Grazer Oper: „Martha“

Tristes Trauerspiel im Irrenhaus

Steiermark
13.01.2019 16:14
Als ein Schäferspiel voller Sentiment und Koketterie hat Flotow seine „Martha“ komponiert. Regisseur Peter Lund hat daraus an der Oper Graz ein farbloses Trauerspiel in einer Irrenanstalt gemacht, das weder schlüssig noch stringent ist. Musikalisch kommt das Werk unter Robin Engelen ebenfalls nicht in die Gänge.

Auch wenn es sich Regisseur Peter Lund noch so sehr wünscht, „Martha“ ist nicht als Tragödie komponiert oder gedacht. Und so will seine Sozialkritik an den von der Gesellschaft Ausgestoßenen, die er in der verrucht-verufenen Irrenanstalt Bedlam im London des 17. Jahrhunderts ansiedelt, so gar nicht zur Musik und der im Libretto erzählten Geschichte passen. Mag es noch angehen, dass der depressive Lionel von Anfang an dort untergebracht ist. Dass er sich dort in Lady Harriet, die sich mit ihren reichen Freunden beim Besuch der Anstalt herrlich über die Irren amüsiert, verliebt. Aber spätestens wenn am Markt die Mägde angeboten werden und Lionel Martha (Lady Harriet gönnt sich einen spaßigen Ausflug in die Arbeitswelt) ersteigert, fängt die Sache zu haken an. Da bleiben mehr ungelöste Fragen übrig, als diesem mit dem Vorschlaghammer übergestülptem Konzept guttun.

Oberflächlicher Spaß
Dazu kommt noch der höchst oberflächliche Spaß, den Lund mit der Überzeichnung der dekadenten Adeligen zelebriert – größtes Opfer ist da wohl Wilfried Zelinka, der den Lord Tristan als tölpelhaften Modegecken anlegen „darf“.

Personenführung sucht man in dieser Inszenierung so vergebens wie eine logische Handlung. Warum sich Lady Harriet und Lionel ineinander verlieben sollten, bleibt eines der großen Mysterien dieses Abends. Dabei würden Kim-Lillian Strebel, die ihren klaren Sopran perlen lässt und es sogar schafft, Affektiertheit in ihre Stimme zu legen, und Ilker Arcayürek, dessen Tenor manchmal etwas gepresst klingt und der bei „Ach so fromm“ auch ein wenig mit der Höhe zu kämpfen hat, ein durchaus attraktives Opernpaar abgeben.

Da haben es die temperamentvolle Anna Brull mit ihrem warmen Mezzo als Nancy/Julia und der wie immer stimmstarke und spielfreudige Peter Kellner als Plumkett als zweites, leichtfüßigeres Paar schon etwas einfacher. Ihnen nimmt man die Zuneigung ab – vielleicht auch deshalb, weil ihnen die Sozialkritik nicht so aufgedrückt wird.

Dirigent lässt Zügel schleifen
Überhaupt würde der Abend besser funktionieren, wenn aus dem Orchestergraben spannende Akzente kämen. Doch Dirigent Robin Engelen lässt sowohl bei den Grazer Philharmonikern als auch bei Sängern und Chor die Zügel schleifen, das Tempo verpuffen. So klingt alles ziemlich behäbig, unsauber und auch wenig differenziert.

Aufwändig sind dafür Bühne (Ulrike Reinhard) und Kostüme (Daria Kornysheva) gestaltet. Alles in allem aber hat man die Chance vertan, Flotows „Martha“ für ein heutiges Publikum attraktiv zu machen. Schade!

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