Krabbenfang

An der Nordseeküste die Pferdefischer bewundern

Reisen & Urlaub
09.01.2019 08:00

An der belgischen Nordseeküste gehen noch ein paar Fischer mit Pferden auf Krabbenfang. Ein archaisches Bild: Mächtige Tiere, mit deren geduldiger Hilfe die köstlichsten kleinen Krabben aus dem Meer geholt werden.

Die Möwen warten schon. Die Vögel wissen, dass auch für sie ein Leckerbissen abfällt, wenn die Pferde mit den Schleppnetzen aus dem Wasser kommen.

Es ist ein einzigartiges Schauspiel am Sandstrand von Oostduinkerke an der belgischen Nordseeküste. „Duke“, ein Ehrfurcht gebietendes Belgisches Kaltblut, stapft gleichmütig in die Wellen. Weder die kreischenden Möwen noch die neugierigen Touristen, die durch den Schlick stapfen, stören ihn. Auf seinem Rücken thront in gelbem Ölzeug der Fischer. Gefischt wird mit einem bis zu acht Meter langen Schleppnetz, das die Pferde hinter sich herziehen. Die Krabben werden damit auf dem Meeresgrund aufgescheucht, springen hoch, landen in den Netzen, und damit ist ihr Schicksal als Leckerbissen besiegelt. Normalerweise reiten die „Paardenvissers“ zwei, drei Stunden durch die Wellen der Nordsee. Immer bei Ebbe, wenn das Meer den kilometerlangen flachen Strand auf Hunderte Meter freigibt.

„Duke“ und seine Kollegen ziehen die Netze durch brusttiefes Wasser. „Nicht jedes Pferd ist für das Fischen geeignet“, erzählt sein Besitzer Eddy d’Hulster. „Ob sich ein Tier im Wasser wohlfühlt, merkt man gleich. Aber die Ausbildung dauert dann noch ein paar Monate.“ „Duke“ hat sie mit Bravour bestanden. D’Hulster arbeitet seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Pferdefischer. „Damals waren nur noch mein Vater und ich mit den Tieren unterwegs. Es ist eine schwere Arbeit.“ Mittlerweile sind es wieder an die 15 Männer, die mit ihren Tieren ins Meer hinausreiten.

Bis zu 35 Kilo der kleinen grauen Nordseegarnelen gehen einem Paardenvisser an einem Arbeitstag ins Netz. Auf dem Hof werden die Krabben dann in Salzwasser gekocht. Färben sich die Garnelen rosa, sind sie fertig. Vor den Genuss haben die Götter allerdings das Schälen gesetzt: Wer einen kleinen Becher der nur ein paar Zentimeter langen Tierchen geschält hat, weiß, warum sie in Feinkostläden ein Vermögen kosten.

Plötzlich entdeckt D’Hulster zwischen den kleinen eine wahre Monstergarnele, besser bekannt als Shrimp. Freude hat er damit aber keine, denn sie ist ein Zeichen dafür, dass das Wasser immer wärmer wird: „Die Shrimps leben normalerweise in den Gewässern um Spanien. Jetzt findet man sie immer öfter bei uns.“

Die Pferdefischer gibt es in der Bucht von Oostduinkerke schon seit Hunderten von Jahren. Sie waren aber nicht die Einzigen, die es auf die Garnelen abgesehen hatten: Die Frauen der Fischer mussten oft zu Fuß mit großen Netzen ins kalte Nass. Denn ihre Männer waren monatelang mit den Booten bis zu den Fischgründen vor Island unterwegs. Da waren die Krabben ein willkommenes Zubrot. Im kleinen Navigo-Museum in Oostduinkerke lässt sich das harte Leben der Fischer und ihrer Familien in früheren Zeiten eindrücklich nachvollziehen.

Gleich nebenan in der Museumsgaststätte De Peerdevisscher geht es fröhlicher zu. Nach dem mühseligen Krabbenschälen gibt es zur Belohnung das dunkle herbe Pferdefischerbier und die berühmte „frituur“ aus frischen Seezungen – ein Schlemmermahl, natürlich mit den allgegenwärtigen Pommes frittes. Auch wenn es in den prachtvollen Städten wie dem französischen Lille oder dem belgischen Brügge vor Hauben- und Sternengekrönten Lokalen nur so wimmelt, gehören die frittierten Kartoffel ebenso zu Flandern wie die Belfrieds, die markanten Glockentürme.

