Opfer erzählt

„Heute ist mein Tag zum Sterben“

Kärnten
20.01.2019 08:00

Lawinen, der „weiße Tod“. - In wenigen Tagen ist es genau 31 Jahre her, dass Ronnie Oberauner beim Tiefschneefahren verschüttet wurde. Er überlebte. „Niemand ist stärker als die Natur!“, warnt der Kärntner.

Ich liebe Skifahren, Skifahren ist mein Leben!“ Kein Hang, keine Pulverschneeabfahrt war Ronnie Oberauner zu steil oder zu gefährlich.

Bis zum 31. Jänner 1988.

Über Nacht hatte es knapp einen Meter Neuschnee gegeben. „Mit zwei Freunden sind wir in die Innerkrems gefahren und mit dem Sessellift hinauf auf den Grünleitennock“, erzählt Ronnie der „Krone“. Es herrschte Freude über den Neuschnee, viel Euphorie und vielleicht auch ein bisschen Übermut. Denn die drei Klagenfurter sprangen vom Lift direkt in den Tiefschneehang hinein.

„Kaum bin ich losgefahren, bekam ich schon einen gewaltigen Schlag auf den Rücken“, erinnert sich der heute 66-Jährige. Eine Lawine hatte sich gelöst.  „Ich wurde durch die Luft gewirbelt.“ Um Oberauner herum war es weiß. Sein einziger Gedanke: „Lieber Herrgott, lass die Lawine stehen bleiben!“

Kurz darauf wurde es totenstill. „Dann hörte ich jemand atmen. Hat es meine Freunde auch erwischt?“ Sekunden später wurde dem Klagenfurter klar, dass es sein eigener Atem war.

„Ich hatte keine Angst, keine Schmerzen, und ich realisierte, dass heute mein Tag zum Sterben sein wird. Meine Gedanken waren bei meiner Frau, bei meinem damals sechs Monate alten Kind. Mir wurde warm, und es kam mir vor, als ob mich etwas berührte. Ich fragte mich, warum sich Leute vor dem Sterben fürchten.“

Ronnie wurde bewusstlos. In der Zwischenzeit hatten seine Freunde, die nur teils verschüttet worden waren und sich selbst hatten befreien können, Alarm ausgelöst. Der Innerkremser Gastwirt und Bergretter Gotthard Moritz war mit seinem Lawinenhund „Woka“ der Erste am Unglücksort. „Der Fahrer des Pistengerätes hat uns zum Einsatzort gebracht“, erzählt er.

Eineinhalb Stunden in der Lawine gefangen
Der Hundeführer ging mit seinem Schäfer die Lawine ab, als „Woka“ plötzlich zu graben begann. Eine Stunde und 20 Minuten nach der Auslösung der Lawine.

„Nach weiteren zehn Minuten war ich aus meinem weißen Grab befreit“, schildert Oberauner, der eineinhalb Meter tief verschüttet war. Mittlerweile waren mehrere Einsatzkräfte vor Ort. Darunter auch Flugretter Felix Lobnig, inzwischen pensionierter Alpinpolizist und ehemaliger Postenkommandant von Bad Kleinkirchheim. „Ich habe den Verschütteten erkannt, weil er beim Skifahren immer einen auffälligen Skioverall getragen hat und ein ausgezeichneter Skifahrer war.“

Und dieser Overall dürfte Ronnie das Leben gerettet haben. Denn in der Lawine war der Anzug aufgebläht worden und hatte eine Atemhöhle geschaffen.

Lobnig: „Wir haben den Schwerverletzten in einen Bergesack gepackt und auf die Skipiste gezogen. Wir alle hatten Angst, dass er sterben würde.“ Denn Ronnie hatte sich in der Lawine sein Becken mehrfach gebrochen. Sein linkes Knie war zertrümmert.

Körpertemperatur nur noch 25 Grad
Der Polizeihubschrauber, gesteuert durch Pilot Hans Pletzer, flog den Verletzten ins Spital nach Klagenfurt. Oberauners Herz schlug nur noch alle 30 Sekunden. „Meine Körperkerntemperatur war auf 25 Grad gefallen, als sie mich ins Krankenhaus einlieferten“, erinnert sich der Kärntner.

Nur die Wenigsten glaubten, dass der Klagenfurter das noch überleben könnte. „Meine Frau wurde vom Krankenhaus mit dem Hinweis heimgeschickt, dass sie telefonisch verständigt wird, wenn ich verstorben bin.“

Doch das Ärzteteam gab alles. Es wurde Kontakt mit der Uniklinik Innsbruck aufgenommen, da diese mehr Erfahrung mit Lawinenopfern hatten. Zehn Stunden lang wurde Ronnie Grad um Grad „aufgetaut“ - erfolgreich.

Nach Tagen auf der Intensivstation, mehreren Operationen und weiteren 80 Tagen im Krankenhaus wurde Oberauner am 1. April entlassen. „Ich musste wieder gehen lernen, begann mit Radfahren, aber bereits am 15. August war ich auf dem Mölltaler Gletscher wieder Ski fahren.“ Ronnie hatte viel Glück. „Ich habe mich bei allen für meinen großen Leichtsinn entschuldigt. Mein Leben hat sich nach der Lawine stark verändert. Ich versuche, jeden Tag etwas Gutes zu tun.“

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