Peter Hacker im Talk:

„Das sind die letzten Schatten der Vergangenheit“

Wien
05.01.2019 06:01

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) über die Causa Kopietz, den Wien-Bonus, die Mindestsicherung und Seifenoper-Buben ...

„Krone“:Herr Hacker, welche Diagnose stellen Sie als Gesundheitsstadtrat dem Patienten SPÖ und was ist die richtige Therapie zur Genesung?
Peter Hacker: Ich glaube, dass die SPÖ kein wirklicher Patient ist. Die SPÖ ist halt eine Organisation mit einer unglaublichen Tradition und hat wie alle großen Organisationen einen permanenten Kampf zwischen Beharrung und Veränderung. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, aber wir haben uns für meinen Geschmack viel zu lange mit uns selber beschäftigt. Das ödet die Menschen an.

Alleine beim Thema Mindestsicherung zeigt sich eine multiple Persönlichkeitsstörung. Hans Peter Doskozil findet das türkis-blaue Modell größtenteils in Ordnung, Sie sind ein Kritiker der Pläne?
Das stört mich nicht, das ist Meinungsvielfalt. Wir sind ja keine politische Klonfabrik. Wenn es zu bestimmten Themen nicht mehr unterschiedliche Meinungen gibt, dann entsteht Stillstand, denn dann gibt es keine intellektuelle Auseinandersetzung mehr.

Mit der Causa Kopietz und den Luxus-Gagen hat sich die Partei jedenfalls ein heftiges Magengeschwür eingefangen. Ist die Stadt Wien für viele rote Funktionäre zu einem Selbstbedienungsladen geworden?
Das sind die letzten Schatten der Vergangenheit. Ich selbst musste eine riesige Sozialreform machen vor 20 Jahren, weil wir gewusst haben, dass wir einen nicht professionellen Umgang mit unseren Organisationen haben. Und das sind die letzten Auswirkungen und massiv ärgerlich.

Die letzten Auswirkungen oder doch ein System?
Das ist mir zu übertrieben. Wäre es ein System, dann wäre es intelligenter organisiert. Es ist nur deppert und unerträglich.

Versorgungsjobs für die Ex-Stadträte Sandra Frauenberger, Andreas Mailath-Pokorny und Renate Brauner. Ist die Wiener Sozialdemokratie vor allem zu sich selbst sozial?
Die spannende Frage ist, soll das Leben für Politiker nach der Politik zu Ende sein? Kann man eh machen. Dann muss sich das Volk dazu bekennen, dass jeder nach der Politik die große Volkspension erhält. Wenn wir wollen, dass danach alle auswandern, wird wohl keiner in die Politik gehen.

Zwischen Auswandern und Versorgungsjob gibt es ja auch noch etwas dazwischen.
Ja? Beispiel?

Es gibt bestimmt andere Möglichkeiten als etwa bei Renate Brauner, die bis zu ihrer Pension einen hoch dotierten Versorgungsjob ausübt, den es vor ihr nicht gab und den es nachher wohl auch nicht mehr geben wird.
Ich finde, jemand zu haben, der sich auf europäischer Ebene mit dem Thema Daseinsvorsorge beschäftigt, klug. Das hat nichts mit Renate Brauner zu tun, aber ich finde, dass sich alle Großstädte intensiver mit dem Thema EU beschäftigen müssen. Wir überlassen das den Bundesregierungen - und das ist nicht schlau.

Man hat den Eindruck, dass die Wiener SPÖ seit dem Sommer unter Bewegungsmangel leidet. Wo sind die großen Visionen für die Stadt, wo ist das Innovative, die generationenübergreifenden Ideen des neuen SPÖ-Teams?
Ich finde das nicht. Wir sind seit einem halben Jahr im Amt, und wenn man einen Job übernimmt, ist es eine Frage der Seriosität, dass man sich zuerst einarbeitet. Es gibt natürlich die Schreihälse, die machen einen neuen Job, und es ist so eine männliche Eigenschaft, die schreien dann: ,„Ugah! Ugah! Ich hab Feuer gemacht.‘“ Mit dem fange ich nichts an. Die Wiener warten nicht darauf, dass wir beginnen, die Ringstraße umzubauen. Viele Menschen machen sich Sorgen über den Weg, den die Bundesregierung geht.

Trotz der Dauerkritik der Wiener Stadtregierung ist Türkis-Blau nach wie vor in Österreich ungebrochen beliebt. Woran kann das liegen?
Ich glaube nicht, dass sie ungebrochen beliebt sind. Laut Umfragen geht es den Blauen ganz schön schlecht. Die Türkisen leben gut auf Kosten der Blauen. Und wie lang die Türkisen auf Kosten der Schwarzen leben werden, das wird sich innerhalb der ÖVP ganz bald entscheiden. Ich glaube, das geht keine zwei Jahre mehr gut. Denn die wirklich großen Einschnitte sind ja bis jetzt nur Ankündigungen, all die Auswirkungen kommen ja erst.

