Weitere Evakuierungen

Vorräte in eingeschlossenen Orten sind erschöpft

Steiermark
09.01.2019 19:30

Der morgendliche Kaffee mit Milch, die warme Semmel oder Klopapier - Dinge, die man aus dem täglichen Leben nicht wegdenken will, sind in manchen Regionen der Steiermark absolute Mangelware. Neben den Katastrophengebieten Hohentauern und Pölstal hat auch Radmer mit einem Versorgungsengpass zu kämpfen.

Rund 2200 Menschen sind in der Steiermark von der Außenwelt abgeschnitten, in Radmer, westlich von Eisenerz gelegen, sind es seit Sonntag 530. Ein Ende der Sperre ist nicht in Sicht, alleine seit Jahresbeginn fielen vier Meter Schnee - und in den nächsten Tagen kommt wieder einiges hinzu.

„Wir beschäftigen uns mit Schneeschaufeln. Wir versuchen regelmäßig, die Dächer abzuschaufeln, wofür ich der Feuerwehr sehr dankbar bin“, so Bürgermeister Ludwig Gottsbacher. Wie lange es noch genügend Essen für die Bewohner gibt, weiß das Gemeindeoberhaupt nicht.

„Spätestens am Freitag wird es richtig eng mit den Lebensmitteln. Wir haben zwar einen Nahversorger im Ort, der eine große Bestellung in Auftrag gegeben hat. Aber diese Grundnahrungsmittel stehen bei der Feuerwehr in Admont, und nun müssen wir darauf warten, dass sie zu uns geflogen werden können.“

„Nur Nebel, keine Chance“
Ein einziger Bundesheer-Flug (ein Ortsansässiger bekam Sauerstoff geliefert) nach Radmer war am Montag möglich, diesen nutzte Gottsbacher auch, um sich selbst ein Luftbild von der Lage zu machen. „Nur Nebel, keine Chance, um eine Abschätzung über die Situation auf den Bergen abzugeben“, erzählt er.

Pensionistin kümmert sich um Pflegerin
Trotz der tagtäglichen Ungewissheit, wann die Sperre endlich endet, freut sich der Bürgermeister auch über das Zusammenrücken in seiner Gemeinde: „Die Pflegehelferin einer 84-Jährigen hatte sich erst kürzlich die Hand gebrochen. Nun wird die Pflegerin wiederum von der rüstigen Einheimischen gepflegt.“

Kriseninterventionsteam ist nun in Sölk gefordert
100 Kilometer weiter südwestlich in der Gemeinde Sölk musste das Kriseninterventionsteam bereits tätig werden: Eine ältere Dame, die alleine lebt, begann wegen des Ausfalls der Wasserleitung am Telefon zu weinen. Und in einem Einfamilienhaus drückten die Schneemassen ein Dachflächenfenster ein, eine Mutter und ihr Kind waren danach mit den Nerven am Ende.

Lebensmittelversorgung bis Wochenende gesichert
Katastrophenschutzreferent Michael Schickhofer (SPÖ) beschrieb am Mittwoch geordnete Situationen in den zum Katastrophengebiet erklärten steirischen Kommunen. In der Gemeinde Hohentauern sind rund 750 Menschen - 466 Einheimische und 284 Urlauber - eingeschlossen. Die Stimmung unter ihnen sei ruhig und die Lebensmittelversorgung werde von den landwirtschaftlichen Betrieben der Gemeinde bis zum Wochenende gesichert. Auch Hackgutmaterial für Fernwärme sowie Diesel für Einsatzfahrzeuge stünden noch bis zum Wochenende in ausreichender Menge bereit.

Die Hausapotheke des Arztes gilt ebenfalls als gefüllt und Medikamente reichen ebenfalls bis zum Wochenende. Die Bewohner seien telefonisch erreichbar und haben Strom. Rund 30 Helfer von Feuerwehr und Bergrettung helfen beim Abputzen der Hausdächer.

Die Gemeinde Pölstal ist im Gegensatz zu Hohentauern grundsätzlich erreichbar, jedoch sind rund 25 Bewohner in 13 Gebäuden im Ortsteil St. Johann am Tauern weiterhin nicht am Straßenweg erreichbar. Sie werden von der Gemeinde Hohentauern mit Medizin und Lebensmitteln mitversorgt. Bei der Gemeinde Pusterwald sind die Zufahrtsstraßen offen, ein Erkundungsflug war aber in dem Gebiet bisher nicht möglich. Fünf Bauernhöfe mit 22 Bewohnern in Hinterwinkel sind allerdings nur schwer erreichbar. Ein Bus mit 50 polnischen Urlaubern sei am Montag abgereist.

