Album „Soul On Fire“

The Last Internationale: Rock‘n‘Roll mit Wut

Musik
11.01.2019 07:00

Mehr als vier Jahre hat es gedauert, bis das New Yorker Rockduo The Last Internationale das lang erwartete zweite Album „Soul On Fire“ ans Licht der Öffentlichkeit bringen konnte. Delila Paz und Edgey Pires haben uns im Interview erzählt, woran das lag, wie sehr sie sich im Musikbusiness verändert haben und weshalb es trotzdem kein Ende für den Rock‘n‘Roll gibt.

(Bild: kmm)

Coolness und Kompromisslosigkeit sind gemeinhin zwei Termini, die sehr stark mit dem Rock’n’Roll verknüpft waren. Viele Jahre war es üblich, mit Brusthaaren, wallender Löwenmähne und hautengen Lederhosen über die Bühnen zu stolzieren und trotzdem gehaltvolle Texte gegen Krieg, Kapitalismus und gesellschaftliche Umbrüche ins Publikum zu schleudern. Über die Jahre ist der Rockmusik der Nimbus des Aufständischen etwas verlustig gegangen, im Untergrund, abseits all der gesättigten Festivalheadliner und Kurzzeithitlieferanten. Inmitten dieser wichtigen Querulanten befindet sich das New Yorker Duo The Last Internationale. Unvergessen etwa ihre Österreich-Livepremiere beim Frequency Festival 2015, wo Sängerin Delila Paz und Gitarrist Edgey Pires eine ganze Armada nackter Menschen auf die Bühne holte und das verloren geglaubte Gefühl des Rockig-Ruchlosen für einen kurzen Moment wieder hervorkehrten.

Was lange währt, wird endlich gut
„Der Gig ist ja immer noch sehr populär auf YouTube und meines Wissens noch nicht einmal verpixelt“, lacht Sängerin Paz im Interview mit der „Krone“, „das ist heutzutage schon eine Seltenheit. Im Endeffekt war das eine wilde, heiße Rockshow, wie sie irgendwann 1986 das letzte Mal stattgefunden haben muss. Genau so muss das auch ablaufen.“ Ein Wiedersehen gab es letzten Sommer beim Nova Rock. Kurioserweise aber noch immer mit keinem neuen Album im Gepäck, sondern mit dem altbekannten Material des Debüts „We Will Reign“ (2014) und ein paar neuen, noch weithin unbekannten Songs. Das sollte sich zumindest bis zum nächsten Wiedersehen geändert haben, denn der lang ersehnte und unzählige Male verschobene Nachfolger „Soul On Fire“ wurde von der Band selbst via Pledge Music endlich in Umlauf gebracht. Mit dem Branchenriesen Sony Music hat man nach einer desaströsen Zusammenarbeit eher harsch gebrochen.

„Immer wenn wir E-Mails von Sony bekamen, war etwas Negatives darin“, erinnert sich Pires an die unbefriedigende Kooperation zurück, „es kamen so Inhalte wie: ,Hey, warum habt ihr das so und so gemacht und den Leuten ans Bein gepisst?‘ oder ,Hey, ihr könnt die Songs dort und da nicht veröffentlichen, denn wir haben einen Exklusivvertrag mit iTunes‘. Die viel zitierte künstlerische Freiheit war am Ende nichts mehr als eine Illusion. Ich weiß mit Sicherheit, dass das bei vielen anderen Bands ebenso der Fall ist, aber wir haben da einfach nicht mehr mitgespielt.“ Die elendslangen Streitereien und Sticheleien gingen nicht ganz spurlos am Duo vorüber. Die eingangs erwähnte Coolness leidet zwar nicht nach außen, ein Umdenken bezüglich des Musikbusiness hat bei The Last Internationale aber unweigerlich Einzug gehalten.

Messer im Rücken
„Wir sind damals von New York nach Los Angeles gegangen und lebten den verdammten Künstlertraum. Nach vier Monaten gab es schon den Majordeal, der Vertrag klang perfekt und das Management prophezeite uns eine große Karriere. Ich habe mich so gefreut, dass ich sogar meine Mutter anrief, um ihr vom Sony-Deal zu erzählen - es lief einfach alles perfekt“, reflektiert Pires die Aufbruchsstimmung. „Im Rückspiegel sehe ich das natürlich anders. Wir hatten eine tolle Single, die Sony aus den Radios holte, man hat uns nicht vermarktet und beinhart hängengelassen. Ich tat mir lange schwer damit die Enttäuschung über Menschen zu überwinden, die dir ins Gesicht lachen und gleichzeitig das Messer in den Rücken rammen. Die Erfahrung lehrte uns aber, rationaler und selbst kälter zu agieren. Heute ist es wesentlich leichter Dinge beim Namen zu nennen und selbst mal nein zu sagen.“

Paz ergänzt: „Heute blicke ich leichter hinter die Fassade, das fiel mir anfangs schwer. So viele Typen kommen wirklich charismatisch rüber, loben dich über den grünen Klee, versuchen dich aber unterbewusst zu verändern. Ich traue uns selbst und den wenigen Leuten in unserem engen Zirkel dafür umso mehr. Die wichtigste Lehre aus dem Ganzen ist, dass wir falsche Leute viel leichter erkennen.“ „Soul On Fire“ soll nun aber die Rückkehr in bessere Zeiten sein. Ein Comeback ohne vorherigen Abschied und ein Beweis, dass sich der knackigste Rock’n’Roll nicht von geschäftlichen Rückschlägen verhindern lässt. „Wir haben das Album selbst produziert und uns viel Zeit genommen, um den Sound und die Texte besser und tiefgründiger zu gestalten. Das Album ist in allen Bereichen ein Fortschritt und es klingt mehr nach uns als Liveband. Wir wollten einen intensiven Rausch der Emotionen und Songs wie ,Hard Times‘ oder ,Freedom Town‘ beweisen das.“ Nur der propagierte Anti-Trump-Song hat es schlussendlich nicht aufs Album geschafft. Der Grund dafür ist ganz profan: „Uns ist einfach das Geld ausgegangen“, lacht Pires.

Wut im Bauch
Doch es wären nicht The Last Internationale, wenn es zum Entstehungsprozess nicht auch noch andere Stolpersteine gegeben hätte. In diesem Fall die Vorbereitungszeit in Los Angeles. „Wir waren eine Zeit lang künstlerisch am Boden. Die Songs entstanden in einer tumultartigen Zeitspanne“, erklärt der Gitarrist, „die Stadt ist eine verdammte Schlangengrube. Jeder, mit dem du etwas Essen gehst könnte ein hinterhältiger Bastard sein, der dich aussaugen will. Die Stadt ist wie ein Kriegsgebiet für Künstler. Jeder will dich nach deinem Gutdünken instrumentalisieren und in eine gewisse Richtung drehen. Jeder fragt dich, wie es dir geht und nie ist etwas dahinter. Überall nur affektiere Scheißfreundlichkeit.“ Mit der Wut im Bauch rockt es sich am besten - „Soul On Fire“ eben.

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