Katastrophengebiete:

Über den Wipfeln braut sich weiter Unheil zusammen

Steiermark
09.01.2019 06:45

Seit Montag sind die beiden Nachbargemeinden Pölstal und Hohentauern Katastrophengebiet. Während die Lawinenkommission auch hier immer lauter über die höchste Warnstufe 5 nachdenkt, rücken die Menschen ganz eng zusammen, um ihre gewaltigen Herausforderungen zu meistern. Und die Bürgermeister warnen nochmals eindringlich: „Totalsperre ist Totalsperre!“

Sanft und friedlich schwebt der Schnee herunter ins Pölstal. Wenn nicht gerade eine wilde Sturmböe durchs unendliche Weiß fegt, liegt die Landschaft totenstill da. Und man kann es förmlich spüren: Irgendwo da oben in diesem Grau, in dem sich der Fichtenwald verliert, braut sich das Unheil zusammen. „Wenn da jetzt noch einer hinaus geht und es passiert was, ich schwör’, ich lass ihn sitzen’“, sagt einer. Die Runde nickt. Niemand will, dass die Einsatzkräfte für ein paar Leichtsinnige ihr eigenes Leben riskieren.

Gaststube gut geheizt
Auch wenn die meiste Zeit der Schmäh rennt, ist die Stimmung angespannt beim Bruckenhauser im Ortsteil St. Johann. Es ist eines der letzten Häuser, die noch erreichbar sind - mit Allrad und Schneeketten. Die Wirtsleute haben ihre alte Gaststube eingeheizt für die Lawinenkommission. Die 82-jährige Hausherrin Katharina Fruhmann-Kirchgasser, die vor 30 Jahren aus Filzmoos ins Pölstal gezogen ist, hat derartige Schneemassen hier noch nicht gesehen. „Aber ich mach’ mir keine Sorgen. Im Notfall haben wir ein paar Gefriertruhen voll mit Vorräten. Ich schaue, dass die Kommission ein Essen hat. Um alles, was draußen ist, kümmert sich mein Mann.“

Was die Lage bedrohlich macht
Auch Josef Fruhmann, der den Parkplatz vor der Tür mit der Schneeschaufel freihält und die beratenden Einsatzkräfte mit Kaffee versorgt, nimmt es gelassen. Der 84-Jährige ist in diesem Haus aufgewachsen. Er kann sich sehr wohl an Winter mit größeren Schneehöhen erinnern. „Aber das liegt daran, dass der Boden heuer weich ist, da sinkt der Schnee nach.“ Genau das macht die Lage so bedrohlich. „Die Bindung der einzelnen Schneeschichten ist ja gar nicht schlecht“, erklärt Lawinenkommissionsleiter Markus Ernst, der gerade ein Schneeprofil erstellt hat. „Aber weil es zu Weihnachten getaut hat, ist der Boden nicht gefroren. Dadurch haben wir ganz unten eine Gleitschicht.“

Komplett eingeschlossen
Das sei extrem gefährlich, runzelt Ernst die Stirn. „Wenn was herunterkommt, dann gleich alles.“ Nicht umsonst sei die Weingruber-Siedlung vor Tagen evakuiert worden. Die Häuser dort würden von einer großen Geierkogel-Lawine, so der klingende Name, schlicht hinweggefegt werden. Die 35 Menschen, die noch weiter das Tal hinauf wohnen, sind komplett eingeschlossen. Sie werden von Hohentauern aus mitversorgt.

„Spitzt sich zu“
Überhaupt arbeiten die beiden Katastrophengemeinden Hohentauern und Pölstal eng zusammen, um Versorgung und Sicherheit aller zu gewährleisten. Das betonen auch die beiden Bürgermeister nach ihrer Krisensitzung mit den Einsatzkräften. „Es spitzt sich zu“, fasst Ortschef Alois Mayer aus Pölstal zusammen. „Am Montag haben wir die Katastrophe ausrufen müssen, jetzt dürfte bis Donnerstag noch einmal ein halber Meter dazukommen. Wo soll das nur hinführen?“

Mit Kindern durch Lawinenzone
In Hohentauern, das schon länger eingeschlossen ist, sei die Stimmung noch recht gut, berichtet der dortige Bürgermeister Heinz Wilding. „Die Leute bewahren Ruhe. Jeden zweiten Tag rufen wir alle zusammen und informieren über die Lage.“ Wichtig sei nur, dass sich alle an die Regeln halten. „Totalsperre heißt Totalsperre! Wenn manche denken, sie müssten so dringend nach Trieben hinunter zur Arbeit, dass sie mit ihren Kindern zu Fuß durch die Lawinenzone gehen, dann fehlen mir die Worte.“

Matthias Wagner
Matthias Wagner
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