236 Menschen wurden bereits evakuiert
Auch wenn vorerst noch keine Wetterbesserung in Sicht ist (in der Obersteiermark ist am Donnerstag wieder ein halber Meter Neuschnee prognostiziert), so gibt es doch einige Hoffnungsschimmer. Nachdem am Mittwoch zwei Flüge inklusive einer Rettung möglich waren, soll ein Wetterfenster am Freitag für möglichst viele Lawinensprengungen genutzt werden. Definitiv nicht möglich wird nach einer Besichtigung eine Sprengung in Hohentauern sein, weil dadurch Siedlungsgebiet verschüttet werden würde. Rund 750 Menschen sind hier noch eingeschlossen.

Evakuiert werden konnten am Mittwoch in Niederstuttern (Gemeinde Stainach-Pürgg) 25 Personen und in der Gemeinde Mitterberg/St. Martin 40 Menschen aus 18 Häusern. Am Vorabend wurden in Eisenerz elf Menschen aus fünf Einfamilienhäusern in Sicherheit gebracht. In Summe wurden damit bereits 236 Menschen in der Steiermark evakuiert, ein Ende ist nicht absehbar.

1000 Schüler bleiben daheim
Wegen der Wettersituation geschlossen bleiben weiter einige Schulen: die HAK Liezen, der Schulcluster Erzherzog Johann in Bad Aussee, das Stiftsgymnasium Admont, die Volksschulen Rohrmoos-Untertal und St. Nikolai/Sölktal. Betroffen sind etwa 1000 Schüler.

„Not-Energie“ für die Obersteiermark
Die Energie Steiermark sprach bisher von nur wenigen Stromausfällen in der Steiermark: „Wir gehen jedoch von einer möglichen, deutlichen Verschärfung der Situation in den kommenden Tagen aus, daher haben wir die Einsatzteams aufgestockt und alle verfügbaren Kräfte in der Obersteiermark zusammengezogen. Darüber hinaus sind in den letzten Stunden auch Notstromaggregate aus den Regionen im Süden in die betroffenen Unwettergebiete gebracht worden. Zunehmende Schneelasten auf den Bäumen und allfällige Sturmböen könnten in nächster Zeit zu einer Bedrohung für das Leitungsnetz werden.“

Besonderes Augenmerk der Monteure gelte den Bewohnern in den eingeschlossenen Orten - hier würde eine Unterbrechung der Stromversorgung die Situation zusätzlich deutlich verschärfen. Vor allem das Erreichen der einzelnen Gebiete und der von Schäden betroffenen Stromleitungen sei eine „große Herausforderung“. Sich in den Wäldern aufzuhalten sei teilweise sehr gefährlich, schweres Gerät in die betroffenen - teilweise sehr entlegenen - Regionen zu bringen nur in enger Kooperation mit den Einsatzkräften vor Ort möglich.

Feuerwehren voll gefordert 
Die steirischen Feuerwehren sind seit den Schneefällen in der vergangenen Woche gefordert. Knapp 1300 Männer und Frauen von rund 100 Wehren leisteten bisher ihren freiwilligen Hilfsdienst. 

Allein Mittwochvormittag waren 20 Feuerwehren mit etwas über 200 Einsatzkräften im Dienst. Der Großteil der Feuerwehren befindet sich im Bereichsfeuerwehrverband Liezen. Die Hauptaufgaben der Wehren bestanden bisher in Fahrzeugbergungen, dem Beseitigen umgeknickter Bäumen, Unterstützungsarbeiten für den Einsatz von Bundesheer-Hubschraubern, Versorgungsfahrten für eingeschlossene Personen, Evakuierungsunterstützung, Freiräumen von Wasserbezugsstellen und - punktuell - Schneeräumung von Dächern, die einer „Gefahr-in-Verzug-Situation“ unterlagen.

„Die steigende Schneelast auf dem Dach bereitet so manchem Hausbesitzer in der nördlichen Obersteiermark Sorgen. Deswegen häufen sich in den letzten Stunden auch die Anrufe bei den Feuerwehren. Grundsätzlich sollte sicher aber jeder besorgte Hausbesitzer, der Zweifel hegt, ob sein Dach dem Schneedruck gewachsen ist, zunächst etwa an Statiker, Architekten, Dachdecker, Zimmerer oder auch an den Maschinenring wenden, ehe der Feuerwehr-Notruf gewählt wird“, empfahl Landesfeuerwehrkommandant Reinhard Leichtfried. 

Man wolle vermeiden, Feuerwehr-Mitglieder unnötig in Gefahr zu bringen. „Leider hat sich in den letzten Tagen in Einzelfällen auch gezeigt, dass Leute an die Feuerwehren herantreten und um Unterstützung bitten, einfach aus dem Grund heraus, um sich die Kosten der gewerblichen Schneeräumung zu ersparen“, so Leichtfried.

Zusätzliche Kräfte aus schneefreien Gebieten
Auch das Rote Kreuz hat zusätzliche Hilfe in den betroffenen Gebieten angeboten. So sind Freiwillige aus Graz, Graz-Umgebung und Leibnitz in die Obersteiermark aufgebrochen, um kräftig anzupacken.

Alexander Petritsch
Alexander Petritsch
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