Politiker gehackt

Schüler (20) gesteht den Mega-Datendiebstahl

Digital
08.01.2019 12:43

Nach dem groß angelegten Datendiebstahl bei Politikern und weiteren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Deutschland ist ein 20-jähriger Mann als Tatverdächtiger vorübergehend festgenommen worden. Die Festnahme erfolgte bereits am Sonntag, wie das deutsche Bundeskriminalamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. Zuvor sei die Wohnung des Manns in Mittelhessen durchsucht worden. In seiner Vernehmung gab der Beschuldigte an, aus Verärgerung über öffentliche Äußerungen der vom Datendiebstahl Betroffenen gehandelt zu haben.

Der Beschuldigte sei sehr computeraffin, verfüge aber über keine entsprechende Ausbildung etwa als Informatiker, sagte Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk. Der Mann habe viel Zeit damit verbracht, sich am PC bestimmte Kenntnisse anzueignen. Durch „ausgeklügelte Vorgehensweise“ sei es dem Täter gelungen, die Daten auszuspähen. Es habe nicht nur eine, sondern mehrere Ausspähaktionen gegeben, vor allem im Jahr 2018. Zudem habe er Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen zusammengetragen.

„Das ganze Ausmaß seiner Aktion war ihm offenbar gar nicht bewusst“, sagte ein Ermittler dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Der 20-Jährige, der noch bei seinen Eltern lebt, war am Sonntag in Mittelhessen festgenommen worden, mangels Haftgründen sei er am Montagabend wieder auf freien Fuß gesetzt worden. 

Bei den Durchsuchungen habe es keine Hinweise auf eine politische Motivation für die Taten gegeben, diese Frage sei aber noch nicht abschließend geklärt. Die bei Durchsuchungen beschlagnahmten Beweismittel wie Computer und Datenträger würden nun umfassend ausgewertet. Ein Computer, den der Verdächtige beiseite geschafft habe, sei gefunden worden. Auf die Spur gekommen seien die Fahnder durch Zeugenaussagen und „digitale Spuren“, die der junge Mann offenbar im Internet hinterlassen hatte.

Strafmaß ungewiss
Da der Beschuldigte noch als Heranwachsender gilt, fällt er laut Oberstaatsanwalt Ungefuk unter das Jugendstrafrecht. Hier sei verschärft zu prüfen, ob Untersuchungshaft notwendig sei. Auch sei unklar, was dem Beschuldigten für Strafen drohten. Bei Erwachsenen stehen bis zu drei Jahre Haft für Ausspähen, bei Datenhehlerei bis zu drei Jahre und Geldstrafen. Bei Jugendlichen könne es eine Jugendstrafe geben, aber auch erzieherische Maßnahmen, Arrestmaßnahmen oder Erziehungshilfen.

Gestohlene Daten auf Twitter veröffentlicht
Der Tatverdächtige hatte über das inzwischen gesperrte Twitter-Konto @_Orbit im Dezember zahlreiche persönliche Daten von Politikern und Prominenten als eine Art Adventkalender veröffentlicht. Manche Informationen hatte er auch schon früher ins Netz gestellt. Das wurde allerdings erst in der Nacht auf vergangenen Freitag öffentlich - und somit auch vielen Betroffenen - bekannt.

Rund 1000 Politiker, Prominente und Journalisten sind nach Angaben des Innenministeriums von dem Online-Angriff betroffen. Etwa 50 Fälle seien schwerwiegender, weil größere Datenpakete wie Privatdaten, Fotos und Korrespondenz veröffentlicht worden wurden. Die deutsche Regierung will aus dem Fall Konsequenzen ziehen und die Cyber-Sicherheit verbessern. Dazu soll in den nächsten Monaten unter anderem ein „Cyber-Abwehrzentrum plus“ geschaffen werden.

Falsche Spur nach Russland?
Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerkes Deutschland bekamen Opfer der Online-Attacken in den vergangenen Tagen Anrufe mit Nummern aus Russland. Die Anrufer blieben aber anonym. Sicherheitskreise zweifelten, ob die Anrufe von den Urhebern des Angriffs kamen und nicht möglicherweise von Trittbrettfahrern, um einen Verdacht auf russische Nachrichtendienste zu lenken.

Kritik an Innenminister Seehofer
Innenminister Horst Seehofer gratulierte den Sicherheitsbehörden zu ihrem schnellen Ermittlungserfolg. Mit seiner zögerlichen Reaktion auf den Skandal hatte sich Seehofer viel Kritik eingehandelt. Tagelang höre man nichts von Seehofer, dabei sei dieser der politisch Verantwortliche, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger am Montag.

Auch die SPD nimmt den Minister in die Pflicht. „Beim BSI (Bundesamt für Informationstechnik, Anm.) herrscht Kommunikationswirrwarr, und diese Behörde untersteht dem Bundesinnenminister“, sagte der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka der „Passauer Neuen Presse“ vom Dienstag. Lischka beklagte zugleich die Zersplitterung der für die IT-Sicherheit zuständigen Behörden und forderte eine bessere Koordination und klare Verantwortlichkeiten.

„Schutz privater Kommunikation nicht Aufgabe des BSI“
Im Gegensatz zu Lischka stellte sich der CDU-Innenpolitiker Phlipp Amthor hinter das BSI. „Es ist unsachlich und greift zu kurz, jetzt einseitige Kritik am BSI zu üben“, sagte Amthor der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Behörde habe die gesetzliche Aufgabe, die IT-Sicherheit der Staatsorgane des Bundes zu schützen. Der Schutz der privaten Kommunikation von Amtsträgern gehöre bisher hingegen nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des BSI.

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