Van der Bellen:

„Österreich ist mitverantwortlich an der Schoah“

Österreich
04.02.2019 10:04

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montag bei einem Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin in Jerusalem Österreichs Mitverantwortung an der Schoah betont. Jüdisches Leben müsse überall unbehelligt möglich sein, es dürfe keine Toleranz gegenüber Antisemitismus geben, sagte Van der Bellen anlässlich seines Staatsbesuchs, bei dem er auch unmissverständlich erklärte: „Österreich ist mitverantwortlich an der Schoah“.

„Zehntausende jüdische Österreichinnen und Österreicher wurden vom Naziregime ermordet - und noch mehr wurden vertrieben. Viele Vertriebene fanden hier in Israel eine neue Heimat. Sie bauten das Land auf und verteidigten es in mehreren Kriegen. Viele Österreichinnen und Österreicher waren unter den Täterinnen und Tätern“, sagte der Bundespräsident. „Darum verbeugen wir uns in Demut vor den Opfern. Zu dieser Mitverantwortung hat sich Österreichs erst spät, sehr spät bekannt. Das hat unser Verhältnis lange Zeit schwierig gemacht.“

„Antisemitismus nicht vom Himmel gefallen“
Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus sei ihm persönlich immer ein starkes Anliegen gewesen. „Der Antisemitismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen. Er war schon zuvor in der österreichischen Gesellschaft sehr stark präsent. Die Schoah war der grausame Höhepunkt. Es darf daher keine Toleranz gegenüber Antisemitismus geben“, sagte Van der Bellen, der am Sonntag seinen Staatsbesuch angetreten hatte. „Unser Ziel ist es, dass jüdisches Leben überall, ob in Israel, ob in Europa oder sonst wo, sicher und unbehelligt möglich ist. Das ist unsere Verantwortung. Das sind wir den Opfern der Schoah schuldig. Israel muss in Frieden leben können. Das ist in Österreich Konsens und ein nationales Anliegen.“

Lob von Rivlin für Sebastian Kurz
Von Rivlin gab es für Van der Bellen einen äußerst herzlichen Empfang mit militärischen Ehren. „Sie sind ein wahrer Freund des Staates Israel und des jüdischen Volkes“, begrüßte der Staatspräsident den Gast aus Österreich in Jerusalem, „der Hauptstadt Israels“, wie Rivlin betonte. Auch er legte den Fokus in seiner Rede auf den Kampf gegen den Antisemitismus. Er erwähnte 50 antisemitische Vorfälle in Österreich im vergangenen Jahr und lobte zugleich das Engagement der von Bundeskanzler Sebastian Kurz geführten österreichischen Regierung im Kampf gegen den Antisemitismus. Man müsse „kompromisslos gegen jede Form von Antisemitismus vorgehen“, sagte Rivlin.

FPÖ-Boykott bleibt aufrecht
Zur Sprache kam auch der Boykott Israels gegenüber Regierungsvertretern der FPÖ. An diesem will Israel mit Verweis auf „die antisemitischen Wurzeln“ der FPÖ weiterhin festhalten. Van der Bellen hatte sich zuletzt dafür stark gemacht, zumindest mit der auf einem FPÖ-Ticket befindlichen, aber parteifreien Außenministerin Karin Kneissl Kontakte zu pflegen. „Meine Bitte ist schlicht, die Außenministerin als eine Art Sonderfall zu betrachten“, sagte Van der Bellen. Derzeit sei die Lage aber „wenig Erfolg versprechend“.

Heftige Kritik Israels am Iran
Heftige Kritik übte Rivlin am Iran. „Der Iran ist die Hauptursache für Instabilität und Terror in Europa und im Nahen Osten. Für uns ist Iran ein Feind, der die Vernichtung Israels anstrebt, eine ernsthafte Bedrohung.“ Rivlin forderte den Stopp der Aggression der vom Iran unterstützten Hisbollah-Milizen, „damit es nicht zu einem Krieg kommt“. Der Staatspräsident hofft auf einen „dauerhaften Frieden“, Israel werde aber „keine Kompromisse in Bezug auf seine Sicherheit eingehen“.

Treffen mit Netanyahu verschoben
Nach den Begrüßungsstatements zogen sich Rivlin und Van der Bellen zu einem Arbeitsgespräch zurück. Danach stand ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem auf dem Programm. Ein für Montagnachmittag angesetztes Treffen Van der Bellens mit Premierminister Benjamin Netanyahu wurde wegen anderer terminlicher Verpflichtungen Netanyahus - Israel steckt mitten im Wahlkampf - auf Dienstag verlegt.

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