Bischof Krautwaschl

„Wir dürfen die Leute am Rand nicht vergessen“

Steiermark
24.12.2018 17:00

Von „stiller Zeit“ ist im Advent keine Rede mehr. Konsumrausch und Stress dominieren die Vorweihnachtszeit. „Oft ist Weihnachten schon ,fertiggefeiert‘, bevor das eigentliche Fest beginnt“, sagt Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl mit kritischem Unterton. Für ihn ist der Heilige Abend ein Tag der Besinnung, an dem man auch auf die Schwächsten der Gesellschaft nicht vergessen darf.

„Krone“:  Herr Bischof, was macht für Sie den Zauber von Weihnachten aus?
Bischof Wilhelm Krautwaschl: Der Zauber ist für mich, dass unabhängig davon, wer sie aufnimmt und wo er sie aufnimmt, die Botschaft von Weihnachten für alle einen Inhalt hat: ein kleines Kind, außerhalb der Stadt geboren, eine Situation, die nicht die rosigste ist, das Dunkle in der Zeit der Wintersonnenwende. Das ist eine zeitlose Geschichte, die für alle Bevölkerungsschichten Gewicht hat.

Wie verbringen Sie den Heiligen Abend?
In der Früh feiere ich die Rorate, dann besuche ich zum bereits dritten Mal mit dem Landeshauptmann ein Pflegeheim der Caritas und ein SOS-Kinderdorf. Am Nachmittag gibt’s mich live im Radio zu hören, und dann freue ich mich auf die Christmette im Dom.

Ist das nicht stressig?
Ich habe weit weniger zu tun als ein normaler Pfarrer. Es macht mir einfach Freude, mit Menschen zu feiern. Mich stresst vielmehr, dass Weihnachten oft schon vorher „fertiggefeiert“ ist. Dabei fängst es erst an!

Ist das Weihnachtsfest für Sie ein anderes als jenes Ihrer Kindheit?
Ja, sicher. Weil die Menschen, mit denen ich feiere, andere sind. Und weil das Faszinierende, das Geheimnisvolle Kinder anders begreifen als Erwachsene. Was nicht anders geworden ist, ist freilich die Grundbotschaft von Weihnachten.

Was ist Ihre Weihnachtsbotschaft an die Steirer?
Ich wiederhole da die Worte unseres Diözesanjubiläums: Du bist nicht allein. Gott ist mit dir. Das ist eine Botschaft, die mir Kraft und Boden unter den Füßen gibt. Meine Einladung an die Menschen lautet: Gebt Gott eine Chance!

Nicht jeder kann sich einen reich gedeckten (Gaben-) Tisch leisten. Was sagen Sie jenen Menschen, die Weihnachten in Armut verbringen?
Ich kann jenen Menschen nur sagen: Es gibt Hoffnung. Das letzte Wort ist über dich noch nicht gesprochen. Und es heißt für mich als Verantwortungsträger auch, dass ich solchen Menschen nicht aus dem Weg gehe, sondern ihnen auf Augenhöhe begegne. Wir bekommen von den Armen, von den Bedrängten das Evangelium neu interpretiert. Ich kann nur dazu ermutigen, auch Not zu teilen. Not ist nichts Schlechtes! Ich bin übrigens gerade aus Indien zurückgekommen, und da ist mir aufgefallen, dass jene mehr teilen, die nichts haben

Das heurige Jahr war für die steirische Kirche ein ereignisreiches - Stichwort 800-Jahre-Jubiläum der Diözese. Wie fällt Ihr Resümee aus?
Wenn ich an die vielen Bühnen in den Regionen denke, glaube ich, dass es uns gut getan hat, hinauszugehen. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir uns mit unserer Botschaft, was Gott, was Jesus Christus anbelangt, nicht verstecken müssen.

Die katholische Kirche in der Steiermark wird und muss sich neu aufstellen, um der demografischen Entwicklung, dem Priestermangel zu begegnen. Was ist zu tun?
Das Wichtigste hat mit der Botschaft zu tun, die wir zu verkündigen haben: Wir müssen lernen, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln unsere Botschaft unter die Menschen zu bringen. Es verlangt flexiblere Systeme, und da hoffe ich, dass uns die Strukturen, die wir über die Steiermark neu legen, dabei helfen.

Türkis-Blau ist jetzt ein Jahr im Amt. Sind Ihre Wünsche an die Bundesregierung erfüllt worden oder nicht?
Wer bin ich, dass ich der Regierung Vorschläge mache? Wir verkündigen unsere Botschaft, und daraus entstehen Inhalte, die wir als Bischöfe nicht müde werden zu vermitteln. Aus der Botschaft von Weihnachten heraus möchte ich Verschiedenes in Erinnerung rufen: Wenn Jesus außerhalb der Stadt, also nicht im Fünf-Sterne-Hotel, geboren wurde, dann heißt das: Vergessen wir die Leute am Rand nicht! Politiker müssen aufs Ganze des Landes schauen: Da gibt es diejenigen, die sie in die Verantwortung hineingewählt haben, und diejenigen, die mit ihnen nicht viel anfangen können. Auch sie müssen gesehen werden. Die Frage ist: Wie gehen wir mit denen um, die anders denken, anders fühlen? Es geht ums Gemeinwohl, Minister dienen dem Staat. Und wenn ich mir einzelne Abschiebungen anschaue, muss ich schon daran erinnern, dass es manchmal um Familien geht.

Vor 200 Jahren wurde „Stille Nacht, Heilige Nacht“ zum ersten Mal gesungen. Ist es auch für Sie DAS Weihnachtslied?
Es ist DAS Lied. Und man singt es auch anders, je nach Lebenssituation. Es gab Jahre, da musste mein Vater als Bestatter immer am Heiligen Abend Selbstmörder abholen. An solchen Tagen singst du „Stille Nacht, Heilige Nacht“ eine Spur anders, auch wenn Text und Melodie gleichbleiben. Was da besungen wird, ist inhaltlich großartig: Da ist ein Kind, das dich mitten in der Not, mitten im Elend anlächelt. Das Lächeln niemals verlieren, das ist doch eine schöne Botschaft zum Heiligen Abend.

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