Lokalaugenschein

Notschlafstellen: Das letzte Netz fängt auf

Tirol
31.01.2019 08:00

Zum ersten Mal wurde mit diesem Winter das Netz der Notschlafstellen auf mehrere Bezirke ausgeweitet. Die Tiroler Sozialen Dienste (TSD), die für die operativen Abwicklungen der Notschlafstellen an sämtlichen Standorten, außer jenem in der Amraser Straße in Innsbruck, zuständig sind, luden zur am Mittwoch Zwischenbilanz.

Beim Händeschütteln gestern Früh sind die Finger klamm. Minus fünf Grad zeigt das Thermometer. Dabei ist die im Freien verbrachte Zeit gering, nur kurz vorher saßen alle Händeschüttler noch am Frühstückstisch – oder zumindest in der warm beheizten Wohnung. An einem Ort, den jene 85 Menschen, die die vergangene Nacht in der Notschlafstelle am Schusterbergweg verbracht haben, nicht haben. Viel mehr sind diese 90 Betten „das letzte Netz“, wie die Leiterin der Notschlafstelle, Andrea Carter-Sax, betont: „Wenn wir nein sagen, bleibt wirklich nur noch die Straße.“

Kritik der Opposition
Soziallandesrätin Gabriele Fischer lud zum Rundgang. Dass der Besuch eine Gegenveranstaltung zur nur eine Stunde später angesetzten Pressekonferenz der Opposition ist, ist allen Beteiligten klar. Nichtsdestotrotz wird hier gute Arbeit geleistet. Von den Mitarbeitern der TSD, aber auch von den Freiwilligen, ohne die „der Laden nicht laufen würde“.

Mit Herz bei der Sache: Mitarbeiter und Freiwillige
So steht da etwa Hisham Alhmidaoy, ein Asylwerber, der Frühstück, das durch Lebensmittel-Spenden ermöglich wird, an die wohnungslosen Menschen ausgibt. Sein Blick ist freundlich, in seinen braunen Augen liegt Güte. Oder Andrea Kuen, die schon in zweiter Saison kommt, um zu helfen. „Natürliche bringen Klienten auch manchmal Probleme mit ins Haus, aber die werden auf eine wertschätzende Art angegangen und das begeistert mich“, schildert die Freiwillige ihre Motivation.

Herzlich aufgenommen
Wertschätzung und Respekt – Umgangsformen, die wohnungslose Menschen in ihrem Alltag ansonsten wenig erfahren. „Aber hier wird man herzlich aufgenommen und es wird einem wirklich geholfen“, erzählt Manuela, die auch Unterschlupf gefunden hat. 4569 Übernachtungen wurden tirolweit bisher verzeichnet.

„Die TSD haben auch viel Gutes geleistet“
Ruska Atanasova-Koller, TSD-Mitarbeiterin seit gut vier Jahren, führt durch das Haus. „Ich habe alle Höhen und Tiefen der TSD mitgemacht“, erzählt sie, „und es ärgert mich, dass immer nur negativ berichtet wird. Dabei wurde auch viel Gutes geleistet.“ Auch Leiterin Carter-Sax tue es weh, zu hören, die TSD seien ein Totalschaden. „Ja, es wurden Fehler gemacht“, sagt sie, „aber hier sind auch Mitarbeiter, die immer ihr extra geben.“ Die interimistische Führung sei zudem gesprächsbereit.

Bedarf steigend
300 Menschen leben laut der letzten Erhebung 2017 in Innsbruck auf der Straße, 300 weitere sind in einer prekären Wohnungssituation, wie Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose schildert. Mit dem Ausbau der Angebote werde der Bedarf nun zu einem guten Teil gestillt. Auch wenn die Notschlafstellen in den Bezirken noch nicht ausgelastet sind. „Dass es dieses Angebot gibt, muss sich erst herumsprechen“, so Birgit Obermüller, Bildungs- und Integrationsreferentin von Kufstein. Froh, dass es die neuen Betten gibt, sind aber alle, denn der Bedarf werde eher steigen als sinken, sagt Hennermann.

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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