Schadstoff-Debatte

„Diesel-Fahrverbote sind praktisch Enteignung“

Ausland
29.01.2019 12:03

Neuer Zündstoff in der Grenzwert-Debatte für Feinstaub und Stickoxide: Nachdem 100 Ärzte vor Kurzem an der Gesundheitsgefahr dieser Stoffe zweifelten, begrüßt nun Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) eine Neubewertung der Richtlinien. Auch in Deutschland lässt die Causa weiterhin die Wogen hochgehen. Der Vorsitzendes des Bundesverband mittelständische Wirtschaft in Deutschland sprach im Zusammenhang mit Diesel-Fahrverboten sogar von einer „Enteignung der kleinen und mittleren Unternehmen“. Hofers Pendant im Nachbarland, Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) warnte davor, dass die Vorgaben der EU „nicht auf Willkür basieren“ dürften.

Scheuer ist nämlich der Meinung, dass die geltenden Grenzwerte zu streng bemessen sind und gießt damit Öl ins Feuer der ohnehin schon hitzig geführten Debatte: „Wenn Recht und Gesetz einzuhalten ist, muss auch der Grenzwert verifizierbar sein.“ Zuspruch erhält er vom Bundesverband des deutschen Mittlestand - Firmen könnten sich nämlich oftmals eine Erneuerung des Fuhrparks nicht leisen: „Solange die Grenzwertdiskussion anhält, dürfen die kleinen und mittleren Unternehmen nicht durch Fahrverbote praktisch enteignet werden“, so Mittelstandspräsident Mario Ohoven.

Hofer: Menschen durch Fahrverbote in Mobilität eingeschränkt“
„Die Gesundheit der Menschen ist ein hohes Gut - geltende Grenzwerte müssen aber einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten“, sieht Verkehrsminister Norbert Hofer den Sachverhalt ähnlich wie Scheuer. Ihm ginge es dabei vor allem um Mobilität: „In Deutschland wurden aufgrund von Grenzwertüberschreitungen bereits Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhängt - über diese können die Städte selbst bestimmen. Manche Menschen, die sich aus finanziellen Gründen kein neues Auto leisten können, wurden dadurch von einem Tag auf den anderen in ihrer Mobilität eingeschränkt.“

Lungenärzte zweifelten Gesundheitsgefahr durch Abgase an
D
ie Fronten unter Medizinern und Verkehrsexperten sind verhärtet: Grund ist ein Positionspaper, das 100 deutsche Lungenfachärzte vergangene Woche veröffentlicht hatten. In diesem wird behauptet, es gebe derzeit keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide. Die Studien zur Gesundheitsbelastung seien “methodisch fragwürdig“. Der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid beträgt derzeit 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Skeptische Mediziner in der Kritik
Die skeptischen Mediziner gerieten jedoch selbst in Kritik: Diese hätten in ihrem Papier keinen wissenschaftlichen Beweis präsentiert und somit das gemacht, was sie selbst vorwerfen: Ihre Behauptungen würden nicht auf seriösen Studien beruhen. Der Fachmann und Experte für Gesundheitsrisiken durch Luftschadstoffe, Nino Künzli, gab außerdem zu bedenken, dass die Unterzeichner des Papiers keine Experten aus dem Gebiet seien und nie wissenschaftlich gearbeitet hätten. Einige Autoren hätten außerdem eine Nähe zur Automobilindustrie. In sozialen Medien wird sich über das Positionspaper sogar mittlerweile lustig gemacht.

Osten Europas wird zur Müllhalde für „dreckige“ Autos
Durch die Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten ist der Selbstzünder mittlerweile unter den Autofahrern zunehmend unbeliebt geworden. Dadurch entsteht ein neues Problem: Ältere Dieselfahrzeuge landen oft im Osten Europas - zum Leidwesen von Umweltschützern. Denn in den Abnehmerländern wie Tschechien, Polen, Kroatien oder Serbien fehlt das Bewusstsein für Luftschadstoffe, Umweltzonen oder Fahrverbote gibt es hier nicht.

Laut einer Marktuntersuchung des Gebrauchtwagenhändlers AAA Auto, einem der Großen in der Branche in Mittelosteuropa, stammen 63 Prozent der in Tschechien inserierten Importgebrauchtwagen aus Deutschland - und 60 Prozent der importierten Gebrauchtwagen haben einen Dieselmotor. In der benachbarten Slowakei lag der Diesel-Anteil sogar bei 78 Prozent. Umweltschützer warnen vor einer negativen Entwicklung: „Süd- und Mittelosteuropa darf nicht zur Müllhalde alter, nicht mehr benötigter und dreckiger, die Luft verschmutzender Produkte werden“, so Jan Pinos von tschechischen Bewegung Hnuti Duha.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele