My Car is My Castle

BMW 5er GT: Fährst du noch oder wohnst du schon?

Motor
09.02.2010 16:26
BMW hat seine eigene „Fahr-losophie“, was das Konzipieren neuer Autos betrifft. Muss man immer erst eine Frage stellen, bevor jemand antworten darf? Wenn dem so wäre, gäbe es keinen X6. Und erst recht keinen 5er Gran Turismo, vulgo 5er GT. Es wären mir vorher noch viele Fragen eingefallen als die nach diesem – ja, was ist er eigentlich? „Der erste seiner Art“ sagt BMW; „ein VUS“, also ein „völlig unnötiges Schiff“ sagen die anderen. Eines ist jedenfalls klar: Der 5er GT polarisiert wie kaum ein anderer.
(Bild: kmm)

Diesem Wagen schaut man einfach nach, ob wohlwollend, ablehnend, verstört oder einfach nur neugierig. Wenn er rosa/himmelblau gestreift lackiert wäre, er würde an Ampel oder Tankstelle nicht wesentlich mehr auffallen. Wobei aus dem Inneren heraus eine deutliche Distanz zu spüren ist: die zwischen uns hier drinnen und denen da draußen. Klingt dekadent, ist es auch. Das ist genau das Gefühl, das der 5er GT vermittelt.

Fährst du noch oder wohnst du schon?
Er hat was von einer rollenden Burg auf großen Rädern, Geräusche werden wie durch dicke Wände gefiltert. Leider gilt das auch für Blicke nach draußen, denn das kleine, flache Heckfenster geht eher als Schießscharte durch, die C-Säulen hingegen als Bollwerke. Gegen Aufpreis gibt es Kameras nach vorn seitlich (grenzgenial beim unübersichtlichen Einmünden oder beim Heraustasten aus Hofeinfahrten) und hinten (leider ohne Gegensprechanlage). Ein Heckscheibenwischer wäre wichtig, ist den Münchnern aber wohl zu uncool.

Mitfahrer lieben das wohlig heimelige Gefühl auf der Rückbank, die Welt draußen ist weit weg, sogar wenn Papa den Kofferraum öffnet. Der 5er GT hat nämlich eine zweigeteilte Heckklappe (ähnlich wie im Skoda Superb), die weder Luft noch Lärm an die Insassen lässt, wenn nur der untere Teil aufschwingt. Allerdings öffnet sich dann auch nur eine kleine Luke, sodass man an ein Gepäckstück, das nahe an der Rückbank liegt, nur unter Verrenkungen herankommt. Allzu groß ist der Kofferraum aber ohnehin nicht, mit 440 l ist weniger Platz als im 3er Touring (nach Umklappen der sehr variablen Rücksitze bieten sich allerdings recht stattliche 1.700 l, mit senkrecht gestellten Rücksitzlehnen 590 l).

Wo der Platz von 9,50 m² Auto ist? Vor allem auf den Rücksitzen. Man muss Kindern vor dem Einsteigen den Basketball wegnehmen, es nervt sonst, wenn sie während der Fahrt ein Match austragen. Die Beinfreiheit ist sensationell und trotz der coupéhaften Dachlinie ist auch nach oben genug Luft.

Auch vorne sitzt man sehr großzügig und vor allem leicht erhöht, Mangel herrscht nur an Raum für den Kram des täglichen Lebens: Die Türablagefächer sind zu klein, das Handschuhfach nicht der Rede wert und das Fach in der Mittelarmlehne etwas umständlich. Dafür entschädigen die serienmäßige indirekte Beleuchtung, die überhaupt edle Anmutung und das großartige Navi-Display.

Was bei 14 Grad minus Außentemperatur noch besonders auffällt, ist, wie schnell es warm wird im Innenraum. Noch dazu sorgt die Sitzheizung (optional auch hinten) schnell für wohliges Räkeln.

Fährt schnell, verbraucht weniger als nichts
Schon mit der Einstiegsmotorisierung des Testwagens fühle ich mich bestens motorisiert. Der 530d GT leistet 245 PS, liefert 540 Nm von 1.750 bis 3.000/min und sprintet in 6,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, wenn man das möchte. Und das ganz entspannt, dafür sorgt die ziemlich brandneue 8-Gang-Automatik, die ihren Dienst beinahe unmerklich verrichtet. Klar kann man die Stufen auch manuell durchschalten, aber es ist völlig unnötig, sich diesen Stress anzutun. So schnell wie der Automat schalte ich nicht vom 8. in den 2.

Das Fahrwerk ist umso komfortabler, je schneller man fährt, und freut sich auch über schärfere Gangart. Der 5er GT ist zwar kein M5, ist aber beileibe nicht so schwerfällig, wie man beim Anblick dieses gewaltigen Zweitonners annehmen könnte. Ein Hoch auf die optionale Allradlenkung. Noch mehr Dynamik verspricht „Adaptive Drive“.

Verbraucht weniger als nichts
Bei aller Dynamik hält sich der Verbrauch in erstaunlichen Grenzen - und das hält einem der Wagen auch ständig vor Augen: Die bei BMW obligate Momentanverbrauchsanzeige wurde um einen blauen Bereich jenseits der Null erweitert. Geht der Fahrer vom Gas wandert der Zeiger da hinein und zeigt damit an, dass jetzt Energie zurückgewonnen wird. Man verbraucht also weniger als nichts. Unterm Strich kann man an der Tankstelle aber dennoch keinen Sprit ablassen, sondern füllt knapp 10 Liter pro 100 Kilometer ein. Auch weniger ist machbar, wenn auch 6,5 l/100 km Normverbrauch eine Herausforderung sind.

Über die Bezeichnung „5er GT“ müssen wir noch reden, aus zwei Gründen: Der 5er GT ist kein 5er, sondern ein 7er. Bis zur B-Säule sind die beiden identisch, dahinter kommt beim GT die (serienmäßige) Luftfederung. Sie sind mit 1,90 m gleich breit, mit 5,07 m streckt der 7er seinen Hintern um 7 cm weiter raus. Beim Preis liegt der Grand Turismo irgendwo dazwischen (Einstieg 61.500 Euro, Testwagenpreis mit Extras über 85.000 Euro).

Und dann das „GT“. GT-Fahrzeuge sind eigentlich Sportwagen, die ein Mindestmaß an Komfort und Platz bekommen haben, damit man mit ihnen längere Strecken leidlich schmerzfrei übersteht. Einen 5er GT kann ich mir auch mit großer Mühe nicht bei einem 24-Stunden-Rennen vorstellen (andererseits gibt es ja sogar Truck-Rennen). Tatsächlich muss man das G und das T wörtlich nehmen: also G für „groß“ und T für „Turismo“ im Sinn von Reise. Denn das ist sein Metier: schnelles komfortables Reisen.

Stephan Schätzl

Warum?

  • My car is may castle.
  • Weil ich’s hier warm habe, wenn ich mir zu Hause die Heizung nicht mehr leisten kann.

Warum nicht?

  • Weil ich nicht dauernd die Frage nach der nicht gestellten Frage hören will.

Oder vielleicht ...

  • ... BMW X6, X5.
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(Bild: kmm)



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