes Händchen für knackiges Songwriting besitzt. Immer wieder pendeln die Musiker zwischen Conspirators- und Slash-Solomaterial, wechseln Tempi und Stimmlagen und sind bemüht, den Spannungsbogen für die von Anfang an begeisterte Menge möglichst hoch zu halten. Mit großen Überraschungsmomenten ist dabei nicht zu rechnen, aber das erst kürzlich ins Liveset eingebaute „Sugar Cane“ oder eine famos gesungene Version der Ballade „The Great Pretender“ bezeugen die Vielseitigkeit der hochtalentierten Band. Wenn es rauer werden muss, darf Kennedy Pause machen und Bassist Kerns ans Mikro. So passiert es beim punkigen „We’re All Gonna Die“ und der Lemmy-Kilmister-Verbeugung „Doctor Alibi“ - Kilmisters einstiger Motörhead-Kollege Phil Campbell durfte mit seinen Söhnen zuvor im Vorprogramm lärmen.

Fokus auf das Jetzt
Waren die großen Hits von Guns N‘ Roses vor sechs Jahren noch das nötige Salz in der Suppe, befindet es Slash heute nicht mehr für notwendig, allzu stark in der Nostalgiekiste zu kramen. Lediglich „Nightrain“ wird in einer flotten, aber nicht restlos überzeugenden Variante zelebriert, auf einst regelmäßig exerzierte Hits wie „Paradise City“ oder „Rocket Queen“ müssen Fans der Gunners aber verzichten. Bei starken Eigenproduktionen wie „Back From Cali“, „You’re A Lie“ oder „World On Fire“ aber auch kein Wunder und für den Rest gibt es nun ja wieder die Originalband. Auch der einmal mehr famose und absolut fehlerlose Kennedy wird über die Richtungsänderung froh sein. Die ewigen Axl-Rose-Vergleiche sind selbst für einen glanzvollen Frontmann wie ihn belastend.

Auf das programmatische Solo wird natürlich auch nicht verzichtet. Im Anschluss an „Wicked Stone“ spielt sich Slash in einen seiner bekannten Räusche, lässt aber bereits nach acht Minuten Gnade vor Recht ergehen, um sich wieder in den Rhythmus einzupassen. Die Posen sitzen sicher wie am ersten Tag und mittlerweile weist der Backkatalog der Conspirators schon so viel Material auf, dass sich selbst ein Slash gerne etwas zurücknimmt, um noch ein oder zwei Songs mehr auf die Menge loszulassen. Es ist beneidenswert, wie wenig all das nach Routine aussieht und mit welcher Spielfreude das Quintett agiert und interagiert. Spätestens bei der Bandvorstellung ganz am Ende erkennt man den größten Unterschied zu Guns N‘ Roses: Hier haben echte Freundschaft und spielerische Ungezwungenheit das Zepter in der Hand. Eine Freude und Leichtigkeit, die dem großen Stadionsaurier zeitweise fehlt. Wer hier übrigens zu langsam bei den Karten war - beim Nova Rock Mitte Juni gibt es ein Wiedersehen mit der launigen Truppe. Mehr unter www.novarock.at.

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