Mit Seznam.cz

Gallisches Dorf: Tschechen trotzen Googles Macht

Digital
02.01.2019 14:02

Google ignorieren und das eigene Ding durchziehen: So schildert Pavel Zima das Erfolgsrezept von Seznam.cz. Die tschechische Online-Plattform gilt vielen als Beweis, dass nationale Player sehr wohl den internationalen Giganten die Stirn bieten können. Leicht habe es Seznam vor allem auf mobilen Geräten aber nicht immer, sagt Zima. Entscheidend sei der Fokus auf die User.

Suchmaschine, Nachrichten, E-Mail, Karten, Immobilien, ein Wörterbuch, Kleinanzeigen, Firmen, Radio und Videos oder Fahrpläne: In Tschechien braucht man das Portal von Seznam.cz eigentlich kaum zu verlassen, wenn es darum geht, den Online-Alltag zu bewältigen. Gestartet ist man 1996 als Web-Directory mit Volltextsuche - daher auch der Name, deutsch „Liste“ oder „Verzeichnis“.

Google war auf Tschechisch nicht zuverlässig
Eine Google-Suche war in Tschechien lange Zeit eine frustrierende Angelegenheit, zu wenig treffsicher waren die Ergebnisse im Vergleich zu Seznam. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Doch nach wie vor schätzt der stellvertretende Vorstandschef Zima das Verhältnis Google zu Seznam auf fifty-fifty - „am Desktop“, wie er im Interview am Rande einer Konferenz des Nachrichtenagenturnetzwerks MINDS, gehostet von der tschechischen Agentur CTK, betont.

„Mobil dominiert Google wegen Android.“ Seznam hat zwar einen eigenen Browser für Android-Handys im Angebot, doch bisher seien die Verhandlungen mit Mobiltelefon-Herstellern wie Samsung über eine Integration erfolglos verlaufen. Zima hofft auf weitere Schritte der EU-Kommission, die bereits 2018 eine Strafe über Google verhängte.

„Wir ignorieren sie einfach“
Generell aber findet es Zima „nicht so schwierig, Google oder anderen internationalen Giganten die Stirn zu bieten. Wir ignorieren sie einfach. Es geht darum, auf das eigene Produkt und die User zu fokussieren. Wir haben den Fokus nie verloren.“ Vor bald 20 Jahren habe es „viele lokale Champions wie uns“ gegeben. Die meisten hätten sich aber von Telekommunikations-Konzernen aufkaufen lassen und den Blick auf die User verloren. „Das war der Anfang vom Ende als große lokale Player.“

Mit umgerechnet rund 50,27 Millionen Euro beziffert Zima den Gewinn des Unternehmens (2017), man zählt 1350 Mitarbeiter und erreicht eigenen Angaben zufolge täglich 95 Prozent der tschechischen Online-Bevölkerung bzw. 6,5 Millionen Unique Users pro Monat. Der Konzern steht, nach einem zwischenzeitlichen Engagement internationaler Investoren, seit 2016 wieder zu 100 Prozent im Besitz des Gründers Ivo Lukacovic.

„Die Tschechen sind sehr konservativ“
Seznam.cz profitiert freilich sowohl vom geschlossenen Sprachraum als auch von der Tatsache, „dass die Tschechen sehr konservativ sind“, wie es Zima unverblümt formuliert. „Das ist der Schüssel für den Erhalt unserer Marktposition. Aber wir müssen zugleich innovativ bleiben.“

Den nächsten großen Medienwandel erwartet er für das Fernsehen. Im Jänner soll Seznam TV starten. Nur ein Anfang: Die Durchdringung mit Smart TV steigt auch in Tschechien. „Interaktion mit dem Zuschauer über das Internet: Das ist der Medientyp, auf den wir warten“, umschreibt er die aktuelle Strategie. Audio ist ebenfalls Thema, zuletzt wurden Lokalsender im Großraum Prag zugekauft. Bedient werden die Kanäle mit eigenen Inhalten, denn Seznam.cz verstehe sich als Content- und Technologiekonzern zugleich, betont Zima.

Wenig Interesse an „europäischem YouTube“
Rein gar nichts hält er von Überlegungen für europäische Konkurrenzplattformen zu den internationalen Konzernen. Ein „europäisches YouTube“ wurde etwa vergangenen Herbst ventiliert. „Ich halte diese Denkweise für komplett falsch: Ein erfolgreiches Konzept, nur mit weniger, mit europäischem Content, zu kopieren - was soll das bringen?“ Die Giganten agierten erfolgreich global, „ich sehe keine Möglichkeiten für eine europäische Marke mit derselben Funktionalität. Wir müssen ein besseres, anderes Produkt machen und damit die User ansprechen.“

Sehr wohl Anstrengungen auf europäischer Ebene erhofft sich Zima im Steuerrecht. Berechnungen zufolge habe Google in Tschechien im Jahr 2017 gerade einmal acht Millionen tschechische Kronen (309.382,01 Euro) an Steuern gezahlt, Seznam.cz das Vielfache. „Google und Facebook machen große Geschäfte in ganz Europa und zahlen keine Steuern. Das muss sich ändern.“

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