Robert Menasse

„Hauptstadt“: Hier spricht nicht nur ein Schwein

Salzburg
09.02.2019 20:00

Roman-Dramatisierungen sind eine Theatermode geworden. Frank Castorf mit seinen 8-Stunden-Monstern ist gleichsam der Urgroßvater. Bei Robert Menasses „Die Hauptstadt“ ging es flugs: 2017 erschienen, 2018 die Uraufführung in Zürich. Jetzt: Schauspielhaus Salzburg, kein Jubel, eher nachdenklich gewogener Beifall.

Wie bei all diesen Unternehmungen, ob Film oder am Theater, bleiben bei Roman-Dramatisierungen viele Leerstellen. Es kommen Szenen, Figuren, Erzählflüsse hinzu. Oder weg. Es wird etwas gebaut, das bei weitem nicht mehr so vielfältig und facettenreich ist. Geht gar nicht bei einem knapp 500-Seiten-Werk. Interessant ist, dass seit der Ur-Aufführung in Zürich und den folgenden in Essen, Konstanz, Bozen jede Inszenierung - jetzt auch die von Regisseurin Maja Fanke - sich ihre eigene Strich-Fassung zurecht gelegt hat. Robert Menasse sagte einmal: „Ich habe mir zunächst überhaupt nicht vorstellen können, dass man diese sehr breit gefächerte Erzählung auf die Bühne bringt.“ Sowie: „Und man trotzdem den Kern der Sache treffen kann.“

Im Gegensatz zur Wiener Zombie-Show in einer Fake-Onyx-Bar am Schauspielhaus, konzentrierte sich Maya Fanke auf eine sachlich kühle Stahl-Vierkant-Kuben-Szene (Bühne: Martin Hickmann). In diesen Brüssler Büro-Kästen gibt es schon Drama - als „freundlich“ hinterhältige Intrigen-Meuchelei. Die vom Karrierismus befeuert wird.

Die Inszenierung hat einiges an Spezifikation: Es brauchte bisher einen Erzähler, der die Spur hält. Hier ist es das durch Brüssel wildernde Schwein (oder sind es viele?) mit schwarzer Maske, vielleicht eine Wildsau? Ulrike Arp macht das großartig, hier verschwistert sich Sinn und Absicht in Sprache und Bedeutung.

Dann gibt es einmal im Chaos des „50er Grand Jubilee“ und der geforderten EU-Hauptstadt in Auschwitz auf einmal sehr viele Schweinsmasken-Figuren.

Der einzige KZ-Überlebende David de Vriend kommt nur als Schattenfigur (mit der Stimme von Julia Gschnitzer), er ist im „Jubilee“ nicht dienlich. Es sind Mosaik-Splitter, die mal funkeln, mal flunkern.

Manchmal ist es so, als würden sie nichts mit ihrer Rolle/Figur anfangen können: Christiane Warnecke als cool-hantige „Fenia“, Harald Fröhlich als aufgeblasener „Michelin“-Kommissar, Bülent Özdil als Pelzmützen-Ungar, Olaf Salzer als adeliger Degen-Intrigen-Fechter „Strozzi“, die lächerliche Nudelsalat-Buffet-Nummer von „Prof. Erhart“? Da verschwindet der Sarkasmus in der Senke.

Hans Walter Langwallner
Hans Walter Langwallner
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