Vor „Krone-Gipfel“

Wild oder Wald? Streit zwischen Forst und Jagd

Österreich
06.02.2019 06:00

Zwischen Österreichs Jägerschaft und den Bundesforsten (ÖBF) kracht es wieder im Gebälk. Ein Brief und ein „Krone-Gipfel“ sollen Lösungen bringen. Zugesagt haben neben ÖBF-Vorstand Rudolf Freidhager auch die Landesjägermeister von Niederösterreich und der Steiermark, ein weiterer Vertreter der Bundesforste, die Großgrundbesitzer bzw. Verwalter Johannes Schwarzenberg, Matthias Grün von Esterhazy, Friedrich Hardegg, Wildexperte Armin Deutz und der Ex-Berufsjäger und scharfer Bundesforste-Kritiker Martin Prumetz. Der fordert: „Es muss Gesetz werden: Wo Wild gejagt wird, muss auch gefüttert werden.“

Dass es zwischen den Österreichischen Bundesforsten - vor allem in Person deren Vorstandschefs - und weiten Teilen der österreichischen Jägerschaft eine durchaus veritable Kluft gibt, ist in Forst- und Jagdkreisen hinlänglich bekannt. Während die einen zu viel Wild in den heimischen Wäldern vermuten, agieren die Bundesforste für viele Waidmänner zu hart gegen Reh und Hirsch - sie würden lediglich Gewinnmaximierung vor Augen haben. Dass dabei besonders in Salzburg auch die eine oder andere Fehde gegen die Bundesforste als Grundbesitzer und Jagdverpächter ausgetragen wurde, sei hier nur am Rande erwähnt.

Bundesforste stellen Wild als Schädling dar
Der heurige Winter mit teils extremen Schneehöhen hat jedenfalls das Fass der Bundesforste-Kritiker zum Überlaufen gebracht. Im Fokus der Kritik stehen zahlreiche aufgelassene Reh- und Rotwildfütterungen und die Jagdpraxis in manchen ÖBF-Revieren.

Tirols Landesjägermeister Anton Larcher: „Wir sind und waren nicht mit allen Aktionen und Strategien der ÖBF einverstanden, die den Eindruck vermittelten, das Wild sei in einigen Landesteilen mehr Schädling als Teil unserer Landeskultur. Weiters wurden teils altgediente Pachtverträge wegen kurzfristig zu erzielender Pachterhöhungen nicht verlängert. Kurzum, man hatte den Eindruck, es musste Kasse gemacht werden. Dabei haben wir zu den Vertretern der ÖBF und auch zu den Vorständen ein ordentliches und respektvolles Verhältnis.“

Dass an diesem Verhältnis zu arbeiten sei, kann man einem Schreiben entnehmen, das dieser Tage den Landesjägermeistern ins Haus geflattert ist und in dem die beiden Vorstände der ÖBF-AG zugeben, wohl nicht immer den richtigen Ton getroffen zu haben, und die Bereitschaft zeigen, Fehlentwicklungen zu korrigieren und den Dialog zu suchen.

„Wir brauchen doch keinen Freiluft-Zoo“
Dieser Dialog wird, wenn man sich in der Jägerschaft umhört, auch dringend notwendig sein. Hat sich doch schon eine breite Front gegen die ÖBF gebildet. Dazu der Landesjägermeister: „Ich begrüße diesen Wandel bei den Bundesforsten und hoffe, dieser hält nachhaltig an. Wir werden es nicht zulassen, dass man unser Wild verhungern lässt, wenngleich jedem klar sein muss, dass jeder Winter seine Opfer in der Natur fordert. Wir werden aber auch nicht jenen die Mauer machen, die meinen, in unseren Wäldern einen Freiluft-Zoo betreiben zu können. Weil auch eine übertriebene Hege keinen Deut besser ist!“

Dabei ortet Larcher als schlimmsten Feind unserer Wildtiere in diesem Winter undisziplinierte Wintersportler, die rudelweise Tiere in den sicheren Tod treiben würden: „In vielen Revieren auch in anderen Bundesländern sind es Sportler, die nahezu stündlich ganze Rudel aus ihren Einständen scheuchen und in steile Gräben und Schluchten treiben. Wir appellieren daher nochmals: Bleibt von unseren Fütterungen und Einständen fern - respektiert Hinweisschilder und rettet so Tierleben!“

„Einen Schuldigen gibt es nicht“
Tirols Landesjägermeister Anton Larcher über das Drama in unseren Wäldern und das Märchen, dass es viel zu viele Wildtiere in den Tiroler Wäldern gibt.

„Krone“: Herr Landesjägermeister Larcher, wer ist schuld am Drama vieler Wildtiere?
Anton Larcher: Da gibt es keinen „Schuldigen“ - es sind immer viele Faktoren, die hier zum Tragen kommen. Die Natur hat unterschiedliche Regelungsmechanismen zur Bestandsentwicklung in petto, da gehört ein harter Winter durchaus dazu wie Tierseuchen und eben die nachhaltige Jagd. Viel Schnee heißt aber nicht per se mehr Tierleid. Tierleid entsteht, wenn Wintersportler aus Unwissenheit heraus oder bewusst die Einstände stören und die Fütterungsbereiche durchkreuzen. Was uns auch gestört hat, ist die Fütterungspolitik mancher Bezirksforstinspektionen und die Auflassung von Fütterungen in manchen Bundesforste-Revieren.

Warum füttert man?
Man füttert, weil unserem Wild die natürlichen Rückzugsräume fehlen und weil man mit gezielter Fütterung Schäden von unseren Wäldern abwenden kann! Dies aber mit Maß und Ziel. Da darf man nicht blindlings Wild züchten und überhöhte Bestände erzeugen, was leider teilweise passiert.

Gibt es in Tirol noch Gebiete mit zu viel Wild?
Nicht wirklich. Wir haben - spätestens im Nachgang der TBC-Fälle im Außerfern - gelernt, und unsere Pächter und Jäger sind erpicht darauf, die Wildstände so zu regulieren, dass ein gedeihliches Miteinander von Wild und Wald möglich ist. Dass es immer Extremisten auf beiden Seiten geben wird, ist Faktum, aber wird von uns nicht akzeptiert. Zu viel Wild, wie aktuell in einem Revier in Salzburg immer wieder thematisiert, ist schlecht. Schlecht für das Wild, schlecht für den Wald und letztlich schlecht für die Jagd. Wer Hirsche als Haustiere halten möchte, der sollte sich ein Gehege bauen.

Was sagen Sie zu den Bildern von verendeten Rehen und Hirschen in der Nähe von Fütterungen?
Da kann man natürlich keine Ferndiagnosen abgeben. Wenngleich das Auflassen von Fütterungen hier sicher einen wesentlichen Beitrag leistet.

Die „Krone“ als Vermittler
Vertreter von Bundesforsten und Jägerschaft sollen sich jetzt an einen Tisch setzen. Zum Wohl der Tiere. Bei einem von der „Krone“-Tierredaktion um Maggie Entenfellner arrangierten „Krone“-Gipfel zum Thema „Wald statt Wild“ sollen gemeinsam Lösungen erarbeitet werden. Ziel des Gipfels: eine verbindliche Regelung für die Fütterung.

Markus Gassler, Kronen Zeitung

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