Betroffener schildert:

So kontrolliert lebt es sich mit der Fußfessel

Österreich
31.01.2019 06:00

Nach neun Jahren Fußfessel-Praxis zieht die Justiz eine durchwegs positive Bilanz: Schon 5700 Häftlinge waren seit 2010 im überwachten Hausarrest. Ein Betroffener schildert den Alltag mit dem kleinen Sender am Bein.

Der frühere Innenminister Ernst Strasser hatte sie, Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly „büßte“ mit dem Sender am Bein in seinem Schloss im Südburgendland. Was erlaubt war, weil es sein Wohnort ist. Hannes Kartnig ging damit in die Grazer Oper, worauf er umgehend ins Gefängnis einrücken musste. Ex-FP-Politiker Peter Westenthaler wurde sie jetzt los. Die Rede ist von der Fußfessel.

Doch sie ist kein Privileg der gestrauchelten Prominenz, sie ist gelebter Alltag der heimischen Justiz. 5707 Personen haben laut Statistik seit 2010 ihre Strafe im elektronisch überwachten Hausarrest verbüßt. Doch betrug bisher das mögliche Höchstmaß ein Jahr Haft, soll es nach dem Willen von Justizminister Josef Moser auf zwei Jahre ausgeweitet werden.

Alltag mit Fußfessel streng durchgeplant
Wie gestaltet sich der Alltag mit der Fußfessel? Wir fragten einen, der es wissen muss: Alex (27), der nach einer Verurteilung wegen eines Vermögensdeliktes die Fußfessel acht Monate trug. Jeder Tag ist zeitlich genau durchgeplant, keine Minute Verspätung ist erlaubt (siehe Text unten). Das Gerät im Haus schlägt sofort Alarm, wenn sich der am Knöchel montierte Sender nicht im Empfangsbereich befindet.

Alle im gemeinsamen Haushalt mussten zustimmen, dass sie mit einem Häftling zusammenleben. Es gab auch Gespräche mit dem Chef jener Kfz-Werkstätte, wo Alex arbeitet. Nachdem ein genauer Zeitplan erstellt war, ging es los. Eine Stunde durfte er in die Arbeit brauchen, eine Stunde für den Heimweg. Sonst gab es praktisch keine Extrawürste: „Anfangs war es schwierig, weil ich ja abends nicht weggehen durfte. Meine Freunde besuchten mich. Da durften wir dann keinen Alkohol trinken. Das ist ja streng verboten.“

Von Polizei im Stau nach vorne gewinkt
Einmal wäre Alex fast zu spät nach Hause gekommen. Auf der Heimfahrt von der Arbeit gab es einen Stau. Er meldete dies sofort bei der Justiz in dem speziell eingerichteten Überwachungszentrum. Und er bat einen Polizisten, der im Stau den Verkehr regelte: „Ich habe es wirklich eilig, ich habe eine Fußfessel. Der hat mich nach vorne gewinkt.“

Der Fall von Alex ist typisch: Mit der Fußfessel sollen vor allem kürzere Strafen für kleinere Delikte verbüßt werden. Was die Statistik bestätigt: Die durchschnittliche Anhaltedauer betrug 130 Tage. Dass auch ein Sextäter den Hausarrest zuerkannt bekam, hat anfangs für Aufregung gesorgt. Doch das ist Jahre her. Seither ist so etwas nicht mehr vorgekommen.

Minister will Fußfessel ausweiten - Experten unterstützen Vorschlag
Weil sich das System bewährt hat und weil dadurch die überfüllten Gefängnisse entlastet werden, will Justizminister Josef Moser die Fußfessel für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren ermöglichen. „Dadurch bieten wir den Insassen so bestmögliche Chancen, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Das spart der Justiz und den Steuerzahlern viel Geld“, so der Politiker.

Häftlinge können dadurch auch meist Wohnung und Arbeitsplatz erhalten. „Das ist wichtig“, assistiert Rechtsanwalt Christian Werner: „Manche werden durch die Fußfessel erst in einen geregelten Arbeitsprozess gezwungen und bleiben in der Firma, wo sie als Häftling waren, und auch in ihrem sozialen Umfeld.“

Nach dem Urteil entscheidet die Vollzugsanstalt über das weitere Vorgehen. Ein Beispiel: Ein Schuldspruch wegen eines Vermögensdeliktes, zwei Jahre Haft und es handelte sich um die erste Verurteilung des Beschuldigten. In diesem Fall muss er auch bisher schon nicht ins Gefängnis: Nach einem Jahr mit der Fußfessel wird die andere Strafhälfte in der Regel bedingt erlassen.

Daten & Fakten zur Fußfessel
Vor allem bei kleinen Vermögens- oder Drogendelikten werden Ansuchen nach Zuerkennung einer Fußfessel gestellt. Vom Verein „Neustart“ werden die Wohnungssituation und der Arbeitsplatz geprüft. Ein solcher ist zwingend notwendig. Ein Empfangsgerät überwacht genau jene Zeit, die der Häftling zu Hause sein muss. Dazu wird wöchentlich ein Zeitplan festgelegt. Außer der Arbeit sind Ausgänge nur in Notfällen erlaubt. Manche Empfangsgeräte verfügen auch über einen Alko-Tester.

Häftlinge können dann ohne Vorwarnung zur Kontrolle aufgefordert werden. Gleichzeitig wird der Proband fotografiert und das Bild automatisch abgeglichen, damit kein anderer bei der Kontrolle schwindelt. Unter den Trägern der Fußfessel befindet sich ein überproportional hoher Frauenanteil, vor allem für allein erziehende Mütter ein Vorteil.

Peter Grotter, Kronen Zeitung

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