15 Tage verschüttet

Retter bergen 16-jährige Studentin auf Haiti

Ausland
28.01.2010 07:47
Auch 15 Tage nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti haben Rettungskräfte noch eine Überlebende aus den Trümmern geborgen: Die 16-jährige Darlene Etienne wurde am Mittwoch aus einem eingestürzten Wohnhaus in der Nähe der Universität St. Gerard in Port-au-Prince gerettet. Sie ist nach Angaben von Ärzten stark ausgetrocknet und hat ein gebrochenes Bein. Möglicherweise hatte sie Zugang zu Wasser aus einem Badezimmer des eingestürzten Hauses.

Nach Angaben der französischen Rettungskräfte sagte Etienne, sie habe außerdem etwas Cola bei sich gehabt. Das Rettungsteam versorgte die Jugendliche mit Sauerstoff und brachte sie zunächst in ein Feldkrankenhaus und dann auf ein Lazarettschiff. Nachbarn hatten am Mittwoch Etiennes Stimme gehört und die Behörden alarmiert. Sie hatte in einem Hohlraum zwischen einer eingestürzten Wand und einer Tür überlebt.

Rettungshelfer Claude Fuilla sagte, wenn Etienne nicht gefunden worden wäre, wäre sie vermutlich wenige Stunden später gestorben. "Sie konnte nicht richtig mit uns sprechen und sagen, wie lange sie dort war", erklärte Fuilla. "Sie hat mit sehr schwacher Stimme gesprochen, sie war extrem geschwächt." Der Blutdruck der 16-Jährigen sei sehr niedrig gewesen.

"Haben gedacht, sie wäre tot"
Etiennes Familie erklärte, die 16-Jährige habe erst kurz vor dem Erdbeben ihr Studium in St. Gerard aufgenommen. Eine Cousine des Mädchens, Jocelyn A. St. Jules, sagte: "Wir haben gedacht, sie wäre tot." Der französische Botschafter Didier de Bret bezeichnete Etiennes Rettung als Wunder.

Nachbeben-Opfer am Dienstag geborgen
Erst am Dienstag bargen haitianische Rettungskräfte einen Mann, der seit einem der Nachbeben unter den Trümmern eines Geschäftes in der Innenstadt lag. Nach Mitteilung des US-Militärs wurde der 31-Jährige eher zufällig bei Aufräumarbeiten entdeckt. Der Mann war nicht bei dem ersten schweren Erdstoß der Stärke 7,0 am 12. Jänner verschüttet worden, sondern bei einem Nachbeben. Zuerst hatte es so ausgesehen, als ob Ricot Duprevil bereits zwei Wochen lang in dem Schutt gelegen hätte.

Die US-Soldaten seien damit beschäftigt gewesen, Trümmer beiseite zu räumen, als sie den Mann entdeckten. Er habe ein gebrochenes Bein und leide an Austrocknung. Duprevil werde von US-Medizinern behandelt, hieß es in einer Mitteilung des US-Militärs.

Bereits vergangenen Samstag war elf Tage nach dem Beben noch der junge Wismond Exantus aus den Trümmern eines Gebäudes gerettet worden. Zuvor hatte er mit Klopfzeichen auf sich aufmerksam gemacht. Auch er hatte nur so lange unter der Ruine überleben können, weil er in einem Hohlraum eingeschlossen war und Getränke und Essen fand. Bei dem Beben kamen nach Schätzungen der haitianischen Regierung etwa 150.000 Menschen ums Leben. Die Zahl der Toten dürfte jedoch noch steigen.

UNICEF plant riesige Impfkampagne
Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF plant unterdessen zusammen mit der Regierung von Haiti eine riesige Impfkampagne. Ziel sei es, 600.000 Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren gegen Masern, Tetanus und Diphtherie zu immunisieren, teilte die Organisation in Paris mit. Die Verteilung von Wasser und Essen an vom Erdbeben betroffene Familien laufe unterdessen weiter auf Hochtouren.

Plünderungen von Lebensmittellastwagen
Haitianische Polizisten versuchten am Dienstag mit Warnschüssen, die Plünderung von Lebensmittellastwagen zu verhindern. Ein Konvoi von drei mit Reis beladenen Kleinlastern fuhr in der Hauptstadt Port-au-Prince an einem der Obdachlosen-Camps vorbei, als plötzlich Hunderte junger Männer und Frauen auf die von Polizisten bewachten Lastwagen zustürmten und begannen, Reissäcke von den Ladeflächen zu zerren. Sie ließen sich von den zahlreichen Schüssen nicht beeindrucken. Verletzt wurde niemand. "Unser größtes Problem bei der Verteilung von Lebensmitteln ist, dass wir nicht genügend Sicherheitskräfte haben", sagte der Sprecher der UN-Mission auf Haiti, MINUSTAH, der brasilianische Oberstleutnant Fernando Pereyra.

Große Camps für Hunderttausende Obdachlose
In Port-au-Prince gibt es derzeit über 300 wilde Camps von Obdachlosen auf Straßen, freien Flächen und in Parks. Insgesamt sollen so 500.000 Menschen leben. Die UN wollen rund Hunderttausend von ihnen außerhalb der Hauptstadt in zehn großen Camps unterbringen. Wie die Sprecherin der UN-Mission für Migration, Njurka Pineiro, sagte, haben die Arbeiten an einem der Standorte im Osten bereits begonnen. Beobachter vor Ort gehen davon aus, dass die Mehrzahl der Menschen die Stadt nicht verlassen wird, sondern es vorzieht, dauerhaft in den provisorischen Lagern zu bleiben.

Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen mahnte mehr Hilfe an. Die Menschen des bitterarmen Karibikstaates müssten viel länger versorgt werden als angenommen. "Ursprünglich hatten wir mit zwei Millionen Menschen gerechnet, die wir sechs Monate versorgen müssen", sagte WFP-Chefin Josette Sheeran in New York. "Jetzt gehen wir von mindestens zwölf Monaten aus."

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva kündigte an, sein Land werde den Wiederaufbau in Haiti mit zusätzlich 375,95 Millionen Reales (rund 150 Millionen Euro) unterstützen. Lula appellierte an die Weltöffentlichkeit, mit der Hilfe für das haitianische Volk nicht zu warten, sondern jetzt tätig zu werden. Die Brasilianer hatten zuvor die Verdopplung ihres Blauhelm-Kontingents für Haiti bekannt gegeben. Bisher waren 1.266 brasilianische Militärs unter UN-Mandat in dem Karibikstaat stationiert.

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