Maria Lankowitz:

Wo Strafgefangene ein Wirtschaftsfaktor sind

Steiermark
29.12.2018 21:48

In Maria Lankowitz leben Bewohner und Strafgefangene nebeneinander und auch miteinander. Viele Unternehmen greifen auf die Arbeitskraft der Häftlinge zurück.

Seit über 160 Jahren wird in Maria Lankowitz Strafvollzug betrieben. Als Außenstelle der Justizanstalt Graz-Karlau werden hier auf einem Gutshof Häftlinge im gelockerten Vollzug auf ihre Freiheit intensiv vorbereitet. Das heißt: Sie arbeiten in der Landwirtschaft, verdienen als Tagelöhner und in Betrieben in der Nähe etwas Geld. „Fährt der Traktor mit Justizwache-Kennzeichen und einem Häftling am Steuer durch den Ort, dann ist das für jeden ganz normal“, sagt Gerhard Derler, der Leiter der Außenstelle.

Keine dicken Gefängnismauern
Die Insassen führen in Maria Lankowitz ein anderes Gefängnisleben. Hier wirken keine dicken Gefängnismauern wie eine strafende Festung. Die Männer sind für sich selbst verantwortlich, müssen selbstständig aufstehen, kochen, putzen, Wäsche waschen und pünktlich zur Arbeit erscheinen. Dennoch stehen sie unter strenger Kontrolle. Geht etwas daneben, müssen sie in die Karlau zurück.

Arbeit bekommen sie von steirischen Betrieben. Viele wollen offiziell aber nicht mit den Gefangenen in Verbindung gebracht werden. Eine, die ganz offen damit umgeht, ist Isabella Glarcher vom Installations- und Wellnessunternehmen Glarcher & Pfleger in Krottendorf (Bezirk Voitsberg). „Wir sind ständig auf der Suche nach Installateuren. In unserer Branche ist es schwer, Mitarbeiter zu finden“, erzählt sie.

„Wir sind ständig auf der Suche“
Als sie wieder einmal auf der Suche war, kam sie mit Josef Ulz, dem stellvertretenden Kommandanten in Maria Lankowitz, ins Gespräch. Er wusste rasch einen geeigneten Häftling. „Anfangs war ich skeptisch und, wie meine Mitarbeiter, ihm gegenüber sehr distanziert. Ich wusste ja nicht, was er gemacht hat. Und ich glaube, es war auch besser so. Er selbst war von Anfang an freundlich und hilfsbereit. Mit der Zeit bin ich aufgetaut. Im Endeffekt war er einer, von dessen Fleiß sich viele andere etwas abschauen können“, trauert die Geschäftsfrau dem ehemaligen Häftling nach. „Sofort hätte ich ihm eine fixe Anstellung gegeben, aber er wollte nach der Haft zu seiner Familie, die nicht hier lebt.“ „Es ist schön, dass es Firmen gibt, die erkannt haben, dass sich viele Häftlinge bessern und dass es so leichter ist, ein normales Leben zu führen“, ist auch Karlau-Anstaltsleiter Josef Mock dankbar.

Aber auch Privatpersonen können Häftlinge für Arbeiten heranziehen. Eine, die das nutzt, ist die ehemalige Justizwachebeamtin Anneliese Haas: „Ich bin nicht mehr so jung und froh, wenn sie das Heu auf meinem Grundstück bearbeiten. Manchmal gibt’s dazu auch eine Zigarette und einen Kaffee“, lächelt die rüstige Frau. Skandale kann sich die Außenstelle in Maria Lankowitz keine leisten: „Ein einziger würde reichen, und wir könnten zusperren“, verdeutlicht Ulz. 

Betriebe brauchen noch mehr Häftlinge
Die Nachfrage nach gefangenen Arbeitskräften ist groß. „Wir können bei Weitem nicht alles abdecken“, sagt Ulz, der sowohl Hilfs- als auch Facharbeiter losschickt. So gut wie alle werden nach ihrer Entlassung von den Betrieben übernommen, sei es in der Metallindustrie, im Handel oder im Gastgewerbe.

Nur ein kleiner Teil ist unverbesserlich
„Die Insassen Andreas und Bernhard (Namen geändert) gehen in Maria Lankowitz einer geregelten Arbeit nach. Andreas ist Mechaniker, Bernhard Elektriker. “Es ist ein großer Vorteil, wenn man ein Stück Normalität leben kann. Im Zellenhaus in der Karlau geht das nicht. Jeder, der nur etwas Hirn besitzt, würde das genauso machen", sind sich die beiden, die am Ende einer langen Haftstrafe stehen, einig.

Einig sind sie sich auch darüber, dass das Maria Lankowitzer System viel mehr unterstützt gehört. „Im richtigen Gefängnis wird man zu wenig gefördert. Hier aber kann man sich selbst auf die Füße stellen. Wir wissen, dass man uns vorverurteilt. Aber um urteilen zu können, muss man jede einzelne Geschichte kennen. In die Kriminalität schlittert man oft schneller, als man denkt!“

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