Im Gemeindebau werden Wiener vor Zuzüglern bevorzugt? Der Bürgermeister will das ausweiten. Wird es in Ihrem Ressort einen Wien-Bonus geben?
In der Gesundheitspolitik grundsätzlich nicht, weil wir auch eine 15a-Vereinbarung haben, in der wir uns bereit erklärt haben, auch Aufgaben für die Bundesländer zu übernehmen. Wir werden das aber evaluieren, ob wir uns noch in der Dimension dessen bewegen, was wir mit den Ländern und dem Bund vereinbart haben oder ob wir über diesen Rahmen weit drüber sind. Ich lese aus den Kontrollberichten, dass wir teilweise sehr drüber sind.

Wo ist Wien schon drüber?
Es gibt Behandlungen, die extrem teuer sind. Da ist schon sehr auffällig, dass sie besonders häufig in Wien stattfinden für Menschen, die in den Bundesländern zu Hause sind. Etwa bestimmte Krebsbehandlungen, da kostet eine Injektion 100.000 Euro.

Bedeutet das, dass einem Niederösterreicher diese Krebsbehandlung in Wien nicht mehr möglich ist.
Möglicherweise. Aber man wird nicht den Rollbalken runterziehen können, sondern man wird über diese Grundvereinbarung in eine Debatte gehen. Da halte ich nichts von Rabaukenpolitik.

Kommt ein Wien-Bonus bei der Mindestsicherung?
Es wird noch eine heiße Debatte mit der Bundesregierung werden. Aber das ist ein gutes Beispiel, wo es möglicherweise einen Wien-Bonus gibt.

Sie haben lange für und mit dem damaligen Bürgermeister Helmut Zilk gearbeitet. Was konnten Sie von ihm lernen?
Viel. Er hat aus einem Rotzlöffel ein denkendes Individuum gemacht, das ist meine Erinnerung an ihn. Ich lernte querzudenken, Rhetorik natürlich, Auftritt. Helmut Zilk hat einen Raum nicht betreten, er hat den Raum erfüllt. Und er hat sich nichts gepfiffen.

Was macht Michael Ludwig besser als Helmut Zilk?
Er macht es ganz anders. Er passt besser in die heutige Zeit als Helmut Zilk. Michael Ludwig hat einmal gesagt, sein Job wird mehr die Koordination des Teams sein. Das ist doch eine tolle Selbstdefinition. Das passt ins 21. Jahrhundert.

Helmut Zilk hat einmal gesagt: „Wenn hier einer Asyl sucht und dann an Kinder Kokain verkauft, dann gehört er raus.“ Sehen Sie das auch so?
Sehe ich auch so. Zurecht verlangen wir von den Menschen, die zu uns kommen, dass sie sich einbringen in unsere Gesellschaft. Dazu zählt, die Spielregeln zu akzeptieren. Und dazu gehört, dass man niemanden eine in die Goschen haut und niemanden etwas wegnimmt. Außerdem sind wir ja auch die Partei der Arbeit. Es ist selbstverständlich, dass es ein dichtes soziales Netz gibt, aber der Grundkonsens ist: Für uns ist klar, wenn wir in einer freien Demokratie leben wollen, heißt es, jeder geht arbeiten. Und jeder, der sich in unserer Gemeinschaft bewegen will, muss diesen Konsens teilen. Und wer nicht, hat hier nichts verloren.

Partei der Arbeit. Der vielleicht zukünftige Vizebürgermeister, ÖVP-Minister Gernot Blümel, hat gesagt, dass sich die SPÖ immer mehr in eine Partei der Arbeitslosen verwandelt. Was sagen Sie dazu?
Süß. Solche intellektuellen, tiefschürfenden Formulierungen kommen heraus, wenn Buben in einer Seifenoper Regierung spielen. House of Cards. House of Ballhausplatz.

War aber sehr erfolgreich, die Serie House of Cards.
Eh. Super. Ich fand’s auch toll. Zumindest die ersten zwei Staffeln, dann wurde es öde. So wird es uns mit der Bundesregierung auch gehen. Die erste Staffel ist gut.

Die erste Staffel Bundesregierung ist gut?
Sie machen es gut. Die Seifenoper läuft super. Ein Bundeskanzler mit Ministrantenstimme, der gerade ein halbes Jahr lang nichts zusammengebracht hat in Europa, aber das gut verkauft hat. Das muss man einmal zusammenbringen. Die machen eine gute Marketingarbeit.

Ihr Kurs innerhalb der Partei steigt von Monat zu Monat. Was würden Sie als Bürgermeister in der Stadt Wien verändern?
Völlig wurscht. Die Frage stellt sich gar nicht.

Michel Pommer, Kronen Zeitung

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