ÖVP-Nein zu Gesetz

Machtspiele um Staatsfernsehen eskalieren

Österreich
26.01.2010 09:11
Auf den letzten Metern ist in der Nacht auf Dienstag das ORF-Gesetz vorerst geplatzt: Die ÖVP hat in der Koordinierungssitzung der Regierung ihre Zustimmung verweigert und will das Gesetz neu aufschnüren. Die offiziellen Gründe: zu schwache Kostenkontrolle und ein fehlendes Strukturkonzept. Insidern zufolge geht es der ÖVP aber vielmehr um den drohenden Machtverlust in den ORF-Gremien. Rückendeckung bekommt die Volkspartei indirekt vom Rechnungshof, der schon früher bemängelte, dass der Stiftungsrat des ORF mit 35 Mitgliedern viel zu groß sei.

In der Gesetzesnovelle ist für den ORF eine umstrittene Gebührenrefundierung enthalten, als Ersatz für entgangene Gelder durch die Digitalumstellung (wer keinen Decoder hat, bezahlt laut VwGh-Urteil kein Programmentgelt) und diverse Befreiungen. Auf die nächsten vier Jahre verteilt soll der Staatsfunk damit 160 zusätzliche Millionen Euro erhalten. Die ÖVP erhielt für ihre Zustimmung einen ihrer Vertrauensmänner (den Chefredakteur des ORF NÖ) als Kaufmännischen Direktor des ORF sowie die Zusage, dass das Direktorium von sieben auf vier Köpfe verkleinert wird.

Für die Gebührenrefundierung gibt es seitens der Politik freilich einige Auflagen. So müssen die zusätzlichen Gelder zweckgebunden für die generelle Steigerung österreichischer Produktionen im Programm, die Kinofilmförderung, das Radio Symphonie Orchester, Strukturmaßnahmen zur Kostensenkung sowie einen neuen Kultur- und Informationsspartenkanal auf TW 1 ausgegeben werden.

Die Festlegung der ORF-Gebühren sowie die Überwachung der Umsetzung des Programmauftrages soll künftig durch eine unabhängige, verfassungsrechtlich abgesicherte Medienbehörde überprüft werden. Dazu braucht die Koalition im Nationalrat aber die Zustimmung der Opposition, die allerdings noch bis zum März ihre Zwei-Drittel-Blockade aufrechterhalten will.

ÖVP steht Machtverlust in Gremien ins Haus
Keine Änderung war hingegen bei der Struktur der ORF-Gremien, dem Aufsichtsgremium Stiftungsrat und dem gerade in Neuwahl befindlichen Publikumsrat (mehr zur Wahl siehe Infobox), geplant. Beim Publikumsrat steht aber nun eine Umfärbung des derzeit noch ÖVP-dominierten Gremiums ins Haus. Der rot-dominierte Publikumsrat schickt dann sechs Mitglieder in den Stiftungsrat, dessen Mitglieder vorraussichtlich im März neu bestellt werden. Auch dort droht der ÖVP dann eine rote Mehrheit, weil der 35-köpfige Stiftungsrat zu einem großen Teil vom Kanzleramt beschickt wird.

Am Montagabend hieß es von der ÖVP zunächst, man sehe die Kostenkontrolle für die Mittel aus der Gebührenrefundierung nicht gewährleistet. Außerdem brauche es ein Strukturkonzept, "das Hand und Fuß hat" - das ORF-Chef Wrabetz aber laut Gesetzesentwurf nicht verpflichtend vorlegen muss. Wie dann aus Verhandlerkreisen verlautete, hat die ÖVP aber vor allem Bedenken wegen der zu erwartenden roten Mehrheit im Stiftungsrat.

Der Sprecher von SPÖ-Medienstaatssekretär Josef Ostermayer sprach davon, dass die ÖVP "Vereinbartes, mit dem man gemeinsam in Begutachtung gegangen ist, neu aufschnüren" wollte. Aus der Volkspartei hieß es wiederum, dass auch der Rechnungshof darauf verwiesen habe, dass bei den Gremien Handlungsbedarf herrsche.

Der RH bezeichnete das riesige Aufsichtsgremium in seiner Stellungnahme zur Gesetzesnovelle als "schlicht zu groß", deshalb könne "insbesondere die Überwachung der Geschäftsführung nicht in ausreichendem Maß erfüllt werden". Er schlug eine Verkleinerung auf mindestens ein Drittel der Räte vor. Die ÖVP begründete die Beibehaltung der Räte-Anzahl zuletzt damit, dass dies bei der Opposition für zu großen Unmut gesorgt hätte, auf deren Zustimmung man für eine Verfassungsmehrheit aber angewiesen sei. "Da haben wir die Krot' geschluckt und gesagt: 'Gut, dann lassen wir uns vom Rechnungshof kritisieren.'"

Bezahlfernsehen in "Bundesland heute" wird überdacht
Von der ÖVP wurde das Vertagen der Materie weiters damit begründet, dass man die ORF-Forderung nach Möglichkeiten für die Landesstudios, im Fernsehen regionale bezahlte Ankündigungen zu schalten, "genauer diskutieren" wolle. 

Für bezahlte Ankündigungen in "Bundesland heute" hatten sich in der Vorwoche auch die Landeshauptleute von Wien und Niederösterreich, Michael Häupl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP), ausgesprochen. Die Landesstudios bräuchten die Einnahmen für ihr Programm, so die Argumentation der Politiker. Den Bundesländer-Sendern ist bezahlte regionale Werbung derzeit verboten. 

Dauer-Wunsch nach noch mehr Werbung
Generell wünscht sich der ORF mehr Werbung - sehr zum Missfallen von Verlegern und Privatsendern. Wrabetz erwartet sich sogar Adaptierungen in der Gesetzesnovelle hinsichtlich der Einrechnung von Sponsorhinweisen bei Radioprogrammen sowie die Aufhebung der Online-Werbebeschränkung, bei der ihn SPÖ-Staatssekretär Ostermayer zuletzt aber auf eine "vertragliche Lösung" vertröstete.

Die EU hat dem ORF bei seiner Prüfung im vergangenen Jahr etliche Regeln aufgebürgt, die von der Regierung im Gesetz aber nur zum Teil umgesetzt werden. Speziell im Online-Bereich wären massive Einschränkungen - nach Vorbild der deutschen ARD - angesagt. Der Verband Österreichischer Zeitungen bekrittelte auch das im Gesetz verankerte Nettokostenprinzip, das formal bedeutet, dass der ORF Überschüsse abgeben müsste. Eine "echte Rückzahlung von Gebührengeldern bei Überkompensierung" sei aber nicht vorgesehen.

Regierungsbeschluss nun erst am 9. Februar
Neues Zieldatum für einen Regierungsbeschluss ist nun jedenfalls der 9. Februar, hieß es am Montagabend von beiden Seiten. Da kommende Woche kein Ministerrat stattfindet, ist das auch der frühestmögliche Zeitpunkt für eine neue Gesetzesvorlage. Die Verzögerung beurteilte man bei der ÖVP als nicht tragisch, da für die Medienbehörde ohnehin die Zustimmung der Opposition notwendig sei, was ein Inkrafttreten des Gesetzes vor März verhindere.

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