Daran ändert auch nichts, dass sich mittlerweile Frankreich, Belgien und die Niederlande die alte Grafschaft Flandern teilen. Die gehörte einst auch zum Haus Habsburg: 1477 fiel Flandern durch die Heirat von Maximilian, dem letzten Ritter, mit Maria von Burgund an die Habsburger, die bis 1795 dort herrschten.

Und ihre Spuren hinterließen, sei es in der Geschichte oder in den Geschichten. So sollen die Schwäne in Brügge es heute noch Kaiser Maximilian verdanken, dass sie besonders umhätschelt werden. Der war – stets in Geldnöten – in der Stadt erschienen, um Steuern einzutreiben. Gegen den Willen der Einwohner half ihm dabei der Bürgermeister mit Namen Peter Lanckhals, der dies mit dem Tode büßte. Doch Maximilian rächte sich: Er zwang die Bürger dazu, bis in alle Ewigkeit die „Langhälse“ – sprich: Schwäne – auf ihren Kanälen zu pflegen.

Kanäle, in deren Wasser sich die mittelalterliche Stadt spiegelt, gibt es genügend. Sie sei „ein Venedig des Nordens“, wird Brügge nachgesagt – auch was den Ansturm der Touristen betrifft. Denn Brügge hat den Anschein einer gotischen Metropole, auch wenn nicht alles so alt ist, wie es aussieht. Im 19. Jahrhundert waren die Stadtväter jedoch so vorausschauend, dem Stadtbild einen einheitlichen Charakter zu verpassen: Neubauten müssen sich seither mit Stufengiebel und Kreuzfenstern tarnen.

Doch es bleiben genügend Prachtbauten aus alten Zeiten zu bewundern. Nach der Gründung im 9. Jahrhundert war Brügge durch den Handel reich geworden. Das „flämische Tuch“ war heiß begehrt. Aus dieser Zeit stammt der Grote Markt, überragt vom 83 Meter hohen Belfried, der die Macht des selbstbewussten reichen Bürgertums symbolisierte. Eines der ältesten Gebäude ist die „Heilig-Blut-Kapelle“, zumindest im Inneren: In einem silbernen Reliquiar wird hier eine Ampulle mit dem Blut Christi aufbewahrt, die ein Kreuzritter aus Jerusalem mitgebracht haben soll.

Die Kreuzzüge sollen auch Anlass für die Gründung des Beginen-Hofes im 13. Jahrhundert gewesen sein: Hier konnten Frauen alleine leben und arbeiten. „Es waren eigentlich die ersten Emanzen“, meint Stadtführerin Micheline: „Bedingung war, dass nie ein Mann in diesen Häusern übernachten durfte.“

Ob sich die Beginen dafür das Leben mit Schokolade versüßten? „Chokolaterien“ sind an jeder Ecke zu finden. Darunter auch die von Shok-o-latier Dominique Persoone, dem Popstar unter den Pralinen-Erzeugern. Er erfand für die Rolling Stones einst einen „Chocolate Shooter“ zum Schnupfen von Schokoladepulver.

Weit größer als Brügge ist Lille, das französische Schmuckstück Flanderns. Auch Lille verdankt seine Bedeutung im Mittelalter dem Handel und dem Tuchmachergewerbe. Davon zeugen die Prachtbauten am Grand Place, die Alte Börse und die Handelskammer, die mit einem eigenen Belfried ihre Bedeutung demonstriert. Denn Lille hat sogar noch einen zweiten Belfried: Der 104 Meter hohe Rathausturm, erst 1932 im Art-Déco-Stil errichtet, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und bietet eine atemberaubende Aussicht.

Doch Lille hat auch eine bezaubernde Altstadt mit verträumten Plätzen und Gassen, kleinen Beisln – hier Estaminets genannt – und der Konditorei Meert mit ihren verführerischen Waffeln.

Nicht zu vergessen: Das Palais der schönen Künste ist nach dem Louvre in Paris das zweitgrößte Museum Frankreichs. Dank einer kundigen Führerin erwachen die Bilder von Rubens, Van Dyck und Goya zum Leben. Man sieht erst, was man weiß, sagt ein altes Sprichwort. Wie wahr das ist, erleben wir vor einem Marmorrelief von Donatello: Staunend entdecken wir, dass der Bildhauer auf nicht einmal einen Zentimeter Tiefe bis zu sieben verschiedene Ebenen dargestellt hat.

Waltraud Dengel, Kronen Zeitung

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